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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 31 October

Wegen des eingetretenen beßern Reise-Wetters waren wir auf un-
sern Abzug bedacht, und machten mit Abschied nehmen den Anfang beym
Könige, bey dem wir vor dismal durch den die Aufwartung habenden
premier Ecuyer Marquis de Cassini in der Retirade introduciret wurden.
Ihro Majestät waren gantz allein, und allem Ansehen nach eben von
dero Schreib-Tisch aufgestanden, welcher mit einem Buch in 4to und
mit Brief-Papier beleget war. Sie bedauerten auch bey dieser Gelegen-
heit, daß wir zu einer so tristen Zeit hieher kommen und nicht mehr
divertissement gefunden, worüber wir sie aber aufs beste zu
Frieden sprachen, und auf sehr gnädiges nochmaliges Befragen
unsre ferner vorhabende Tour durch Italien her erzehleten, da
denn Ihro Majestätjest: von Römischen Antiquitaeten, von der Peters-Kirche
zu Rom und andern dergleichen sehenswürdigen Dingen in Italien
sich mit uns eine gute viertel Stunde unterhielten, und endlich
glückliche Reise wünschten, wir hingegen vor alle hier genoßene
Königliche Gnade uns bedanckten, und unter Anwünschung aller
Königlicher Prosperitaet und fernen glückseeligen Regierung uns beur-
laubeten. Der Comte de Marsigli, welcher heute die Wache habende
garde du Corps commandirete, führte uns von hier über die Gallerie
welche das Palais mit dem Chateau zusammen hänget, zu dem
Duc de Savoye, den wir über dem Volanten-Schlagen an-
trafen, und von ihm gleichfals, nach einem kurtzen Gespräch
von der vorhabenden weitern Reise, auf das gnädigste di-
mittiret wurden. In der Dom-Kirche hielt man die jährliche
Funeralien des vorigen Königs, wobey der hiesige Ertzbischof officirte
und die Chevaliers de l'[unleserliches Material]Assonciade in ihren a l'Espagnole gemachten
Ordens-Kleidern auf einer rechter Hand des Altars errichteten
Bühne gegenwärtig waren. Der auf eben dieser Seite nach
dem Altar zu aufgerichtete Thron, nebst dem vor dem Altar
stehenden Trauer-Gerüste, waren die Merckmale, den Haupt=
Zweck dieser Ceremonie zu erkennen, und stund hinter be-
sagtem Thron die garde du Corps aufrangiret, führete iedoch,
statt der Partisanen, nur lange schwartze Stäbe in den Händen,
und ein Bataillon von hiesiger Besatzung paradirete auf dem
Platz vor der Kirchen. Mittags speiseten wir bey dem Ungarischen
Gesandten Grafen von Schulenburg vor der Stadt, in Gesell-
schaft seiner Gemahlin, des Englischen Ministres Villettes, eines
Englischen Herrn, der zu Besuchung der Ritter-academie hieher kommen,
des Legation-Secretarii, und eines Officiers von des Grafen
Regiment, wurden auch gantz ungemein freundlich und
gütig bewirthet und von dem Grafen mit folgenden Recommen-
dations-Schreiben auf unser Ansuchen versehen, nehmlich 1) an den

