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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 17. November

So schicklich es gewesen wäre auch von dem hiesigen Hofe zu pro-
fitiren, zumal wir zum Theil die Hertzogin als damalige Made-
moiselle de Valois anno 1719 bey ihrer Groß-Mutter der Madame d'Orleans
in Franckreich gesehen, so wenig wolten es unsre dismaligen
Umstände verstatten, und musten wir auch einer gewißen teutschen
Hof-Dame welche aus dem Darmstättischen gebürtig seyn soll, die Visite
abschlagen, ohnerachtet sie uns durch einen abgeschickten Bedienten
zweymal zu sich einladen ließ. Wir besichtigten also nur vor-
mittags die auf dem gantz propre erbaueten, aber nicht vollendeten
Palais des Hertzogs befindliche Bilder-Gallerie, welche inclusive des
Vorsaals aus 6 Zimmern bestehet und lauter auserlesene Stücke
der berühmtesten Meister in sich faßet, als 1) von Paulo Veronese
die Hochzeit zu Cana. Die sogenannte Heiligen 3 Könige bey der Krippe
Christi, von welchen der mittelste die Gestalt des Mahlers selbst
vorstellet. Item er selbst mit seiner gantzen Familie und Anver-
wandten vor der Maria und dem Christ-Kindel auf den Knien
liegend. Das Gemählde ist ausnehmend schön und erstrecket sich
die Anzahl derer darauf stehenden Peronen auf 11. 2.) Von
Raphael Urbino die Jungfrau Maria und andere Stücke.
3.) Von Rubens der Heilige Hieronymus mit einem neben ihm liegen-
den Löwen. 4.) Von Albert Durer eben derselbe Hieronymus.
5.) Von Julio Romano verschiedene Batailles. 6.) Von Titian, er
selbst, seine Frau und sein kleiner Sohn auf einem Stück bey-
sammen. Vor ihnen stehet Maria mit dem Christ-Kindel. Item
die Ehebrecherin mit unsern Heylande und denen Pharisäern
im Tempel. 7.) Von Correggio ein Sankt Georg, item ein Nacht-Stück
die Geburt Christi mit der Jungfrau Maria und den Hirten vor-
stellend, insgemein la notte di Correggio genannt, welches in
der gantzen Gallerie vor das kostbarste gehalten wird, und in
der That giebt das Christ-Kind einen solchen Glantz von sich,
und wird dadurch zugleich das Gesicht der Jungfrau und derer
Hirten dergestalt erleuchtet, daß auch bey zugezogenen Fenstern
dieses gemahlte Licht die Augen frappiret. Von eben diesem
Mahler ist auch eine Magdalena auf Kupfer gemahlet in einem
mit Steinen versetzten silbernen Rahmen vorhanden, welches
Bild in einem besondern Schränckgen aufbehalten und deswegen
sehr hoch aestimiret wird, weil sich darauf eine dergestalt ins Dunckele
gemahlte Landschaft in der Ferne praesentiret, daß man solche
erst bey recht genauer Besichtigung entdecken kan. Viele andere
Stücke sonderlich von Caraccio werden Kürtze halben übergangen.
In der Dom-Kirche waren wir begierig die in denen Reise-Büchern
so sehr beruffene Secchia rapita zu sehen, musten auch nothwendig

