Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].369 sind die Gemählde von alten berühmten Meistern, als Paolo Veronese,Zuccaro, Tintoretto, Titiano p: Wie denn überhaupt hier in Venedig der rechte Sitz von guten Gemählden, und in dieser Absicht Rom dem hiesigen Ort weit nach zu setzen ist. In der Sala del grand conseglio ist das merckwür- digste Stück die Demüthigung Friderici Barbarossae vor dem Pabst Alexander dem IIIten, welches Gemählde mit dem Römischen in allen Stücken übereinkommt, nur daß bey dem hiesigen sich keine Schrifft findet, hin- gegen deutlicher als in Rom zu sehen ist, wie der Pabst von seinem Stuhl auf stehet, sich mit der rechten Hand auf den Arm des Venetianischen Doge, und mit der lincken auf einen andern assistenten leget, um dem Kayser seinen lincken Fuß desto nachdrücklicher auf die rechte Schulter zu setzen, welcher Schuh von gelber Farbe ist. Noch von einem andern eben diese Historie vorstellenden Gemählde, welches wir hier gesehen, soll unten gedacht werden. Da indeßen die hiesigen so wohl, als das römische 3 bis 400 Jahr nach der Geschichte gemahlet sind, so können sie dersel- ben keinem tüchtigen Beweiß dienen, sondern geben nur so viel zu erkennen, daß die Venetianer unter dem praetext der geretteten Ehre des Päbstlichen Stuhls sich selbst groß, und den Kayser klein zu machen gesuchet, wie denn alles, was damals in dieser materie vor- gegangen, in verschiedenen Stücken, welche die eine halbe Seite des Saals einnehmen, sorgfältigst abgeschildert ist. Vor denen Sälen und auf denen Treppen ist die Unreinligkeit extrem groß, und der Gestanck von Urin kaum zu ertragen. In dem kleinen Zeug=Hause eben dieses Pallastes wird eine große Anzahl geladener Flinten ohnabläßig pa- rat gehalten, damit im Nothfall, und bey unverhofft entstehenden Auflauff, der Doge mit der Noblesse sich defendiren können, und ge- het zu dem Ende eine Thür aus diesem Waffen=Behältniß unmittel- bar in den Saal des großen Raths. Alle 3 Monathe wir gedachtes Gewehr von neuem geladen, und hänget an jedwedem Flinten-Schloß ein le- derner Beutel mit 5-6 Patronen, damit bey vorfallender action ein jedweder so viel Schüße thun könne. Von vielen martialischen und andern curiosis, welche in diesem kleinen Zeug-Hause zugleich aufbehalten werden, mercken wir hier nur folgende an: Scanderbegs Säbel; 369 sind die Gemählde von alten berühmten Meistern, als Paolo Veronese,Zuccaro, Tintoretto, Titiano p: Wie denn überhaupt hier in Venedig der rechte Sitz von guten Gemählden, und in dieser Absicht Rom dem hiesigen Ort weit nach zu setzen ist. In der Sala del grand conseglio ist das merckwür- digste Stück die Demüthigung Friderici Barbarossae vor dem Pabst Alexander dem IIIten, welches Gemählde mit dem Römischen in allen Stücken übereinkommt, nur daß bey dem hiesigen sich keine Schrifft findet, hin- gegen deutlicher als in Rom zu sehen ist, wie der Pabst von seinem Stuhl auf stehet, sich mit der rechten Hand auf den Arm des Venetianischen Doge, und mit der lincken auf einen andern assistenten leget, um dem Kayser seinen lincken Fuß desto nachdrücklicher auf die rechte Schulter zu setzen, welcher Schuh von gelber Farbe ist. Noch von einem andern eben diese Historie vorstellenden Gemählde, welches wir hier gesehen, soll unten gedacht werden. Da indeßen die hiesigen so wohl, als das römische 3 bis 400 Jahr nach der Geschichte gemahlet sind, so können sie dersel- ben keinem tüchtigen Beweiß