Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].381 beyläufig erwehnten gelehrten und berühmten Marchese Scipione Maffeiin seinem Hause besuchet, bey dem wir eine gelehrte Gesellschafft antraffen, die mit perlustrirung de Palladii in Engelland heraus gekommener Architectur beschäfftiget war. Er ist schon ziemlich bey Jahren, aber recht freundlich und affable. Als wir, auf sein Befragen, uns vor Luthe- raner declarireten, lobete er die protestanten in so ferne, daß sie beßer er- zogen würden, und ordinair gelehrter wären, als die catholicken, meinete auch, daß, des Irthums in der religion ohngeachtet, man ein ander aesti- miren könne, und der Unterschied der religion die humanitaet nicht auf- hebe, ob es gleich in praxi mehrentheils anders hergehe. Daß es aber doch möglich sey, davon habe er nebst dem Canzler=Pfaff zu Tübingen dem publico ein Exempel gegeben, da sie über der materie von gewißen Schrif- ten und Sentiments des H. Irenaei mit ein ander controvertiret, gleich wohl aber in beständiger und unverrückter Freundschafft geblie ben. Es wurde sonst von gelehrten Leuten, und andern litterariis verschiedenes gesprochen, und endlich mit Besichtigung einiger anti- quitaeten beschloßen, worunter ein Original von einer honesta missione 9 Römischer Soldaten, auf 2 Kupfer-Tafeln gegraben, das merckwürdigste war. Die andre Haupt-Person, welche wir in Verona kennen lernen, ist der venetianische Feld-Marchall Graf von Schulenburg, welcher die ietzt in dieser Gegend stehende observa- tions-armee der republic commandiret, und hier sein Haupt- quartier hat. Sein hohes 80 Jähriges alter veruhrsachet, daß weder Gesicht, Gehör, noch Gedächtniß vollkommen in dem Stande sind, wie es zu seiner charge nöthig wäre, indeßen ersetzet diesen Mangel der in denen besten Jahren sich befindendende General- Major Emo, ein Venetianischer Nobili, den er etliche und zwantzig Jahr unter seiner Zucht gehabt, und der große talente zu haben scheinet, mithin unter des Feldmarchals Nahmen alles veranstaltet und expediret. Wir haben Mittags bey dem Feldmarchall gespeiset, wozu er seinen Wagen mit dem völligen train in unser quartier geschickt, der uns zwar, weil wir schon mit einer andern carosse ausgefahren waren, nicht angetroffen, gleichwohl aber Nach Mittags, en ceremonie dahin zurück geführet hat. Er bezeigete sich überaus freundlich und höfflich, und war von dem hochgräfl. Reußischen Hauße gantz wohl informiret, fragte auch insbesondere, ob man nicht von der Nachbarschafft angefochten würde? Von seinen eignen explois haben wir ihn kein Wort reden hören, und besitzet er hierzu mehr modestie, als der große Kriegs-Held zu Turin. Beyläuffig gedachte er eines 381 beyläufig erwehnten gelehrten und berühmten Marchese Scipione Maffeiin seinem Hause besuchet, bey dem wir eine gelehrte Gesellschafft antraffen, die mit perlustrirung de Palladii in Engelland heraus gekommener Architectur beschäfftiget war. Er ist schon ziemlich bey Jahren, aber recht freundlich und affable. Als wir, auf sein Befragen, uns vor Luthe- raner declarireten, lobete er die protestanten in so ferne, daß sie beßer er- zogen würden, und ordinair gelehrter wären, als die catholicken, meinete auch, daß, des Irthums in der religion ohngeachtet, man ein ander aesti- miren könne, und der Unterschied der religion die humanitaet nicht auf- hebe, ob es gleich in praxi mehrentheils anders hergehe. Daß es aber doch möglich sey, davon habe er nebst dem Canzler=Pfaff zu Tübingen dem publico ein Exempel gegeben, da sie über der materie von gewißen Schrif- ten und Sentiments des H. Irenaei mit ein ander controvertiret, gleich wohl aber in beständiger und unverrückter Freundschafft geblie ben. Es wurde sonst von gelehrten Leuten, und andern litterariis verschiedenes gesprochen, und endlich mit Besichtigung einiger anti- quitaeten beschloßen, worunter ein Original von einer honesta missione 9 Römischer Soldaten, auf 2 