Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].haben. Die ehemalige hiesige Gallerie und Bibliothec sind ietzo haben. Die ehemalige hiesige Gallerie und Bibliothec sind ietzo <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0513"/> haben. Die ehemalige hiesige Gallerie und Bibliothec sind ietzo<lb/> leere Nester, weil <persName xml:id="TidB2810" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10820" ref="http://d-nb.info/gnd/118925059">Don Carlos</persName>, als er hier gewesen, alles nach <placeName xml:id="TidB8401" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10008">Nea-<lb/> pel</placeName> führen laßen. Indeßen siehet man an denen noch vorhan-<lb/> denen sehr schön geschnitzten Bücher-Schräncken und an denen<lb/> über iedwedene repositorio in Holtz eingelegten rubriquen,<lb/> daß der Bücher-Vorrath in iedweder Scientz, sonderlich in der profan<lb/> Historie, sehr gering gewesen. Alle vorgedachte Behältniße finden<lb/> sich in dem Palais, welches aus 3 Höfen bestehet, in deren erstern<lb/> die verwittibte <persName xml:id="TidB8403" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11935" ref="http://d-nb.info/gnd/12227671X">Hertzogin</persName>, der ietzigen <persName xml:id="TidB8402" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11148" ref="http://d-nb.info/gnd/119151804">Königin in Spanien</persName><lb/> Mutter, gegenwärtig residiret, welcher wir aber Eilfertigkeit<lb/> halber die cour <del rendition="#s">zu</del> nicht haben machen können. Die beyden andern<lb/> Höfe des Palais sind neu erbauet, aber sonderlich inwendig bey weiten<lb/> nicht zur perfection kommen. Das Garten-Palais ienseit des Waßers<lb/><placeName xml:id="TidB2812" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10821">Parma</placeName>, welches durch die Stadt fließet und über welches 3 Brücken gehen,<lb/> ist inwendig noch gantz logeabel, und sind alle Zimmer durchgängig vor-<lb/> treflich schön en fresco gemahlet. Der berühmte Mahler <persName xml:id="TidB2814" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10822" ref="http://d-nb.info/gnd/118668536">Augustinus<lb/> Caraccio</persName> hat verschiedenes darinn verfertiget und ist über einem<lb/> plafond gestorben, als er noch ein Feld von demselben zu mahlen<lb/> gehabt, in welchem deswegen folgende Inscription zu lesen ist<lb/><persName xml:id="TidB2815" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10822" ref="http://d-nb.info/gnd/118668536">Augustinus Caraccius</persName>, dum extremos immortalis sui penicilli<lb/> tractus in hoc semi picto fornice moliretur, ab officiis pingendi<lb/> et vivendi sub vmbra Liliorum gloriose vacavit. Tu, Spectator,<lb/> inter has dulces picturae acerbitates pasce oculos et fatebere,<lb/> decuisse potius intactas Spectari, quam aliena manu tractatas<lb/> maturari. Von einer Kirche, welche man il Battesimo nennet,<lb/> und die auswendig mit lauter Marmor überzogen, aber sehr<lb/> antique ist, kan noch angemercket werden, daß man alle<lb/> Kinder die in der Stadt und 2 Millien um dieselbe herum ge-<lb/> bohren werden, in derselben zur Taufe bringet. Auch wird in<lb/> dieser Kirche den Sonnabend vor Ostern der Weyh-Waßer Vorrath<lb/> vor die gantze Stadt zubereitet, und ist zu diesem Zweck mitten in<lb/> der Kirche ein erhöhetes Bassin gleich einem Brunnen von Mar-<lb/> mor aufgerichtet. Nach eingenommenem Mittags-Eßen rückten<lb/> wir weiter fort, und gelangeten Abends nach <placeName xml:id="TidB2813" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10724" ref="http://d-nb.info/gnd/4115170-7"><hi