Grundtexte weiter nichts bestimmendes anzugeben vor nöthig erachtet. Man schrieb derselben eine erhitzende auch schlafmachende, dabey aber zum Beyschlafreizende, und befruchtende Eigenschaft bey Menschen und Thieren zu, und da man nach dem wahren Sinne desselben Grundtextes Spuren ohne Widerspruch darinnen gefunden zu haben vermeinte, so legten Auslegungen und willkührliche Meynun- gen in nachfolgenden Zeiten, in Ermanglung einer wahren auf Kenntnisse beruhende Geschichte, den Grund zu allerhand abentheuerlichen Erdichtungen unter den ehedem sehr berühmten morgen- und abendländischen Völkern, und zu machen ganz un- erlaubten zum Theil vergeblichen Anwendungen der Mandragora; die wenigen Spuren von Wahrheit kamen deshalb ganz verdunkelt bis auf unsere Zei- ten, und Dudaim blieb ohne weitere Untersuchung auf Treu und Glauben unsere Mandragora, weil man beyderley zu wenig oder gar nicht kannte, und sich die davon angegebenen Kennzeichen auf viele zum Theil ganz verschiedene Gewächse und deren Produkte paßten.
Es ergiebt sich dieses unter andern daraus sehr deutlich, weil man die ersten bald vor Fructus Mori, Rubi, Fragorum, Ficus, Ananas, Mali insanae, Zyziphi, Hali cacabi, bald vor die Frucht von der Musa paradi- siaca Linn. oder auch Melonis persici parvi odoratissi- mi, Dudaim dicti ausgab, und zuletzt gar vor Trüffeln, Jasmin- oder Violenblumen gehalten wissen wollte.
Etli-
B 4
Grundtexte weiter nichts beſtimmendes anzugeben vor noͤthig erachtet. Man ſchrieb derſelben eine erhitzende auch ſchlafmachende, dabey aber zum Beyſchlafreizende, und befruchtende Eigenſchaft bey Menſchen und Thieren zu, und da man nach dem wahren Sinne deſſelben Grundtextes Spuren ohne Widerſpruch darinnen gefunden zu haben vermeinte, ſo legten Auslegungen und willkuͤhrliche Meynun- gen in nachfolgenden Zeiten, in Ermanglung einer wahren auf Kenntniſſe beruhende Geſchichte, den Grund zu allerhand abentheuerlichen Erdichtungen unter den ehedem ſehr beruͤhmten morgen- und abendlaͤndiſchen Voͤlkern, und zu machen ganz un- erlaubten zum Theil vergeblichen Anwendungen der Mandragora; die wenigen Spuren von Wahrheit kamen deshalb ganz verdunkelt bis auf unſere Zei- ten, und Dudaim blieb ohne weitere Unterſuchung auf Treu und Glauben unſere Mandragora, weil man beyderley zu wenig oder gar nicht kannte, und ſich die davon angegebenen Kennzeichen auf viele zum Theil ganz verſchiedene Gewaͤchſe und deren Produkte paßten.
Es ergiebt ſich dieſes unter andern daraus ſehr deutlich, weil man die erſten bald vor Fructus Mori, Rubi, Fragorum, Ficus, Ananas, Mali inſanae, Zyziphi, Hali cacabi, bald vor die Frucht von der Muſa paradi- ſiaca Linn. oder auch Melonis perſici parvi odoratiſſi- mi, Dudaim dicti ausgab, und zuletzt gar vor Truͤffeln, Jasmin- oder Violenblumen gehalten wiſſen wollte.
Etli-
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Grundtexte weiter nichts beſtimmendes anzugeben
vor noͤthig erachtet. Man ſchrieb derſelben eine
erhitzende auch ſchlafmachende, dabey aber zum
Beyſchlafreizende, und befruchtende Eigenſchaft bey
Menſchen und Thieren zu, und da man nach dem
wahren Sinne deſſelben Grundtextes Spuren ohne
Widerſpruch darinnen gefunden zu haben vermeinte,
ſo legten Auslegungen und willkuͤhrliche Meynun-
gen in nachfolgenden Zeiten, in Ermanglung einer
wahren auf Kenntniſſe beruhende Geſchichte, den
Grund zu allerhand abentheuerlichen Erdichtungen
unter den ehedem ſehr beruͤhmten morgen- und
abendlaͤndiſchen Voͤlkern, und zu machen ganz un-
erlaubten zum Theil vergeblichen Anwendungen der
Mandragora; die wenigen Spuren von Wahrheit
kamen deshalb ganz verdunkelt bis auf unſere Zei-
ten, und Dudaim blieb ohne weitere Unterſuchung
auf Treu und Glauben unſere Mandragora, weil
man beyderley zu wenig oder gar nicht kannte, und
ſich die davon angegebenen Kennzeichen auf viele
zum Theil ganz verſchiedene Gewaͤchſe und deren
Produkte paßten.
Es ergiebt ſich dieſes unter andern daraus ſehr
deutlich, weil man die erſten bald vor Fructus Mori,
Rubi, Fragorum, Ficus, Ananas, Mali inſanae, Zyziphi,
Hali cacabi, bald vor die Frucht von der Muſa paradi-
ſiaca Linn. oder auch Melonis perſici parvi odoratiſſi-
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/33>, abgerufen am 21.11.2024.
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