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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Thürne nur im Wege wären, und verursachten, daß eine etliche Stun-
den währende Observation, in einem Zimmer nicht zu Ende gebracht
werden könte, es wäre denn, daß man sich auf dem platten Dach
der freyen Luft exponiren wolte.

Den 29 November

Vormittags hatten wir Visite von dem Chevalier de Saint Jory, welcher
seine Meriten und Geschickligkeit uns mit ziemlicher Grace anzu-
preisen wuste, ferner von Monsieur de Chervensky und endlich von
Herrn Ferch, welcher auch mittags bey uns speisete, und die praepara-
torien zu seinem Abschiede machte. Nach der Tafel besuchte uns
Herr Peterson, und conferirten wir beym Coffee über allerhand
gute Bücher. Die Abend-Stunden wurden bey der Madame de
Montbrun
recht vergnügt und erbaulich zugebracht, und machten
wir zugleich mit dem ebenfals gegenwärtigen recht christlichen
Marquis de Gardauge, Bekandschaft. Sie wieß uns eine neue Frantzösische
Bibel, welche nach dem Grund-Text übersetzt, und vor die Armen desti-
niret ist, bestelte auch bey uns ein Dutzend Teutsche Neue Testamente um solche dem
zu Neuily im Quartier liegenden Schweitzern aus zutheilen, dabey
zwar gedachter Marquis einige Bedenckligkeit zu haben schiene, aus
Besorgniß, daß die Lutherische Ubersetzung nicht allerdings genuin seyn
möchte: doch ließ er sich, nachdem man ihm über den bekanten
Ort aus der Epistel an die Römer genugsame Erläuterung gegeben,
wider zu Frieden sprechen. Sonst erzehlte er, mit Beystimmung
der Marquise, daß eine Dame von Condition hier verhanden sey
welche durch eine Relique von Monsieur Paris, von einem an dem
Backen lange Zeit gehabten Krebs-Schaden, in 3 Tagen völlig cu-
riret worden; wie denn der König, seinen Leib-Chirurgum zu
ihr geschicket, der sie gantzer 3 Stunden examiniret und besichtiget,
und vollkommen gesund gefunden. Man laße auch diese Dame, welche
die Ursache ihrer Genesung öffentlich bekenne, in ungestöhrter
Ruhe, da andere dergleichen gewesene Patienten ins exilium
geschickt und sonst hart gehalten worden. Von der nothwendigen
Wachsamkeit und Behutsamkeit in der großen Welt, um sich
mit dem Strohm nicht hinreißen zu laßen, wurde sehr viel
gutes gesprochen, als eben der Chevalier de Court, Obrister
über ein Schweitzer Regiment, sich einfand, und der Madame
de Montbrun als eine neue Zeitung erzehlte, daß die Duchesse
de Tremouille (welche nach hiesiger Mund-Art ebenfals eine
Devote ist) dieser Tagen einen gewißen neuen Roman gelesen
habe, ohnerachtet gewiße Beschreibungen darinn enthalten, qui
etoient un peu indecentes. Madame Montbrun wolte solches nicht

Thürne nur im Wege wären, und verursachten, daß eine etliche Stun-
den währende Observation, in einem Zimmer nicht zu Ende gebracht
werden könte, es wäre denn, daß man sich auf dem platten Dach
der freyen Luft exponiren wolte.