rendition="#u">Modena</hi></placeName>. Vor<lb/> der Stadt begegnete uns auf der Land-Straße der <persName xml:id="TidB8405" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11936" ref="http://d-nb.info/gnd/118863525">Hertzog</persName> mit seiner<lb/><persName xml:id="TidB8404" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10823" ref="http://d-nb.info/gnd/136923283">Gemahlin</persName> in 4 sechsspännigen Carossen, kehrte aber, ehe wir<lb/> völlig an ihn kamen wieder um, und ließ sich durch einen ab-<lb/> geschickten Pagen nach unserm Nahmen erkundigen. Die Fortifica-<lb/> tion der Stadt und besonders der Citadelle scheinet dem auswendigen<lb/> Ansehen nach neu und gut zu seyn, auch sind die Thore mit re-<lb/> gulirter Militz ziemlich besetzet.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0513]
haben. Die ehemalige hiesige Gallerie und Bibliothec sind ietzo
leere Nester, weil Don Carlos, als er hier gewesen, alles nach Nea-
pel führen laßen. Indeßen siehet man an denen noch vorhan-
denen sehr schön geschnitzten Bücher-Schräncken und an denen
über iedwedene repositorio in Holtz eingelegten rubriquen,
daß der Bücher-Vorrath in iedweder Scientz, sonderlich in der profan
Historie, sehr gering gewesen. Alle vorgedachte Behältniße finden
sich in dem Palais, welches aus 3 Höfen bestehet, in deren erstern
die verwittibte Hertzogin, der ietzigen Königin in Spanien
Mutter, gegenwärtig residiret, welcher wir aber Eilfertigkeit
halber die cour nicht haben machen können. Die beyden andern
Höfe des Palais sind neu erbauet, aber sonderlich inwendig bey weiten
nicht zur perfection kommen. Das Garten-Palais ienseit des Waßers
Parma, welches durch die Stadt fließet und über welches 3 Brücken gehen,
ist inwendig noch gantz logeabel, und sind alle Zimmer durchgängig vor-
treflich schön en fresco gemahlet. Der berühmte Mahler Augustinus
Caraccio hat verschiedenes darinn verfertiget und ist über einem
plafond gestorben, als er noch ein Feld von demselben zu mahlen
gehabt, in welchem deswegen folgende Inscription zu lesen ist
Augustinus Caraccius, dum extremos immortalis sui penicilli
tractus in hoc semi picto fornice moliretur, ab officiis pingendi
et vivendi sub vmbra Liliorum gloriose vacavit. Tu, Spectator,
inter has dulces picturae acerbitates pasce oculos et fatebere,
decuisse potius intactas Spectari, quam aliena manu tractatas
maturari. Von einer Kirche, welche man il Battesimo nennet,
und die auswendig mit lauter Marmor überzogen, aber sehr
antique ist, kan noch angemercket werden, daß man alle
Kinder die in der Stadt und 2 Millien um dieselbe herum ge-
bohren werden, in derselben zur Taufe bringet. Auch wird in
dieser Kirche den Sonnabend vor Ostern der Weyh-Waßer Vorrath
vor die gantze Stadt zubereitet, und ist zu diesem Zweck mitten in
der Kirche ein erhöhetes Bassin gleich einem Brunnen von Mar-
mor aufgerichtet. Nach eingenommenem Mittags-Eßen rückten
wir weiter fort, und gelangeten Abends nach Modena. Vor
der Stadt begegnete uns auf der Land-Straße der Hertzog mit seiner
Gemahlin in 4 sechsspännigen Carossen, kehrte aber, ehe wir
völlig an ihn kamen wieder um, und ließ sich durch einen ab-
geschickten Pagen nach unserm Nahmen erkundigen. Die Fortifica-
tion der Stadt und besonders der Citadelle scheinet dem auswendigen
Ansehen nach neu und gut zu seyn, auch sind die Thore mit re-
gulirter Militz ziemlich besetzet.
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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