250
Den 17. November

So schicklich es gewesen wäre auch von dem hiesigen Hofe zu pro-
fitiren, zumal wir zum Theil die Hertzogin als damalige Made-
moiselle de Valois anno 1719 bey ihrer Groß-Mutter der Madame d'Orleans
in Franckreich gesehen, so wenig wolten es unsre dismaligen
Umstände verstatten, und musten wir auch einer gewißen teutschen
Hof-Dame welche aus dem Darmstättischen gebürtig seyn soll, die Visite
abschlagen, ohnerachtet sie uns durch einen abgeschickten Bedienten
zweymal zu sich einladen ließ. Wir besichtigten also nur vor-
mittags die auf dem gantz propre erbaueten, aber nicht vollendeten
Palais des Hertzogs befindliche Bilder-Gallerie, welche inclusive des
Vorsaals aus 6 Zimmern bestehet und lauter auserlesene Stücke
der berühmtesten Meister in sich faßet, als 1) von Paulo Veronese
die Hochzeit zu Cana. Die sogenannte Heiligen 3 Könige bey der Krippe
Christi, von welchen der mittelste die Gestalt des Mahlers selbst
vorstellet. Item er selbst mit seiner gantzen Familie und Anver-
wandten vor der Maria und dem Christ-Kindel auf den Knien
liegend. Das Gemählde ist ausnehmend schön und erstrecket sich
die Anzahl derer darauf stehenden Peronen auf 11. 2.) Von
Raphael Urbino die Jungfrau Maria und andere Stücke.
3.) Von Rubens der Heilige Hieronymus mit einem neben ihm liegen-
den Löwen. 4.) Von Albert Durer eben derselbe Hieronymus.
5.) Von Julio Romano verschiedene Batailles. 6.) Von Titian, er
selbst, seine Frau und sein kleiner Sohn auf einem Stück bey-
sammen. Vor ihnen stehet Maria mit dem Christ-Kindel. Item
die Ehebrecherin mit unsern Heylande und denen Pharisäern
im Tempel. 7.) Von Correggio ein Sankt Georg, item ein Nacht-Stück
die Geburt Christi mit der Jungfrau Maria und den Hirten vor-
stellend, insgemein la notte di Correggio genannt, welches in
der gantzen Gallerie vor das kostbarste gehalten wird, und in
der That giebt das Christ-Kind einen solchen Glantz von sich,
und wird dadurch zugleich das Gesicht der Jungfrau und derer
Hirten dergestalt erleuchtet, daß auch bey zugezogenen Fenstern
dieses gemahlte Licht die Augen frappiret. Von eben diesem
Mahler ist auch eine Magdalena auf Kupfer gemahlet in einem
mit Steinen versetzten silbernen Rahmen vorhanden, welches
Bild in einem besondern Schränckgen aufbehalten und deswegen
sehr hoch aestimiret wird, weil sich darauf eine dergestalt ins Dunckele
gemahlte Landschaft in der Ferne praesentiret, daß man solche
erst bey recht genauer Besichtigung entdecken kan. Viele andere
Stücke sonderlich von Caraccio werden Kürtze halben übergangen.
In der Dom-Kirche waren wir begierig die in denen Reise-Büchern
so sehr beruffene Secchia rapita zu sehen, musten auch nothwendig

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[0514] 250 Den 17. Nov: So schicklich es gewesen wäre auch von dem hiesigen Hofe zu pro- fitiren, zumal wir zum Theil die Hertzogin als damalige Made- moiselle de Valois ao 1719 bey ihrer Groß-Mutter der Mad. d'Orleans in Franckreich gesehen, so wenig wolten es unsre dismaligen Umstände verstatten, und musten wir auch einer gewißen teutschen Hof-Dame welche aus dem Darmstädtl: gebürtig seyn soll, die Visite abschlagen, ohnerachtet sie uns durch einen abgeschickten Bedienten zweymal zu sich einladen ließ. Wir besichtigten also nur vor- mittags die auf dem gantz propre erbaueten, aber nicht vollendeten Palais des Hertzogs befindl: Bilder-Gallerie, welche inclusive des Vorsaals aus 6 Zimmern bestehet und lauter auserlesene Stücke der berühmtesten Meister in sich faßet, als 1) von Paulo Veronese die Hochzeit zu Cana. Die sogenannte Heil: 3 Könige bey der Krippe Christi, von welchen der mittelste die Gestalt des Mahlers selbst vorstellet. Item er selbst mit seiner gantzen Familie und Anver- wandten vor der Maria und dem Christ-Kindel auf den Knien liegend. Das Gemählde ist ausnehmend schön und erstrecket sich die Anzahl derer darauf stehenden Peronen auf 11. 2.) Von Raphael Urbino die Jungfrau Maria und andere Stücke. 3.) Von Rubens der H. Hieronymus mit einem neben ihm liegen- den Löwen. 4.) Von Albert Durer eben derselbe Hieronymus. 5.) Von Julio Romano verschiedene Batailles. 6.) Von Titian, er selbst, seine Frau und sein kleiner Sohn auf einem Stück bey- sammen. Vor ihnen stehet Maria mit dem Christ-Kindel. Item die Ehebrecherin mit unsern Heylande und denen Pharisäern im Tempel. 7.) Von Correggio ein S. Georg, item ein Nacht-Stück die Geburt Christi mit der Jungfrau Maria und den Hirten vor- stellend, insgemein la notte di Correggio genannt, welches in der gantzen Gallerie vor das kostbarste gehalten wird, und in der That giebt das Christ-Kind einen solchen Glantz von sich, und wird dadurch zugleich das Gesicht der Jungfrau und derer Hirten dergestalt erleuchtet, daß auch bey zugezogenen Fenstern dieses gemahlte Licht die Augen frappiret. Von eben diesem Mahler ist auch eine Magdalena auf Kupfer gemahlet in einem mit Steinen versetzten silbernen Rahmen vorhanden, welches Bild in einem besondern Schränckgen aufbehalten und deswegen sehr hoch aestimiret wird, weil sich darauf eine dergestalt ins Dunckele gemahlte Landschaft in der Ferne praesentiret, daß man solche erst bey recht genauer Besichtigung entdecken kan. Viele andere Stücke sonderlich von Caraccio werden Kürtze halben übergangen. In der Dom-Kirche waren wir begierig die in denen Reise-Büchern so sehr beruffene Secchia rapita zu sehen, musten auch nothwendig

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/514>, abgerufen am 23.11.2024.