Vermuthungen diejenigen Schlüsse nicht allezeit zie- hen können, die sie geglaubet. Ich kann nicht sa- gen, welche von beyderley Erfahrungen, nehmlich denen bekräftigenden oder verneinenden, mir die an- genehmsten gewesen sind, da ich von ihnen den Nu- tzen gehabt, daß ich keiner Observation getrauet, wenn sie von mir nicht etlichemahl wiederholet wer- den können, und daß ich mich vor unrichtigen Schlüssen in Acht genommen. Demnach habe ich es gewagt, an vielen dergleichen Umständen, wel- che so oft vor ganz unstreitig ausgegeben worden sind, bis zu einem richtigern Erweise, noch auf ei- nige Zeit mit Grunde zu zweifeln.
Mr. Needham, welcher seine Versuche mit vieler Vorsicht angestellet, und seine mikroskopischen Entdeckungen mit großer Bescheidenheit mitgethei- let hat, scheint den Eifer derer Forschenden über vorerzählte Umstände ganz von neuem rege gemacht zu haben, da er allem Ansehen nach, zu einer meh- rern Erkenntniß des Blumenstaubes und der daher entstehenden Pflanzenbefruchtung einen so guten Beytrag gethan hat, fast zu gleicher Zeit, da ich mit eben dergleichen Arbeiten beschäftiget gewesen bin. Dahero glaube ich nichts überflüßiges zu thun, wenn ich dessen Entdeckungen und Muthma- ßungen in gegenwärtiger Abhandlung mit den mei- nigen vergleiche, und mich über diejenigen Punkte erkläre, in denen ich mich vor der Hand noch
von
Vermuthungen diejenigen Schluͤſſe nicht allezeit zie- hen koͤnnen, die ſie geglaubet. Ich kann nicht ſa- gen, welche von beyderley Erfahrungen, nehmlich denen bekraͤftigenden oder verneinenden, mir die an- genehmſten geweſen ſind, da ich von ihnen den Nu- tzen gehabt, daß ich keiner Obſervation getrauet, wenn ſie von mir nicht etlichemahl wiederholet wer- den koͤnnen, und daß ich mich vor unrichtigen Schluͤſſen in Acht genommen. Demnach habe ich es gewagt, an vielen dergleichen Umſtaͤnden, wel- che ſo oft vor ganz unſtreitig ausgegeben worden ſind, bis zu einem richtigern Erweiſe, noch auf ei- nige Zeit mit Grunde zu zweifeln.
Mr. Needham, welcher ſeine Verſuche mit vieler Vorſicht angeſtellet, und ſeine mikroſkopiſchen Entdeckungen mit großer Beſcheidenheit mitgethei- let hat, ſcheint den Eifer derer Forſchenden uͤber vorerzaͤhlte Umſtaͤnde ganz von neuem rege gemacht zu haben, da er allem Anſehen nach, zu einer meh- rern Erkenntniß des Blumenſtaubes und der daher entſtehenden Pflanzenbefruchtung einen ſo guten Beytrag gethan hat, faſt zu gleicher Zeit, da ich mit eben dergleichen Arbeiten beſchaͤftiget geweſen bin. Dahero glaube ich nichts uͤberfluͤßiges zu thun, wenn ich deſſen Entdeckungen und Muthma- ßungen in gegenwaͤrtiger Abhandlung mit den mei- nigen vergleiche, und mich uͤber diejenigen Punkte erklaͤre, in denen ich mich vor der Hand noch
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Vermuthungen diejenigen Schluͤſſe nicht allezeit zie-
hen koͤnnen, die ſie geglaubet. Ich kann nicht ſa-
gen, welche von beyderley Erfahrungen, nehmlich
denen bekraͤftigenden oder verneinenden, mir die an-
genehmſten geweſen ſind, da ich von ihnen den Nu-
tzen gehabt, daß ich keiner Obſervation getrauet,
wenn ſie von mir nicht etlichemahl wiederholet wer-
den koͤnnen, und daß ich mich vor unrichtigen
Schluͤſſen in Acht genommen. Demnach habe ich
es gewagt, an vielen dergleichen Umſtaͤnden, wel-
che ſo oft vor ganz unſtreitig ausgegeben worden
ſind, bis zu einem richtigern Erweiſe, noch auf ei-
nige Zeit mit Grunde zu zweifeln.
Mr. Needham, welcher ſeine Verſuche mit
vieler Vorſicht angeſtellet, und ſeine mikroſkopiſchen
Entdeckungen mit großer Beſcheidenheit mitgethei-
let hat, ſcheint den Eifer derer Forſchenden uͤber
vorerzaͤhlte Umſtaͤnde ganz von neuem rege gemacht
zu haben, da er allem Anſehen nach, zu einer meh-
rern Erkenntniß des Blumenſtaubes und der daher
entſtehenden Pflanzenbefruchtung einen ſo guten
Beytrag gethan hat, faſt zu gleicher Zeit, da ich
mit eben dergleichen Arbeiten beſchaͤftiget geweſen
bin. Dahero glaube ich nichts uͤberfluͤßiges zu
thun, wenn ich deſſen Entdeckungen und Muthma-
ßungen in gegenwaͤrtiger Abhandlung mit den mei-
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/20>, abgerufen am 16.07.2024.
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