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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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271
Nummer 53.
Vom 14 - 20. December

Ohnerachtet wir, wie in vorigem Diario obgedachtermaßen, die hiesigen Bekantschafften bis zur Rück-
kunfft von Napoli aus zu setzen Willens gewesen, so wurde solcher un-
ser Vorsatz dennoch wieder unsern Willen unterbrochen. Denn weil unser
Quartier auf dem Spanischen Platz, wo alle Frembden zu logiren pflegen,
gelegen ist, so hatte der Leib-Medicus des hiesigen Königs von Engelland
Doctor Wrights uns ausgekundschafftet, und überbrachte einen von Monsieur
Ramsay an ihn eingeschloßenen Brief, mit dem Vermelden, daß My-
lord Dumbart unsrer schon verschiedentlich gedacht habe, weil seine
Schwester die Comtesse Ivernes in Avignon ihm von unsrer bevor-
stehenden Anherokunfft Nachricht gegeben. Wir versuchten ihn zwar, mit
Anzeigung der oben schon erwehnten Ursache, dem Mylord nichts von
uns zu sagen, und continuireten darauf mit unsern Besichtigun-
gen. Bey der Retour ins Quartier aber fanden wir eine Carte,
daß dieser Mylord zur Visite bey uns gewesen, konnten also keinen
Umgang nehmen, ihn hinwiederum zu besuchen. Er ist ein sehr
freundlicher und humaner, auch, so viel wir urtheilen können,
recht kluger Mann, der zwar die Ober-Aufsicht über beyde Printzen
beybehalten hat, dennoch aber bey dem Könige a la tete des affaires ist.
Denn daß wir bey Benennung dieses Königes in diesem Lande die Landes-Sprache gebrauchen, wird
hoffentlich jemanden so wenig praejudicirlich, als mißfällig seyn, und
wollen wir dieses hier ein vor allemal zu Vermeidung alles
Anstoßes erinnert haben. Der Effect dieser Dumbartischen Visite
war so fort die Praesentation bey dem Könige in deßelben Retirade,
woselbst er uns stehend, iedoch ohne Baldachin, dergleichen wir bis dato
in dem Palais nirgend gesehen, Audientz gab, und in Frantzösischer
Sprache von unsern bisherig und fernern Reisen sich sehr gnä-
dig mit uns entretenirte. Er ist von ziemlich langer Statur,
sehr hager und Pockengrubig, hat eine Habichts-Nase, kleine
schwartze Augen und eine gantz helle Sprache, und trägt sowol
den Schottischen Andreas-Orden an einem grünen, als den
Hosen-Band-Orden an einem blauen Bande. Wir wurden
auch so fort auf heute zur Tafel gebeten, und darauf von schon
gedachtem Mylord zu dem Printz Wallis und sodann zu dem
Duc de Yorck geführet. Jener ist im 21sten und dieser im 17den
Jahre seines Alters, beyde scheinen modeste und wohlgezogene Herren
zu seyn, und viele Natur-Gaben zu haben, ohnerachtet sie, was
das exterieur anbelanget, [unleserliches Material]nicht sonderlich dressiret sind. Der
jüngste hat die vollkommenen Lineamenta des Stuar[unleserliches Material]tischen
Hauses, so viel man sich deren aus verschiedenen gesehenen
Portraiten erinnert. Als es Tafel-Zeit war, empfingen wir
nebst denen Printzen den König, welcher indeßen auf die Promenade
gefahren gewesen, oben an der Treppe, und begleiteten ihn bis in
die antichambre, wo der Tisch bereits gedeckt war. Außer dem

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Nummer 53.
Vom 14 - 20. December