dienen, sondern geben nur so viel zu erkennen, daß die Venetianer unter dem praetext der geretteten Ehre des Päbstlichen Stuhls sich selbst groß, und den Kayser klein zu machen gesuchet, wie denn alles, was damals in dieser materie vor- gegangen, in verschiedenen Stücken, welche die eine halbe Seite des Saals einnehmen, sorgfältigst abgeschildert ist. Vor denen Sälen und auf denen Treppen ist die Unreinligkeit extrem groß, und der Gestanck von Urin kaum zu ertragen. In dem kleinen Zeug=Hause eben dieses Pallastes wird eine große Anzahl geladener Flinten ohnabläßig pa- rat gehalten, damit im Nothfall, und bey unverhofft entstehenden Auflauff, der Doge mit der Noblesse sich defendiren können, und ge- het zu dem Ende eine Thür aus diesem Waffen=Behältniß unmittel- bar in den Saal des großen Raths. Alle 3 Monathe wir gedachtes Gewehr von neuem geladen, und hänget an jedwedem Flinten-Schloß ein le- derner Beutel mit 5-6 Patronen, damit bey vorfallender action ein jedweder so viel Schüße thun könne. 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sind die Gemählde von alten berühmten Meistern, als Paolo Veronese,
Zuccaro, Tintoretto, Titiano p: Wie denn überhaupt hier in Venedig der rechte
Sitz von guten Gemählden, und in dieser Absicht Rom dem hiesigen Ort weit
nach zu setzen ist. In der Sala del grand conseglio ist das merckwür-
digste Stück die Demüthigung Friderici Barbarossae vor dem Pabst
Alexander dem IIIten, welches Gemählde mit dem Röml.n in allen Stücken
übereinkommt, nur daß bey dem hiesigen sich keine Schrifft findet, hin-
gegen deutlicher als in Rom zu sehen ist, wie der Pabst von seinem Stuhl
auf stehet, sich mit der rechten Hand auf den Arm des Venetianischen Doge,
und mit der lincken auf einen andern assistenten leget, um dem Kayser
seinen lincken Fuß desto nachdrücklicher auf die rechte Schulter zu setzen,
welcher Schuh von gelber Farbe ist. Noch von einem andern eben diese
Historie vorstellenden Gemählde, welches wir hier gesehen, soll unten
gedacht werden. Da indeßen die hiesigen so wohl, als das römische
3 bis 400 Jahr nach der Geschichte gemahlet sind, so können sie dersel-
ben keinem tüchtigen Beweiß dienen, sondern geben nur so viel zu
erkennen, daß die Venetianer unter dem praetext der geretteten
Ehre des Päbstlichen Stuhls sich selbst groß, und den Kayser klein zu
machen gesuchet, wie denn alles, was damals in dieser materie vor-
gegangen, in verschiedenen Stücken, welche die eine halbe Seite des Saals
einnehmen, sorgfältigst abgeschildert ist. Vor denen Sälen und auf
denen Treppen ist die Unreinligkeit extrem groß, und der Gestanck
von Urin kaum zu ertragen. In dem kleinen Zeug=Hause eben dieses
Pallastes wird eine große Anzahl geladener Flinten ohnabläßig pa-
rat gehalten, damit im Nothfall, und bey unverhofft entstehenden
Auflauff, der Doge mit der Noblesse sich defendiren können, und ge-
het zu dem Ende eine Thür aus diesem Waffen=Behältniß unmittel-
bar in den Saal des großen Raths. Alle 3 Monathe wir gedachtes
Gewehr von neuem geladen, und hänget an jedwedem Flinten-Schloß ein le-
derner Beutel mit 5-6 Patronen, damit bey vorfallender action
ein jedweder so viel Schüße thun könne. Von vielen martialischen und
andern curiosis, welche in diesem kleinen Zeug-Hause zugleich aufbehalten
werden, mercken wir hier nur folgende an: Scanderbegs Säbel;
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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