Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

Bild:
<< vorherige Seite

wede anatomie bey angezündeten Lichtern geschehen muß. Die
Universitaets bibliothec stehet noch in dem Palazzo des Capitano, soll
aber in das Colloqium transportiret werden, so bald das Behältniß,
deßen dessein recht magnifique ist, dazu aptiret seyn wird.
An wohl besoldeten und und zum theil geschickt und berühmten Pro-
fessoribus ist kein Mangel, und haben wir den Professorem Bota-
nices, Pontedera in dem hiesigen Medicinischen Garten eine lectio-
nem botanicam halten hören; wobey er nicht nur iedwede Pflantze,
sondern auch deren Saamen, Blüthe und Frucht auf das distincte-
ste anwiese und vorzeigete, auch sodann unter die Zuhörer, derer
etwa 20 seyn mogten, austheilete. Die lectiones werden hier,
wie leicht zu erachten, alle lateinisch gehalten, und bezahlen die Stu
denten keinen Heller, wenn gleich der Professor privatim in seinem
Hause lieset. Auf die erste Ansprache des Professoris: Auditores
ornatissimi! antworteten sie alle viva! viva! da denn die
lection ihren Anfang nahm; und soll dieses gelehrte Feld=Geschrey
hier in allen lectionen bräulich seyn, um damit anzudeuten, daß,
sie den Lehrer aestimiren, und ihn geduldig hören wollen. Die-
ser Garten ist zwar nicht groß, aber recht artig aptiret, und
deswegen merckwürdig, weil er auf denen Europaeischen Uni-
versitaeten der erste gewesen, und die andern horti medicinibotanici alle
nach diesem Exempel angeleget worden. Die übrigen Gelehrten,
mit denen wir hier Special-Bekanntschafft gemacht, sind der
große Anatomicus Morgagni, und der große Humanist,
Facciolati. Jener ist 61 Jahr alt, und zeigete uns viele schöne
praeparata. Z. E. eine arteriam pulmonalem mit 4 Valvuln,
da dieselbe ordentlicher Weise nur 3 zu haben pfleget: Die
Sceleta ungebohrner Kinder von 6 Wochen an, bis gegen die Zeit
der Geburth: die gantze osteologie des Menschlichen Ohres in
sehr vielen Stücken, so daß auch nicht das kleineste Knöchlein
fehlet. Er ist ein besonderer Freund von Heistern und auch
von Hoffmannen, welchen beyden er viele eloges beylegete:
Facciolati ist noch nicht 60 Jahr alt, und sehr munter, scheinet
auch viel Feuer zu haben. Die Professio der aristotelischen Logic,
welche er etliche Jahre verwaltet, ist niemalen nach seinem gusto
gewesen, und da man ihm auch die metaphysische dabey auf legen,
wollen, hat er seine profession gar quitiret, und die historie der

wede anatomie bey angezündeten Lichtern geschehen muß. Die
Universitaets bibliothec stehet noch in dem Palazzo des Capitano, soll
aber in das Colloqium transportiret werden, so bald das Behältniß,
deßen dessein recht magnifique ist, dazu aptiret seyn wird.
