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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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und verguldten poudre-Meßer, keine meuble auf dem Nacht-
Tische zu sehen. Der König war dismal sehr gesprächig und entre
tenirte sich theils mit dem Holländischen Ambassadeur theils mit dem
Pabstlichen Nuncio, welcher einem bon vivant vollkommen ähnlich sieht
theils mit unterschiedenen Frantzösischen Herrn, endlich auch mit
dem Cardinal Fleury, welchem letztern er iedoch keine besonders
freundliche Mine zu machen, schiene. Bey dem gewöhnlichen Morgen
Gebet des Königs, welches er bekantermaßen neben seinem
Bette kniend verrichtet, concurrirete weder der Cardinal, noch der
Nuncius, sondern es leisteten dabey nur die gewöhnlich aufwar-
tende aumoniers, dem Könige Gesellschaft, wie es denn dieses-
mal ohnediß sehr kurtz zugeschnitten war, und über 6 Secunden
nicht währete. Als wir wider in des Königs antichambre zu-
rück kamen, wurden die Mesdames de France in zwey Sänften
unter Begleitung ihrer Hofmeisterin, der Duchesse de Tallard
und übrigen Dames, nach der Capelle vorbey getragen, da denn
gedachte Mesdames iedermann zu beyden Seiten sehr gnädig
und freundlich begrüßten. Als wir zur Königin bey der Toi-
lette kamen, war sie schon völlig schwartz angezogen, und
entretenirte sich stehend, theils mit dem Rußischen Ambassa-
deur, Prinz Cantimir, und dem Holländischen van Huy, theils
mit ihren Dames, und endlich auch überaus freundlich und lustig
mit dem alten Cardinal. Es wurde dabey beobachtet, daß die
Dames, wenn die Königin mit ihnen redete, sich sehr negligent
bezeigten, auch wohl dabey auf den Camin-Schirm mit denen
Armen auflegeten. Aus dem Zimmer folgten wir der Königin
als sie in die Meße ging, bis in die große Gallerie, und
spatziereten in derselben mit dem Englischen Minister Monsieur Tompson
bis zu ihrer Retour, auf und nieder, da wir uns denn von
den ietzigen Welt-Läuften zu entreteniren, Gelegenheit hatten.
Er versicherte, daß Engelland gegenwärtig 220 Kriegs-Schiffe
in See habe, und daß sich genugsame resourcen fänden, im
Nothfall deren noch mehr herbey zu schaffen. Wie denn auch
der Krieg mit Spanien den König nicht hindern würde, der
teutschen Umstände, wenn es nötig, sich anzunehmen. Wegen
der Kälte nahmen wir nebst Monsieur Tompson unsre Retirade
wider a la Sale des Ambassadeurs, woselbst bis zum Eßen discou-
riret und von Monsieur Sainctot, welcher ehemals im Kriege gedienet
manche Soldaten Geschäfte, von dem Würtembergische Minister Fesch
aber erzehlet wurde, daß ein Schneider in Paris sey, welcher mit

und verguldten poudre-Meßer, keine meuble auf dem Nacht-
Tische zu sehen. Der König war dismal sehr gesprächig und entre
tenirte sich theils mit dem Holländischen Ambassadeur theils mit dem
Pabstlichen Nuncio, welcher einem bon vivant vollkommen ähnlich sieht
theils mit unterschiedenen Frantzösischen Herrn, endlich auch mit
dem Cardinal Fleury, welchem letztern er iedoch keine besonders
freundliche Mine zu machen, schiene. Bey dem gewöhnlichen Morgen
Gebet des Königs, welches er bekantermaßen neben seinem
Bette kniend verrichtet, concurrirete weder der Cardinal, noch der
Nuncius, sondern es leisteten dabey nur die gewöhnlich aufwar-
tende aumoniérs, dem Könige Gesellschaft, wie es denn dieses-
mal ohnediß sehr kurtz zugeschnitten war, und über 6 Secunden
nicht währete. Als wir wider in des Königs antichambre zu-
rück kamen, wurden die Mesdames de France in zwey Sänften
unter Begleitung ihrer Hofmeisterin, der Duchesse de Tallard
und übrigen Dames, nach der Capelle vorbey getragen, da denn
gedachte Mesdames iedermann zu beyden Seiten sehr gnädig
und freundlich begrüßten. Als wir zur Königin bey der Toi-
lette kamen, war sie schon völlig schwartz angezogen, und
entretenirte sich stehend, theils mit dem Rußischen Ambassa-
deur, Prinz Cantimir, und dem Holländischen van Huy, theils
mit ihren Dames, und endlich auch überaus freundlich und lustig
mit dem alten Cardinal. Es wurde dabey beobachtet, daß die
Dames, wenn die Königin mit ihnen redete, sich sehr negligent
bezeigten, auch wohl dabey auf den Camin-Schirm mit denen
Armen auflegeten. Aus dem Zimmer folgten wir der Königin
als sie in die Meße ging, bis in die große Gallerie, und
spatziereten in derselben mit dem Englischen Minister Monsieur Tompson
bis zu ihrer Retour, auf und nieder, da wir uns denn von
den ietzigen Welt-Läuften zu entreteniren, Gelegenheit hatten.
