letztere Schriftsteller der erdichteten menschlichen Gestalt bey der Mandragorawurzel widersprochen, er doch dadurch noch nicht erwiesen habe, daß eine dergleichen Mandragora von menschlicher Gestalt nach natürlichen Umständen nicht existire.
Was aber würde man dazu sagen, wenn einer aus den dreyschwänzigen Löwen der alten Schwa- ben, dem zweyköpfigen gekrönten und ungekrönten Adler, und anderen gepanzerten Ungeheuer in den Wappen, Fahnen und Siegeln großer Herren und anderer zu behaupten sich unterstünde, daß es der- gleichen natürliche Geschlechtsarten wirklich gegeben hätte. Man wird hieraus ohne Zweifel ersehen, was bey diesen Umständen nicht mit den Hauptsa- chen confundirt werden müsse. Es scheinet indessen aus dergleichen Verirrung, schon in den ältesten Zei- ten, die ganze Fabelgeschichte einer Mandragorae an- dropomorphae, in Ermangelung der wahren Natur- geschichte dieser Pflanze, ihren Anfang genommen zu haben, von daher sie sich nach und nach in ge- dachte Naturgeschichte eingeschlichen, und von den nachfolgenden Schriftstellern ohne weitere Untersu- chung übernommen worden, daß man sie endlich beym Dioscorides und Plinius wiedergefunden, welche letztern diese verdunkelten Nachrichten mit vielen andern Seltenheiten, als ein Erbtheil, den Nachfolgern überlassen. Betrug und Aberglaube haben sich dergleichen Umstände vortreflich zu Nutze gemacht, und darnach ihre Wurzelbilder gleich als
nach
letztere Schriftſteller der erdichteten menſchlichen Geſtalt bey der Mandragorawurzel widerſprochen, er doch dadurch noch nicht erwieſen habe, daß eine dergleichen Mandragora von menſchlicher Geſtalt nach natuͤrlichen Umſtaͤnden nicht exiſtire.
Was aber wuͤrde man dazu ſagen, wenn einer aus den dreyſchwaͤnzigen Loͤwen der alten Schwa- ben, dem zweykoͤpfigen gekroͤnten und ungekroͤnten Adler, und anderen gepanzerten Ungeheuer in den Wappen, Fahnen und Siegeln großer Herren und anderer zu behaupten ſich unterſtuͤnde, daß es der- gleichen natuͤrliche Geſchlechtsarten wirklich gegeben haͤtte. Man wird hieraus ohne Zweifel erſehen, was bey dieſen Umſtaͤnden nicht mit den Hauptſa- chen confundirt werden muͤſſe. Es ſcheinet indeſſen aus dergleichen Verirrung, ſchon in den aͤlteſten Zei- ten, die ganze Fabelgeſchichte einer Mandragorae an- dropomorphae, in Ermangelung der wahren Natur- geſchichte dieſer Pflanze, ihren Anfang genommen zu haben, von daher ſie ſich nach und nach in ge- dachte Naturgeſchichte eingeſchlichen, und von den nachfolgenden Schriftſtellern ohne weitere Unterſu- chung uͤbernommen worden, daß man ſie endlich beym Dioſcorides und Plinius wiedergefunden, welche letztern dieſe verdunkelten Nachrichten mit vielen andern Seltenheiten, als ein Erbtheil, den Nachfolgern uͤberlaſſen. Betrug und Aberglaube haben ſich dergleichen Umſtaͤnde vortreflich zu Nutze gemacht, und darnach ihre Wurzelbilder gleich als
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[28/0038]
letztere Schriftſteller der erdichteten menſchlichen
Geſtalt bey der Mandragorawurzel widerſprochen,
er doch dadurch noch nicht erwieſen habe, daß eine
dergleichen Mandragora von menſchlicher Geſtalt
nach natuͤrlichen Umſtaͤnden nicht exiſtire.
Was aber wuͤrde man dazu ſagen, wenn einer
aus den dreyſchwaͤnzigen Loͤwen der alten Schwa-
ben, dem zweykoͤpfigen gekroͤnten und ungekroͤnten
Adler, und anderen gepanzerten Ungeheuer in den
Wappen, Fahnen und Siegeln großer Herren und
anderer zu behaupten ſich unterſtuͤnde, daß es der-
gleichen natuͤrliche Geſchlechtsarten wirklich gegeben
haͤtte. Man wird hieraus ohne Zweifel erſehen,
was bey dieſen Umſtaͤnden nicht mit den Hauptſa-
chen confundirt werden muͤſſe. Es ſcheinet indeſſen
aus dergleichen Verirrung, ſchon in den aͤlteſten Zei-
ten, die ganze Fabelgeſchichte einer Mandragorae an-
dropomorphae, in Ermangelung der wahren Natur-
geſchichte dieſer Pflanze, ihren Anfang genommen zu
haben, von daher ſie ſich nach und nach in ge-
dachte Naturgeſchichte eingeſchlichen, und von den
nachfolgenden Schriftſtellern ohne weitere Unterſu-
chung uͤbernommen worden, daß man ſie endlich
beym Dioſcorides und Plinius wiedergefunden,
welche letztern dieſe verdunkelten Nachrichten mit
vielen andern Seltenheiten, als ein Erbtheil, den
Nachfolgern uͤberlaſſen. Betrug und Aberglaube
haben ſich dergleichen Umſtaͤnde vortreflich zu Nutze
gemacht, und darnach ihre Wurzelbilder gleich als
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/38>, abgerufen am 30.01.2025.
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