Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].315 vermeinte Courage derer übrigen sich auf eine gute Bereit-schaft zu dem Übertritt in die andre Welt gegründet habe, solches läßet man dahin gestellet seyn. Als tompeten und Paucken auf der Straße gehöret wurden, sagte der frantzösische Am- bassadeur: c'est la musique de mon Regiment; denn er ist Marcchal de camps, und hat ein Cavalerie Regiment, wel- ches mit in Lintz gestanden. Als man ihn aber benachrichtigte, daß der bon Dieu vorbey passire, war seine replix, ha! c'est une chose fort respectable. Es wird der sogenannte bon dieu hier oftteofftmals mit voraus gehender music begleitet, welches wir, außer großen processionen, sonst nirgend an Catholischen Orten beobachtet haben. Indeßen ist uns bey dieser Gele- genheit gesagt worden, daß das gemeine Volck in Lissabon so gar dazu tantze, vermuthlich den davidischen Tantz vor der Bundes-Lade dadurch nach zu äffen, daß aber der ietz ige König in Portugall solches verboten habe. Nachdem wir mit dem frantzösischen Ambassadeur wegen unsrer hiesigen ad- dressen und Eintheilung der Zeit Abrede genommen, verfügten wir uns zu der principessa Yatchi, und übergaben den von der Comtesse Caraman aus Toulouse an sie mit habenden Brief. Sie ist eine noch junge Dame, frantzösischer Geburt, und als ein Kind hieher verheirathet worden, dahero sie sich auch der Comtesse Caraman fast gar nicht zu erinnern wuste, dennoch aber uns sehr höflich annahm. Weil wir, außer ihrem Oncle dem General der hiesigen Galeren und Chevalier de l'ordre de Janvier Comte Reggio, auch den General Lieute- nant Comte Trivalzio bey ihr antraffen, so überreichten wir diesem ebenfals das uns von dem hiesigen Ambassa- deur in Turin an ihn mitgegebene Schreiben. Er ist ein Mayländer von Geburt, und ein so respectabler, als höflicher Herr, der mit recht unaffectirter Guthertzigkeit zu allen dem, was zu Illustrissimi Diensten von ihm dependiren könte, sich offerirte. Abends introducirete uns der frantzösische Ambassadeur bey der Duchessa die Matalone, bey welcher wir wegen des von ihrer Schwester, der princesse Borghese aus Rom an sie mit gebrachten Briefes recht besonders will- kommen waren. Sie ist noch nicht 30 Jahr alt, hat aber in dem letzten Wochen-Bette den Zufall bekommen, daß ihre Füße un- brauchbar worden, und sie beständig sitzen, oder sich tragen 315 vermeinte Courage derer übrigen sich auf eine gute Bereit-schaft zu dem Übertritt in die andre Welt gegründet habe, solches läßet man dahin gestellet seyn. Als tompeten und Paucken auf der Straße gehöret wurden, sagte der frantzösische Am- bassadeur: c'est la musique de mon Regiment; denn er ist Marcchal de camps, und hat ein Cavalerie Regiment, wel- ches mit in Lintz gestanden. Als man ihn aber benachrichtigte, daß der bon Dieu vorbey passire, war seine replix, ha! c'est une chose fort respectable. Es wird der sogenannte bon dieu hier oftteofftmals mit voraus gehender music begleitet, welches wir, außer großen processionen, sonst nirgend an Catholischen Orten beobachtet haben. Indeßen ist uns bey dieser Gele- genheit gesagt worden, daß das gemeine Volck in Lissabon so gar dazu tantze, vermuthlich den davidischen Tantz vor der Bundes-Lade dadurch nach zu äffen, daß aber der ietz ige König in Portugall solches verboten habe. Nachdem wir mit dem frantzösischen Ambassadeur wegen unsrer hiesigen ad- dressen und Eintheilung der Zeit Abrede genommen, verfügten wir uns zu der principessa