Er versicherte, daß Engelland gegenwärtig 220 Kriegs-Schiffe
in See habe, und daß sich genugsame resourcen fänden, im
Nothfall deren noch mehr herbey zu schaffen. Wie denn auch
der Krieg mit Spanien den König nicht hindern würde, der
teutschen Umstände, wenn es nötig, sich anzunehmen. Wegen
der Kälte nahmen wir nebst Monsieur Tompson unsre Retirade
wider à la Sale des Ambassadeurs, woselbst bis zum Eßen discou-
riret und von Monsieur Sainctot, welcher ehemals im Kriege gedienet
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[0071] und verguldten poudre-Meßer, keine meuble auf dem Nacht- Tische zu sehen. Der König war dismal sehr gesprächig und entre tenirte sich theils mit dem Holländl: Ambassadeur theils mit dem Pabstlichen Nuncio, welcher einem bon vivant vollkommen ähnlich sieht theils mit unterschiedenen Frantzösischen Herrn, endlich auch mit dem Cardinal Fleury, welchem letztern er iedoch keine besonders freundliche Mine zu machen, schiene. Bey dem gewöhnlichen Morgen Gebet des Königs, welches er bekantermaßen neben seinem Bette kniend verrichtet, concurrirete weder der Cardinal, noch der Nuncius, sondern es leisteten dabey nur die gewöhnlich aufwar- tende aumoniérs, dem Könige Gesellschaft, wie es denn dieses- mal ohnediß sehr kurtz zugeschnitten war, und über 6 Secunden nicht währete. Als wir wider in des Königs antichambre zu- rück kamen, wurden die Mesdames de France in zwey Sänften unter Begleitung ihrer Hofmeisterin, der Duchesse de Tallard und übrigen Dames, nach der Capelle vorbey getragen, da denn gedachte Mesdames iedermann zu beyden Seiten sehr gnädig und freundl: begrüßten. Als wir zur Königin bey der Toi- lette kamen, war sie schon völlig schwartz angezogen, und entretenirte sich stehend, theils mit dem Rußischen Ambassa- deur, Prinz Cantimir, und dem Holländl: van Huy, theils mit ihren Dames, und endlich auch überaus freundlich und lustig mit dem alten Cardinal. Es wurde dabey beobachtet, daß die Dames, wenn die Königin mit ihnen redete, sich sehr negligent bezeigten, auch wohl dabey auf den Camin-Schirm mit denen Armen auflegeten. Aus dem Zimmer folgten wir der Königin als sie in die Meße ging, bis in die große Gallerie, und spatziereten in derselben mit dem Engl: Minister Mr. Tompson bis zu ihrer Retour, auf und nieder, da wir uns denn von den ietzigen Welt-Läuften zu entreteniren, Gelegenheit hatten. Er versicherte, daß Engelland gegenwärtig 220 Kriegs-Schiffe in See habe, und daß sich genugsame resourcen fänden, im Nothfall deren noch mehr herbey zu schaffen. Wie denn auch der Krieg mit Spanien den König nicht hindern würde, der teutschen Umstände, wenn es nötig, sich anzunehmen. Wegen der Kälte nahmen wir nebst Mr: Tompson unsre Retirade wider à la Sale des Ambassadeurs, woselbst bis zum Eßen discou- riret und von Mr. Sainctot, welcher ehemals im Kriege gedienet manche Soldaten Geschäfte, von dem Würtenbergl: Minister Fesch aber erzehlet wurde, daß ein Schneider in Paris sey, welcher mit

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/71>, abgerufen am 21.11.2024.