An wohl besoldeten und und zum theil geschickt und berühmten Pro-
fessoribus ist kein Mangel, und haben wir den Professorem Bota-
nices, Pontedera in dem hiesigen Medicinischen Garten eine lectio-
nem botanicam halten hören; wobey er nicht nur iedwede Pflantze,
sondern auch deren Saamen, Blüthe und Frucht auf das distincte-
ste anwiese und vorzeigete, auch sodann unter die Zuhörer, derer
etwa 20 seyn mogten, austheilete. Die lectiones werden hier,
wie leicht zu erachten, alle lateinisch gehalten, und bezahlen die Stu
denten keinen Heller, wenn gleich der Professor privatim in seinem
Hause lieset. Auf die erste Ansprache des Professoris: Auditores
ornatissimi! antworteten sie alle viva! viva! da denn die
lection ihren Anfang nahm; und soll dieses gelehrte Feld=Geschrey
hier in allen lectionen bräulich seyn, um damit anzudeuten, daß,
sie den Lehrer aestimiren, und ihn geduldig hören wollen. Die-
ser Garten ist zwar nicht groß, aber recht artig aptiret, und
deswegen merckwürdig, weil er auf denen Europaeischen Uni-
versitaeten der erste gewesen, und die andern horti medicinibotanici alle
nach diesem Exempel angeleget worden. Die übrigen Gelehrten,
mit denen wir hier Special-Bekanntschafft gemacht, sind der
große Anatomicus Morgagni, und der große Humanist,
Facciolati. Jener ist 61 Jahr alt, und zeigete uns viele schöne
praeparata. Z. E. eine arteriam pulmonalem mit 4 Valvuln,
da dieselbe ordentlicher Weise nur 3 zu haben pfleget: Die
Sceleta ungebohrner Kinder von 6 Wochen an, bis gegen die Zeit
der Geburth: die gantze osteologie des Menschlichen Ohres in
sehr vielen Stücken, so daß auch nicht das kleineste Knöchlein
fehlet. Er ist ein besonderer Freund von Heistern und auch
von Hoffmannen, welchen beyden er viele eloges beylegete:
Facciolati ist noch nicht 60 Jahr alt, und sehr munter, scheinet
auch viel Feuer zu haben. Die Professio der aristotelischen Logic,
welche er etliche Jahre verwaltet, ist niemalen nach seinem gusto
gewesen, und da man ihm auch die metaphysische dabey auf legen,
wollen, hat er seine profession gar quitiret, und die historie der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter">
        <div type="diaryEntry">
          <p><pb facs="#f0769"/>
wede anatomie bey angezündeten Lichtern geschehen muß. Die<lb/>
Universitaets bibliothec stehet noch in dem Palazzo des Capitano, soll<lb/>
aber in das Colloqium transportiret werden, so bald das Behältniß,<lb/>
deßen dessein recht magnifique ist, dazu aptiret seyn wird.<lb/>
An wohl besoldeten und und zum theil geschickt und berühmten Pro-<lb/>
fessoribus ist kein Mangel, und haben wir den <hi rendition="#u">Professorem Bot</hi>a-<hi rendition="#u"><lb/>
nices, Pontedera</hi> in dem hiesigen Medicinischen Garten eine lectio-<lb/>
nem botanicam halten hören; wobey er nicht nur iedwede Pflantze,<lb/>
sondern auch deren Saamen, Blüthe und Frucht auf das distincte-<lb/>
ste anwiese und vorzeigete, auch sodann unter die Zuhörer, derer<lb/>
etwa 20 seyn mogten, austheilete. Die lectiones werden hier,<lb/>
wie leicht zu erachten, alle lateinisch gehalten, und bezahlen die Stu<lb/>
denten keinen Heller, wenn gleich der Professor privatim in seinem<lb/>
Hause lieset. Auf die erste Ansprache des Professoris: Auditores<lb/>
ornatissimi! antworteten sie alle viva! viva! da denn die<lb/>
lection ihren Anfang nahm; und soll dieses gelehrte Feld=Geschrey<lb/>
hier in allen lectionen bräulich seyn, um damit anzudeuten, daß,<lb/>
sie den Lehrer aestimiren, und ihn geduldig hören wollen. Die-<lb/>
ser Garten ist zwar nicht groß, aber recht artig aptiret, und<lb/>
deswegen merckwürdig, weil er auf denen Europaeischen Uni-<lb/>
versitaeten der erste gewesen, und die andern horti <subst><del rendition="#s">medicini</del><add place="superlinear">botanici</add></subst> alle<lb/>