Yatchi, und übergaben den von der Comtesse Caraman aus Toulouse an sie mit habenden Brief. Sie ist eine noch junge Dame, frantzösischer Geburt, und als ein Kind hieher verheirathet worden, dahero sie sich auch der Comtesse Caraman fast gar nicht zu erinnern wuste, dennoch aber uns sehr höflich annahm. Weil wir, außer ihrem Oncle dem General der hiesigen Galeren und Chevalier de l'ordre de Janvier Comte Reggio, auch den General Lieute- nant Comte Trivalzio bey ihr antraffen, so überreichten wir diesem ebenfals das uns von dem hiesigen Ambassa- deur in Turin an ihn mitgegebene Schreiben. Er ist ein Mayländer von Geburt, und ein so respectabler, als höflicher Herr, der mit recht unaffectirter Guthertzigkeit zu allen dem, was zu Illustrissimi Diensten von ihm dependiren könte, sich offerirte. Abends introducirete uns der frantzösische Ambassadeur bey der Duchessa die Matalone, bey welcher wir wegen des von ihrer Schwester, der princesse Borghese aus Rom an sie mit gebrachten Briefes recht besonders will- kommen waren. 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315
vermeinte Courage derer übrigen sich auf eine gute Bereit-
schaft zu dem Übertritt in die andre Welt gegründet habe,
solches läßet man dahin gestellet seyn. Als tompeten und
Paucken auf der Straße gehöret wurden, sagte der frantzöl: Am-
bassadeur: c'est la musique de mon Regiment; denn er ist
Marcchal de camps, und hat ein Cavalerie Regiment, wel-
ches mit in Lintz gestanden. Als man ihn aber benachrichtigte,
daß der bon Dieu vorbey passire, war seine replix, ha! c'est
une chose fort respectable. Es wird der sogenannte bon dieu
hier offtmals mit voraus gehender music begleitet, welches
wir, außer großen processionen, sonst nirgend an Catholischen
Orten beobachtet haben. Indeßen ist uns bey dieser Gele-
genheit gesagt worden, daß das gemeine Volck in Lissabon
so gar dazu tantze, vermuthlich den davidischen Tantz vor
der Bundes-Lade dadurch nach zu äffen, daß aber der ietz ige
König in Portugall solches verboten habe. Nachdem wir
mit dem frantzöl: Ambassadeur wegen unsrer hiesigen ad-
dressen und Eintheilung der Zeit Abrede genommen, verfügten
wir uns zu der principessa Yatchi, und übergaben den von
der Comtesse Caraman aus Toulouse an sie mit habenden
Brief. Sie ist eine noch junge Dame, frantzöler Geburt, und
als ein Kind hieher verheirathet worden, dahero sie sich auch
der Comtesse Caraman fast gar nicht zu erinnern wuste,
dennoch aber uns sehr höflich annahm. Weil wir, außer
ihrem Oncle dem General der hiesigen Galeren und Chevalier
de l'ordre de Janvier Comte Reggio, auch den General Lieute-
nant Comte Trivalzio bey ihr antraffen, so überreichten
wir diesem ebenfals das uns von dem hiesigen Ambassa-
deur in Turin an ihn mitgegebene Schreiben. Er ist ein
Mayländer von Geburt, und ein so respectabler, als
höflicher Herr, der mit recht unaffectirter Guthertzigkeit zu
allen dem, was zu Illmi Diensten von ihm dependiren
könte, sich offerirte. Abends introducirete uns der frantzöl.
Ambassadeur bey der Duchessa die Matalone, bey welcher wir
wegen des von ihrer Schwester, der princesse Borghese
aus Rom an sie mit gebrachten Briefes recht besonders will-
kommen waren. Sie ist noch nicht 30 Jahr alt, hat aber in dem
letzten Wochen-Bette den Zufall bekommen, daß ihre Füße un-
brauchbar worden, und sie beständig sitzen, oder sich tragen
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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