wie es seyn sollte, und zuweilen werden die Pflich- ten der Menschheit selbst so gar aus den Augen gesetzet. Man vergißt nehmlich entweder den ins Wasser gefallenen elenden Personen die schleunig nöthige Hülfe zu leisten, oder gehet doch dabey nur allzu saumselig und unwissend zu Werke. Wie denn manche Länder, ansehnliche Gegenden und Städte, die eine so glückliche Lage haben, daß sie an den Seeküsten, großen Strömen, Landseen, und durch bequeme Kanäle einen beträchtlichen Handel treiben können, oder andere die sich haupt- sächlich, von den Fischereyen ernähren müssen, dennoch an solchen guten und wirksamen Anstalten zur Rettung der Ertrunkenen den größten Mangel leiden. Zwar kann man, sowohl von den Obrig- keiten, als dem übrigen gründlich und billig denken- den Theile der dasigen Einwohner nicht sagen, daß sie dabey ganz gleichgültig, oder gar unbillig wä- ren; doch gehet bey dergleichen unglücklichen Um- ständen, bey welchen zur Rettung des menschlichen Lebens eben so eilige Hülfe und Anstalten erfor- dert werden, alles, ohngeachtet des hohen Werthes desselben, noch viel zu langsam zu, da doch dieser Werth, alle Sorg- und Lieblosigkeit schlechterdings verbannen sollte.
Die Menschenfreunde machen es sich dahero zur besondern Pflicht, nach ihren Kräften und Ge- legenheit, die große Unwissenheit, Nachläßig-
keit,
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wie es ſeyn ſollte, und zuweilen werden die Pflich- ten der Menſchheit ſelbſt ſo gar aus den Augen geſetzet. Man vergißt nehmlich entweder den ins Waſſer gefallenen elenden Perſonen die ſchleunig noͤthige Huͤlfe zu leiſten, oder gehet doch dabey nur allzu ſaumſelig und unwiſſend zu Werke. Wie denn manche Laͤnder, anſehnliche Gegenden und Staͤdte, die eine ſo gluͤckliche Lage haben, daß ſie an den Seekuͤſten, großen Stroͤmen, Landſeen, und durch bequeme Kanaͤle einen betraͤchtlichen Handel treiben koͤnnen, oder andere die ſich haupt- ſaͤchlich, von den Fiſchereyen ernaͤhren muͤſſen, dennoch an ſolchen guten und wirkſamen Anſtalten zur Rettung der Ertrunkenen den groͤßten Mangel leiden. Zwar kann man, ſowohl von den Obrig- keiten, als dem uͤbrigen gruͤndlich und billig denken- den Theile der daſigen Einwohner nicht ſagen, daß ſie dabey ganz gleichguͤltig, oder gar unbillig waͤ- ren; doch gehet bey dergleichen ungluͤcklichen Um- ſtaͤnden, bey welchen zur Rettung des menſchlichen Lebens eben ſo eilige Huͤlfe und Anſtalten erfor- dert werden, alles, ohngeachtet des hohen Werthes deſſelben, noch viel zu langſam zu, da doch dieſer Werth, alle Sorg- und Liebloſigkeit ſchlechterdings verbannen ſollte.
Die Menſchenfreunde machen es ſich dahero zur beſondern Pflicht, nach ihren Kraͤften und Ge- legenheit, die große Unwiſſenheit, Nachlaͤßig-
keit,
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[291[289]/0299]
wie es ſeyn ſollte, und zuweilen werden die Pflich-
ten der Menſchheit ſelbſt ſo gar aus den Augen
geſetzet. Man vergißt nehmlich entweder den ins
Waſſer gefallenen elenden Perſonen die ſchleunig
noͤthige Huͤlfe zu leiſten, oder gehet doch dabey
nur allzu ſaumſelig und unwiſſend zu Werke.
Wie denn manche Laͤnder, anſehnliche Gegenden
und Staͤdte, die eine ſo gluͤckliche Lage haben, daß
ſie an den Seekuͤſten, großen Stroͤmen, Landſeen,
und durch bequeme Kanaͤle einen betraͤchtlichen
Handel treiben koͤnnen, oder andere die ſich haupt-
ſaͤchlich, von den Fiſchereyen ernaͤhren muͤſſen,
dennoch an ſolchen guten und wirkſamen Anſtalten
zur Rettung der Ertrunkenen den groͤßten Mangel
leiden. Zwar kann man, ſowohl von den Obrig-
keiten, als dem uͤbrigen gruͤndlich und billig denken-
den Theile der daſigen Einwohner nicht ſagen, daß
ſie dabey ganz gleichguͤltig, oder gar unbillig waͤ-
ren; doch gehet bey dergleichen ungluͤcklichen Um-
ſtaͤnden, bey welchen zur Rettung des menſchlichen
Lebens eben ſo eilige Huͤlfe und Anſtalten erfor-
dert werden, alles, ohngeachtet des hohen Werthes
deſſelben, noch viel zu langſam zu, da doch dieſer
Werth, alle Sorg- und Liebloſigkeit ſchlechterdings
verbannen ſollte.
Die Menſchenfreunde machen es ſich dahero
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 291[289]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/299>, abgerufen am 24.11.2024.
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