nach diesem Exempel angeleget worden. Die übrigen Gelehrten,<lb/>
mit denen wir hier Special-Bekanntschafft gemacht, sind der<lb/>
große <hi rendition="#u">Anatomicus Morgagni</hi>, und der große Humanist,<lb/><hi rendition="#u">Facciolati</hi>. Jener ist 61 Jahr alt, und zeigete uns viele schöne<lb/>
praeparata. Z. E. eine arteriam pulmonalem mit 4 Valvuln,<lb/>
da dieselbe ordentlicher Weise nur 3 zu haben pfleget: Die<lb/>
Sceleta ungebohrner Kinder von 6 Wochen an, bis gegen die Zeit<lb/>
der Geburth: die gantze osteologie des Menschlichen Ohres in<lb/>
sehr vielen Stücken, so daß auch nicht das kleineste Knöchlein<lb/>
fehlet. Er ist ein besonderer Freund von Heistern und auch<lb/>
von Hoffmannen, welchen beyden er viele eloges beylegete:<lb/><hi rendition="#u">Facciolati</hi> ist noch nicht 60 Jahr alt, und sehr munter, scheinet<lb/>
auch viel Feuer zu haben. Die Professio der aristotelischen Logic,<lb/>
welche er etliche Jahre verwaltet, ist niemalen nach seinem gusto<lb/>
gewesen, und da man ihm auch die metaphysische dabey auf legen,<lb/>
wollen, hat er seine profession gar quitiret, und die historie der
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0769] wede anatomie bey angezündeten Lichtern geschehen muß. Die Universitaets bibliothec stehet noch in dem Palazzo des Capitano, soll aber in das Colloqium transportiret werden, so bald das Behältniß, deßen dessein recht magnifique ist, dazu aptiret seyn wird. An wohl besoldeten und und zum theil geschickt und berühmten Pro- fessoribus ist kein Mangel, und haben wir den Professorem Bota- nices, Pontedera in dem hiesigen Medicinischen Garten eine lectio- nem botanicam halten hören; wobey er nicht nur iedwede Pflantze, sondern auch deren Saamen, Blüthe und Frucht auf das distincte- ste anwiese und vorzeigete, auch sodann unter die Zuhörer, derer etwa 20 seyn mogten, austheilete. Die lectiones werden hier, wie leicht zu erachten, alle lateinisch gehalten, und bezahlen die Stu denten keinen Heller, wenn gleich der Professor privatim in seinem Hause lieset. Auf die erste Ansprache des Professoris: Auditores ornatissimi! antworteten sie alle viva! viva! da denn die lection ihren Anfang nahm; und soll dieses gelehrte Feld=Geschrey hier in allen lectionen bräulich seyn, um damit anzudeuten, daß, sie den Lehrer aestimiren, und ihn geduldig hören wollen. Die- ser Garten ist zwar nicht groß, aber recht artig aptiret, und deswegen merckwürdig, weil er auf denen Europaeischen Uni- versitaeten der erste gewesen, und die andern horti botanici alle nach diesem Exempel angeleget worden. Die übrigen Gelehrten, mit denen wir hier Special-Bekanntschafft gemacht, sind der große Anatomicus Morgagni, und der große Humanist, Facciolati. Jener ist 61 Jahr alt, und zeigete uns viele schöne praeparata. Z. E. eine arteriam pulmonalem mit 4 Valvuln, da dieselbe ordentlicher Weise nur 3 zu haben pfleget: Die Sceleta ungebohrner Kinder von 6 Wochen an, bis gegen die Zeit der Geburth: die gantze osteologie des Menschlichen Ohres in sehr vielen Stücken, so daß auch nicht das kleineste Knöchlein fehlet. Er ist ein besonderer Freund von Heistern und auch von Hoffmannen, welchen beyden er viele eloges beylegete: Facciolati ist noch nicht 60 Jahr alt, und sehr munter, scheinet auch viel Feuer zu haben. Die Professio der aristotelischen Logic, welche er etliche Jahre verwaltet, ist niemalen nach seinem gusto gewesen, und da man ihm auch die metaphysische dabey auf legen, wollen, hat er seine profession gar quitiret, und die historie der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/769
Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/769>, abgerufen am 14.08.2024.