240
Den 31 October

Wegen des eingetretenen beßern Reise-Wetters waren wir auf un-
sern Abzug bedacht, und machten mit Abschied nehmen den Anfang beym
Könige, bey dem wir vor dismal durch den die Aufwartung habenden
premier Ecuyer Marquis de Cassini in der Retirade introduciret wurden.
Ihro Majestät waren gantz allein, und allem Ansehen nach eben von
dero Schreib-Tisch aufgestanden, welcher mit einem Buch in 4to und
mit Brief-Papier beleget war. Sie bedauerten auch bey dieser Gelegen-
heit, daß wir zu einer so tristen Zeit hieher kommen und nicht mehr
divertissement gefunden, worüber wir sie aber aufs beste zu
Frieden sprachen, und auf sehr gnädiges nochmaliges Befragen
unsre ferner vorhabende Tour durch Italien her erzehleten, da
denn Ihro Majestätjest: von Römischen Antiquitaeten, von der Peters-Kirche
zu Rom und andern dergleichen sehenswürdigen Dingen in Italien
sich mit uns eine gute viertel Stunde unterhielten, und endlich
glückliche Reise wünschten, wir hingegen vor alle hier genoßene
Königliche Gnade uns bedanckten, und unter Anwünschung aller
Königlicher Prosperitaet und fernen glückseeligen Regierung uns beur-
laubeten. Der Comte de Marsigli, welcher heute die Wache habende
garde du Corps commandirete, führte uns von hier über die Gallerie
welche das Palais mit dem Chateau zusammen hänget, zu dem
Duc de Savoye, den wir über dem Volanten-Schlagen an-
trafen, und von ihm gleichfals, nach einem kurtzen Gespräch
von der vorhabenden weitern Reise, auf das gnädigste di-
mittiret wurden. In der Dom-Kirche hielt man die jährliche
Funeralien des vorigen Königs, wobey der hiesige Ertzbischof officirte
und die Chevaliers de l'[unleserliches Material]Assonciade in ihren á l'Espagnole gemachten
Ordens-Kleidern auf einer rechter Hand des Altars errichteten
Bühne gegenwärtig waren. Der auf eben dieser Seite nach
dem Altar zu aufgerichtete Thron, nebst dem vor dem Altar
stehenden Trauer-Gerüste, waren die Merckmale, den Haupt=
Zweck dieser Ceremonie zu erkennen, und stund hinter be-
sagtem Thron die garde du Corps aufrangiret, führete iedoch,
statt der Partisanen, nur lange schwartze Stäbe in den Händen,
und ein Bataillon von hiesiger Besatzung paradirete auf dem
Platz vor der Kirchen. Mittags speiseten wir bey dem Ungarischen
Gesandten Grafen von Schulenburg vor der Stadt, in Gesell-
schaft seiner Gemahlin, des Englischen Ministres Villettes, eines
Englischen Herrn, der zu Besuchung der Ritter-academie hieher kommen,
des Legation-Secretarii, und eines Officiers von des Grafen
Regiment, wurden auch gantz ungemein freundlich und
gütig bewirthet und von dem Grafen mit folgenden Recommen-
dations-Schreiben auf unser Ansuchen versehen, nehmlich 1) an den

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[0494] 240 Den 31 Octobr: Wegen des eingetretenen beßern Reise-Wetters waren wir auf un- sern Abzug bedacht, und machten mit Abschied nehmen den Anfang beym Könige, bey dem wir vor dismal durch den die Aufwartung habenden premier Ecuyer Marquis de Cassini in der Retirade introduciret wurden. Ihro Ma: waren gantz allein, und allem Ansehen nach eben von dero Schreib-Tisch aufgestanden, welcher mit einem Buch in 4to und mit Brief-Papier beleget war. Sie bedauerten auch bey dieser Gelegen- heit, daß wir zu einer so tristen Zeit hieher kommen und nicht mehr divertissement gefunden, worüber wir sie aber aufs beste zu Frieden sprachen, und auf sehr gnädiges nochmaliges Befragen unsre ferner vorhabende Tour durch Italien her erzehleten, da denn Ihro Ma: von Röml. Antiquitaeten, von der Peters-Kirche zu Rom und andern dergl: sehenswürdigen Dingen in Italien sich mit uns eine gute viertel Stunde unterhielten, und endlich glückl: Reise wünschten, wir hingegen vor alle hier genoßene Königl: Gnade uns bedanckten, und unter Anwünschung aller Königl: Prosperitaet und fernen glückseel. Regierung uns beur- laubeten. Der Comte de Marsigli, welcher heute die Wache habende garde du Corps commandirete, führte uns von hier über die Gallerie welche das Palais mit dem Chateau zusammen hänget, zu dem Duc de Savoye, den wir über dem Volanten-Schlagen an- trafen, und von ihm gleichfals, nach einem kurtzen Gespräch von der vorhabenden weitern Reise, auf das gnädigste di- mittiret wurden. In der Dom-Kirche hielt man die jährliche Funeralien des vorigen Königs, wobey der hiesige Ertzbischof officirte und die Chevaliers de l'Assonciade in ihren á l'Espagnole gemachten Ordens-Kleidern auf einer rechter Hand des Altars errichteten Bühne gegenwärtig waren. Der auf eben dieser Seite nach dem Altar zu aufgerichtete Thron, nebst dem vor dem Altar stehenden Trauer-Gerüste, waren die Merckmale, den Haupt= Zweck dieser Ceremonie zu erkennen, und stund hinter be- sagtem Thron die garde du Corps aufrangiret, führete iedoch, statt der Partisanen, nur lange schwartze Stäbe in den Händen, und ein Bataillon von hiesiger Besatzung paradirete auf dem Platz vor der Kirchen. Mittags speiseten wir bey dem Ungrl. Gesandten Grafen von Schulenburg vor der Stadt, in Gesell- schaft seiner Gemahlin, des Engl: Ministres Villettes, eines Engl: Herrn, der zu Besuchung der Ritter-academie hieher kommen, des Legation-Secretarii, und eines Officiers von des Grafen Regiment, wurden auch gantz ungemein freundlich und gütig bewirthet und von dem Grafen mit folgenden Recommen- dations-Schreiben auf unser Ansuchen versehen, nehml. 1) an den

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/494>, abgerufen am 24.11.2024.