Eben diese Mandragora, oder besser zu sa- gen, die nach einer höchst verderbten Einbildung und Fabelgeschichte erdichtete, und in einer der menschlichen etwas ähnlichen aber monströsen Ge- stalt gekünstelte Alraunenwurzel, wird sonst nir- gend, und in der Natur eben so wenig gefunden wie die Greifen, Drachen, Basilisken und Bo- ramets. Das Kopfstück der Wurzel, welches zu- gleich ein ganz undeutliches und gleichsam verlosche- nes Gesichte vorstellen soll, ist in Fig. A. etwas grö- ßer, als in B., in beyden aber mit einer Krone von 5 Blättern, von welchen die 3 mittelsten in die Höhe stehen, die 2 Seitenblätter hingegen fast wagerecht, und dergestalt gegen einander über liegen, daß sie das Kopfstück in Gestalt eines solchen Huts decken, wie man zuweilen dergleichen Verzierungen an den Kinderpuppen gewahr wird.
Arme und Füße, wie sie hier vorgestellet wer- den, findet man sonst leicht an allen Alraunenbil- dern, und hier sind sie so ungestaltet, daß sie wie sonst, statt gewöhnlicher Füße mit beyder- ley zerstümmelten Gliedern einige Aehnlichkeit ha- ben. Wie man denn an dieser Wurzel zugleich das äußerliche Zeichen des weiblichen Geschlechtes ganz undeutlich mit angebracht hat. Woher es denn vielleicht unter andern mit gekommen seyn mag, daß in den alten Nachrichten immer von einer Mandragora nigra foemina Dioscoridis Meldung ge- schehen. Sonst findet sich unter diesem Bilde eine
grie-
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Eben dieſe Mandragora, oder beſſer zu ſa- gen, die nach einer hoͤchſt verderbten Einbildung und Fabelgeſchichte erdichtete, und in einer der menſchlichen etwas aͤhnlichen aber monſtroͤſen Ge- ſtalt gekuͤnſtelte Alraunenwurzel, wird ſonſt nir- gend, und in der Natur eben ſo wenig gefunden wie die Greifen, Drachen, Baſilisken und Bo- ramets. Das Kopfſtuͤck der Wurzel, welches zu- gleich ein ganz undeutliches und gleichſam verloſche- nes Geſichte vorſtellen ſoll, iſt in Fig. A. etwas groͤ- ßer, als in B., in beyden aber mit einer Krone von 5 Blaͤttern, von welchen die 3 mittelſten in die Hoͤhe ſtehen, die 2 Seitenblaͤtter hingegen faſt wagerecht, und dergeſtalt gegen einander uͤber liegen, daß ſie das Kopfſtuͤck in Geſtalt eines ſolchen Huts decken, wie man zuweilen dergleichen Verzierungen an den Kinderpuppen gewahr wird.
Arme und Fuͤße, wie ſie hier vorgeſtellet wer- den, findet man ſonſt leicht an allen Alraunenbil- dern, und hier ſind ſie ſo ungeſtaltet, daß ſie wie ſonſt, ſtatt gewoͤhnlicher Fuͤße mit beyder- ley zerſtuͤmmelten Gliedern einige Aehnlichkeit ha- ben. Wie man denn an dieſer Wurzel zugleich das aͤußerliche Zeichen des weiblichen Geſchlechtes ganz undeutlich mit angebracht hat. Woher es denn vielleicht unter andern mit gekommen ſeyn mag, daß in den alten Nachrichten immer von einer Mandragora nigra foemina Dioſcoridis Meldung ge- ſchehen. Sonſt findet ſich unter dieſem Bilde eine
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Eben dieſe Mandragora, oder beſſer zu ſa-
gen, die nach einer hoͤchſt verderbten Einbildung
und Fabelgeſchichte erdichtete, und in einer der
menſchlichen etwas aͤhnlichen aber monſtroͤſen Ge-
ſtalt gekuͤnſtelte Alraunenwurzel, wird ſonſt nir-
gend, und in der Natur eben ſo wenig gefunden
wie die Greifen, Drachen, Baſilisken und Bo-
ramets. Das Kopfſtuͤck der Wurzel, welches zu-
gleich ein ganz undeutliches und gleichſam verloſche-
nes Geſichte vorſtellen ſoll, iſt in Fig. A. etwas groͤ-
ßer, als in B., in beyden aber mit einer Krone von 5
Blaͤttern, von welchen die 3 mittelſten in die Hoͤhe
ſtehen, die 2 Seitenblaͤtter hingegen faſt wagerecht,
und dergeſtalt gegen einander uͤber liegen, daß ſie
das Kopfſtuͤck in Geſtalt eines ſolchen Huts decken,
wie man zuweilen dergleichen Verzierungen an den
Kinderpuppen gewahr wird.
Arme und Fuͤße, wie ſie hier vorgeſtellet wer-
den, findet man ſonſt leicht an allen Alraunenbil-
dern, und hier ſind ſie ſo ungeſtaltet, daß ſie
wie ſonſt, ſtatt gewoͤhnlicher Fuͤße mit beyder-
ley zerſtuͤmmelten Gliedern einige Aehnlichkeit ha-
ben. Wie man denn an dieſer Wurzel zugleich
das aͤußerliche Zeichen des weiblichen Geſchlechtes
ganz undeutlich mit angebracht hat. Woher es
denn vielleicht unter andern mit gekommen ſeyn
mag, daß in den alten Nachrichten immer von einer
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/49>, abgerufen am 03.12.2024.
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