Ohnerachtet wir, wie in vorigem Diario obgedachtermaßen, die hiesigen Bekantschafften bis zur Rück-
kunfft von Napoli aus zu setzen Willens gewesen, so wurde solcher un-
ser Vorsatz dennoch wieder unsern Willen unterbrochen. Denn weil unser
Quartier auf dem Spanischen Platz, wo alle Frembden zu logiren pflegen,
gelegen ist, so hatte der Leib-Medicus des hiesigen Königs von Engelland
Doctor Wrights uns ausgekundschafftet, und überbrachte einen von Monsieur
Ramsay an ihn eingeschloßenen Brief, mit dem Vermelden, daß My-
lord Dumbart unsrer schon verschiedentlich gedacht habe, weil seine
Schwester die Comtesse Ivernes in Avignon ihm von unsrer bevor-
stehenden Anherokunfft Nachricht gegeben. Wir versuchten ihn zwar, mit
Anzeigung der oben schon erwehnten Ursache, dem Mylord nichts von
uns zu sagen, und continuireten darauf mit unsern Besichtigun-
gen. Bey der Retour ins Quartier aber fanden wir eine Carte,
daß dieser Mylord zur Visite bey uns gewesen, konnten also keinen
Umgang nehmen, ihn hinwiederum zu besuchen. Er ist ein sehr
freundlicher und humaner, auch, so viel wir urtheilen können,
recht kluger Mann, der zwar die Ober-Aufsicht über beyde Printzen
beybehalten hat, dennoch aber bey dem Könige a la tête des affaires ist.
Denn daß wir bey Benennung dieses Königes in diesem Lande die Landes-Sprache gebrauchen, wird
hoffentlich jemanden so wenig praejudicirlich, als mißfällig seyn, und
wollen wir dieses hier ein vor allemal zu Vermeidung alles
Anstoßes erinnert haben. Der Effect dieser Dumbartischen Visite
war so fort die Praesentation bey dem Könige in deßelben Retirade,
woselbst er uns stehend, iedoch ohne Baldachin, dergleichen wir bis dato
in dem Palais nirgend gesehen, Audientz gab, und in Frantzösischer
Sprache von unsern bisherig und fernern Reisen sich sehr gnä-
dig mit uns entretenirte. Er ist von ziemlich langer Statur,
sehr hager und Pockengrubig, hat eine Habichts-Nase, kleine
schwartze Augen und eine gantz helle Sprache, und trägt sowol
den Schottischen Andreas-Orden an einem grünen, als den
Hosen-Band-Orden an einem blauen Bande. Wir wurden
auch so fort auf heute zur Tafel gebeten, und darauf von schon
gedachtem Mylord zu dem Printz Wallis und sodann zu dem
Duc de Yorck geführet. Jener ist im 21sten und dieser im 17den
Jahre seines Alters, beyde scheinen modeste und wohlgezogene Herren
zu seyn, und viele Natur-Gaben zu haben, ohnerachtet sie, was
das exterieur anbelanget, [unleserliches Material]nicht sonderlich dressiret sind. Der
jüngste hat die vollkommenen Lineamenta des Stuar[unleserliches Material]tischen
Hauses, so viel man sich deren aus verschiedenen gesehenen
Portraiten erinnert. Als es Tafel-Zeit war, empfingen wir
nebst denen Printzen den König, welcher indeßen auf die Promenade
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[0556] 271 No 53. Vom 14 - 20. Decembr: Ohnerachtet wir, wie in vorigem Diario gedacht, die hiesigen Bekantschafften bis zur Rück- kunfft von Napoli aus zu setzen Willens gewesen, so wurde solcher un- ser Vorsatz dennoch wieder unsern Willen unterbrochen. Denn weil unser Quartier auf dem Spanil: Platz, wo alle Frembden zu logiren pflegen, gelegen ist, so hatte der Leib-Medicus des hiesigen Königs von Engelland D. Wrights uns ausgekundschafftet, und überbrachte einen von Mr. Ramsay an ihn eingeschloßenen Brief, mit dem Vermelden, daß My- lord Dumbart unsrer schon verschiedentlich gedacht habe, weil seine Schwester die Comtesse Ivernes in Avignon ihm von unsrer bevor- stehenden Anherokunfft Nachricht gegeben. Wir versuchten ihn zwar, mit Anzeigung der oben schon erwehnten Ursache, dem Mylord nichts von uns zu sagen, und continuireten darauf mit unsern Besichtigun- gen. Bey der Retour ins Quartier aber fanden wir eine Carte, daß dieser Mylord zur Visite bey uns gewesen, konnten also keinen Umgang nehmen, ihn hinwiederum zu besuchen. Er ist ein sehr freundlicher und humaner, auch, so viel wir urtheilen können, recht kluger Mann, der zwar die Ober-Aufsicht über beyde Printzen beybehalten hat, dennoch aber bey dem Könige a la tête des affaires ist. Denn daß wir bey Benennung dieses Königes in diesem Lande die Landes-Sprache gebrauchen, wird hoffentl: jemanden so wenig praejudicirlich, als mißfällig seyn, und wollen wir dieses hier ein vor allemal zu Vermeidung alles Anstoßes erinnert haben. Der Effect dieser Dumbartischen Visite war so fort die Praesentation bey dem Könige in deßelben Retirade, woselbst er uns stehend, iedoch ohne Baldachin, dergl: wir bis dato in dem Palais nirgend gesehen, Audientz gab, und in Frantzöl: Sprache von unsern bisherig und fernern Reisen sich sehr gnä- dig mit uns entretenirte. Er ist von zieml. langer Statur, sehr hager und Pockengrubig, hat eine Habichts-Nase, kleine schwartze Augen und eine gantz helle Sprache, und trägt sowol den Schottischen Andreas-Orden an einem grünen, als den Hosen-Band-Orden an einem blauen Bande. Wir wurden auch so fort auf heute zur Tafel gebeten, und darauf von schon gedachtem Mylord zu dem Printz Wallis und sodann zu dem Duc de Yorck geführet. Jener ist im 21sten und dieser im 17den Jahre seines Alters, beyde scheinen modeste und wohlgezogene Herren zu seyn, und viele Natur-Gaben zu haben, ohnerachtet sie, was das exterieur anbelanget, nicht sonderlich dressiret sind. Der jüngste hat die vollkommenen Lineamenta des Stuartischen Hauses, so viel man sich deren aus verschiedenen gesehenen Portraiten erinnert. Als es Tafel-Zeit war, empfingen wir nebst denen Printzen den König, welcher indeßen auf die Promenade gefahren gewesen, oben an der Treppe, und begleiteten ihn bis in die antichambre, wo der Tisch bereits gedeckt war. Außer dem

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/556>, abgerufen am 24.11.2024.