Den 29 November

Vormittags hatten wir Visite von dem Chevalier de Saint Jory, welcher
seine Meriten und Geschickligkeit uns mit ziemlicher Grace anzu-
preisen wuste, ferner von Monsieur de Chervensky und endlich von
Herrn Ferch, welcher auch mittags bey uns speisete, und die praepara-
torien zu seinem Abschiede machte. Nach der Tafel besuchte uns
Herr Peterson, und conferirten wir beym Coffée über allerhand
gute Bücher. Die Abend-Stunden wurden bey der Madame de
Montbrun
recht vergnügt und erbaulich zugebracht, und machten
wir zugleich mit dem ebenfals gegenwärtigen recht christlichen
Marquis de Gardauge, Bekandschaft. Sie wieß uns eine neue Frantzösische
Bibel, welche nach dem Grund-Text übersetzt, und vor die Armen desti-
niret ist, bestelte auch bey uns ein Dutzend Teutsche Neue Testamente um solche dem
zu Neuily im Quartier liegenden Schweitzern aus zutheilen, dabey
zwar gedachter Marquis einige Bedenckligkeit zu haben schiene, aus
Besorgniß, daß die Lutherische Ubersetzung nicht allerdings genuin seyn
möchte: doch ließ er sich, nachdem man ihm über den bekanten
Ort aus der Epistel an die Römer genugsame Erläuterung gegeben,
wider zu Frieden sprechen. Sonst erzehlte er, mit Beystimmung
der Marquise, daß eine Dame von Condition hier verhanden sey
welche durch eine Relique von Monsieur Paris, von einem an dem
Backen lange Zeit gehabten Krebs-Schaden, in 3 Tagen völlig cu-
riret worden; wie denn der König, seinen Leib-Chirurgum zu
ihr geschicket, der sie gantzer 3 Stunden examiniret und besichtiget,
und vollkommen gesund gefunden. Man laße auch diese Dame, welche
die Ursache ihrer Genesung öffentlich bekenne, in ungestöhrter
Ruhe, da andere dergleichen gewesene Patienten ins exilium
geschickt und sonst hart gehalten worden. Von der nothwendigen
Wachsamkeit und Behutsamkeit in der großen Welt, um sich
mit dem Strohm nicht hinreißen zu laßen, wurde sehr viel
gutes gesprochen, als eben der Chevalier de Court, Obrister
über ein Schweitzer Regiment, sich einfand, und der Madame
de Montbrun als eine neue Zeitung erzehlte, daß die Duchesse
de Tremouille (welche nach hiesiger Mund-Art ebenfals eine
Devote ist) dieser Tagen einen gewißen neuen Roman gelesen
habe, ohnerachtet gewiße Beschreibungen darinn enthalten, qui
etoient un peu indecentes. Madame Montbrun wolte solches nicht

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[0063] Thürne nur im Wege wären, und verursachten, daß eine etliche Stun- den währende Observation, in einem Zimmer nicht zu Ende gebracht werden könte, es wäre denn, daß man sich auf dem platten Dach der freyen Luft exponiren wolte. Den 29 Novembr: Vormittags hatten wir Visite von dem Chevalier de St. Jory, welcher seine Meriten und Geschickligkeit uns mit ziemlicher Grace anzu- preisen wuste, ferner von Mr. de Chervensky und endlich von Hl: Ferch, welcher auch mittags bey uns speisete, und die praepara- torien zu seinem Abschiede machte. Nach der Tafel besuchte uns Hl: Peterson, und conferirten wir beym Coffée über allerhand gute Bücher. Die Abend-Stunden wurden bey der Madame de Montbrun recht vergnügt und erbaulich zugebracht, und machten wir zugleich mit dem ebenfals gegenwärtigen recht christlichen Marquis de Gardauge, Bekandschaft. Sie wieß uns eine neue Frantzösl: Bibel, welche nach dem Grund-Text übersetzt, und vor die Armen desti- niret ist, bestelte auch bey uns ein Dutzend Teutsche N. T. um solche dem zu Neuily im Quartier liegenden Schweitzern aus zutheilen, dabey zwar gedachter Marquis einige Bedenckligkeit zu haben schiene, aus Besorgniß, daß die Lutherische Ubersetzung nicht allerdings genuin seyn möchte: doch ließ er sich, nachdem man ihm über den bekanten Ort aus der Epistel an die Römer genugsame Erläuterung gegeben, wider zu Frieden sprechen. Sonst erzehlte er, mit Beystimmung der Marquise, daß eine Dame von Condition hier verhanden sey welche durch eine Relique von Mr. Paris, von einem an dem Backen lange Zeit gehabten Krebs-Schaden, in 3 Tagen völlig cu- riret worden; wie denn der König, seinen Leib-Chirurgum zu ihr geschicket, der sie gantzer 3 Stunden examiniret und besichtiget, und vollkommen gesund gefunden. Man laße auch diese Dame, welche die Ursache ihrer Genesung öffentlich bekenne, in ungestöhrter Ruhe, da andere dergleichen gewesene Patienten ins exilium geschickt und sonst hart gehalten worden. Von der nothwendigen Wachsamkeit und Behutsamkeit in der großen Welt, um sich mit dem Strohm nicht hinreißen zu laßen, wurde sehr viel gutes gesprochen, als eben der Chevalier de Court, Obrister über ein Schweitzer Regiment, sich einfand, und der Madame de Montbrun als eine neue Zeitung erzehlte, daß die Duchesse de Tremouille (welche nach hiesiger Mund-Art ebenfals eine Devote ist) dieser Tagen einen gewißen neuen Roman gelesen habe, ohnerachtet gewiße Beschreibungen darinn enthalten, qui etoient un peu indecentes. Madame Montbrun wolte solches nicht

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/63>, abgerufen am 21.11.2024.