Kupfer-Tafeln gegraben, das merckwürdigste war. Die andre Haupt-Person, welche wir in Verona kennen lernen, ist der venetianische Feld-Marchall Graf von Schulenburg, welcher die ietzt in dieser Gegend stehende observa- tions-armee der republic commandiret, und hier sein Haupt- quartier hat. Sein hohes 80 Jähriges alter veruhrsachet, daß weder Gesicht, Gehör, noch Gedächtniß vollkommen in dem Stande sind, wie es zu seiner charge nöthig wäre, indeßen ersetzet diesen Mangel der in denen besten Jahren sich befindendende General- Major Emo, ein Venetianischer Nobili, den er etliche und zwantzig Jahr unter seiner Zucht gehabt, und der große talente zu haben scheinet, mithin unter des Feldmarchals Nahmen alles veranstaltet und expediret. Wir haben Mittags bey dem Feldmarchall gespeiset, wozu er seinen Wagen mit dem völligen train in unser quartier geschickt, der uns zwar, weil wir schon mit einer andern carosse ausgefahren waren, nicht angetroffen, gleichwohl aber Nach Mittags, en ceremonie dahin zurück geführet hat. Er bezeigete sich überaus freundlich und höfflich, und war von dem hochgräfl. Reußischen Hauße gantz wohl informiret, fragte auch insbesondere, ob man nicht von der Nachbarschafft angefochten würde? 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beyläufig erwehnten gelehrten und berühmten Marchese Scipione Maffei
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Architectur beschäfftiget war. Er ist schon ziemlich bey Jahren, aber
recht freundlich und affable. Als wir, auf sein Befragen, uns vor Luthe-
raner declarireten, lobete er die protestanten in so ferne, daß sie beßer er-
zogen würden, und ordinair gelehrter wären, als die catholicken, meinete
auch, daß, des Irthums in der religion ohngeachtet, man ein ander aesti-
miren könne, und der Unterschied der religion die humanitaet nicht auf-
hebe, ob es gleich in praxi mehrentheils anders hergehe. Daß es aber doch
möglich sey, davon habe er nebst dem Canzler=Pfaff zu Tübingen dem
publico ein Exempel gegeben, da sie über der materie von gewißen Schrif-
ten und Sentiments des H. Irenaei mit ein ander controvertiret,
gleich wohl aber in beständiger und unverrückter Freundschafft geblie
ben. Es wurde sonst von gelehrten Leuten, und andern litterariis
verschiedenes gesprochen, und endlich mit Besichtigung einiger anti-
quitaeten beschloßen, worunter ein Original von einer honesta
missione 9 Römischer Soldaten, auf 2 Kupfer-Tafeln gegraben,
das merckwürdigste war. Die andre Haupt-Person, welche wir in
Verona kennen lernen, ist der venetianische Feld-Marchall Graf
von Schulenburg, welcher die ietzt in dieser Gegend stehende observa-
tions-armee der republic commandiret, und hier sein Haupt-
quartier hat. Sein hohes 80 Jähriges alter veruhrsachet, daß
weder Gesicht, Gehör, noch Gedächtniß vollkommen in dem Stande
sind, wie es zu seiner charge nöthig wäre, indeßen ersetzet
diesen Mangel der in denen besten Jahren sich befindendende General-
Major Emo, ein Venetianischer Nobili, den er etliche und zwantzig Jahr
unter seiner Zucht gehabt, und der große talente zu haben scheinet,
mithin unter des Feldmarchals Nahmen alles veranstaltet und
expediret. Wir haben Mittags bey dem Feldmarchall gespeiset,
wozu er seinen Wagen mit dem völligen train in unser quartier
geschickt, der uns zwar, weil wir schon mit einer andern carosse
ausgefahren waren, nicht angetroffen, gleichwohl aber Nach Mittags,
en ceremonie dahin zurück geführet hat. Er bezeigete sich überaus
freundlich und höfflich, und war von dem hochgräfl. Reußischen Hauße gantz
wohl informiret, fragte auch insbesondere, ob man nicht von der
Nachbarschafft angefochten würde? Von seinen eignen explois haben
wir ihn kein Wort reden hören, und besitzet er hierzu mehr modestie,
als der große Kriegs-Held zu Turin. Beyläuffig gedachte er eines
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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