Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. dennoch wieder zu thun, nicht, wenn man sie auch gleich nochsolang unterlassen hätte; letztere aber müssen nach Vor- schrift der Gesetze binnen gewisser Zeit geschehen; sonst verliehrt man sein Recht durch den Nichtgebrauch 97). Die Antwort auf obige Frage, und die Art, wie man die Sache vorzustellen pflegt, ist nun sehr verschieden, wenn man die Schriften unserer heutigen Rechtsgelehr- ten hierbey vergleicht. Die Meisten sagen, alle Hand- lungen der natürlichen Freyheit, welche weder in den natürlichen noch bürgerlichen Gesetzen geboten und ver- boten, und also unserm Willkühr überlassen seyn, sind res merae facultatis; z. B. lachen, sitzen, gehen, sein Brod, Bier u. d. nach Belieben bey diesen oder jenen zu hohlen, seine Wohnung zu ändern; auch alle Hand- lungen, die aus dem Rechte des Eigenthums fließen, z. B. verkaufen, verschenken, mit seiner Sache eine Veränderung vornehmen, Bauen auf seinem eigenen Grunde, sein Vieh auf seine eigene Felder zur Weide zu führen, rechnet man ad actus merae facultatis. Dagegen will man alle Handlungen, die sich auf ein Privilegium gründen, oder aus einem Vertrage herrühren, von dieser Classe ganz ausschliessen 98). Ich muß frey bekennen, daß mich diese Theorie nicht befriediget. Ich stelle mir die Sache so vor; actus merae facultatis können aus einer dreyfachen Quelle herfliessen; entweder aus der dem Menschen angebohrnen natürlichen Frey- heit, insoweit sie die Gesetze nicht eingeschränkt haben. Dieser Beysatz ist schlechterdings nothwendig, denn wer weiß 97) L. 25. D. quib. mod. ususfr. vel us. amitt. L. 1. D. de nundinis. L. 7. Cod. de petit. hereditat. L. 3. C. de praescript. XXX. vel XL. annor. 98) S. rave a. a. O. estor in angef. Opusc. c. I. §. 7.
Eichmann in den Erklärungen des bürgerl. Rechts. I. Th. S. 39. u. folgg. 1. Buch. 1. Tit. dennoch wieder zu thun, nicht, wenn man ſie auch gleich nochſolang unterlaſſen haͤtte; letztere aber muͤſſen nach Vor- ſchrift der Geſetze binnen gewiſſer Zeit geſchehen; ſonſt verliehrt man ſein Recht durch den Nichtgebrauch 97). Die Antwort auf obige Frage, und die Art, wie man die Sache vorzuſtellen pflegt, iſt nun ſehr verſchieden, wenn man die Schriften unſerer heutigen Rechtsgelehr- ten hierbey vergleicht. Die Meiſten ſagen, alle Hand- lungen der natuͤrlichen Freyheit, welche weder in den natuͤrlichen noch buͤrgerlichen Geſetzen geboten und ver- boten, und alſo unſerm Willkuͤhr uͤberlaſſen ſeyn, ſind res merae facultatis; z. B. lachen, ſitzen, gehen, ſein Brod, Bier u. d. nach Belieben bey dieſen oder jenen zu hohlen, ſeine Wohnung zu aͤndern; auch alle Hand- lungen, die aus dem Rechte des Eigenthums fließen, z. B. verkaufen, verſchenken, mit ſeiner Sache eine Veraͤnderung vornehmen, Bauen auf ſeinem eigenen Grunde, ſein Vieh auf ſeine eigene Felder zur Weide zu fuͤhren, rechnet man ad actus merae facultatis. Dagegen will man alle Handlungen, die ſich auf ein Privilegium gruͤnden, oder aus einem Vertrage herruͤhren, von dieſer Claſſe ganz ausſchlieſſen 98). Ich muß frey bekennen, daß mich dieſe Theorie nicht befriediget. Ich ſtelle mir die Sache ſo vor; actus merae facultatis koͤnnen aus einer dreyfachen Quelle herflieſſen; entweder aus der dem Menſchen angebohrnen natuͤrlichen Frey- heit, inſoweit ſie die Geſetze nicht eingeſchraͤnkt haben. Dieſer Beyſatz iſt ſchlechterdings nothwendig, denn wer weiß 97) L. 25. D. quib. mod. uſusfr. vel uſ. amitt. L. 1. D. de nundinis. L. 7. Cod. de petit. hereditat. L. 3. C. de praeſcript. XXX. vel XL. annor. 98) S. rave a. a. O. estor in angef. Opuſc. c. I. §. 7.
Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts. I. Th. S. 39. u. folgg. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0134" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/> dennoch wieder zu thun, nicht, wenn man ſie auch gleich noch<lb/> ſolang unterlaſſen haͤtte; letztere aber muͤſſen nach Vor-<lb/> ſchrift der Geſetze binnen gewiſſer Zeit geſchehen; ſonſt<lb/> verliehrt man ſein Recht durch den Nichtgebrauch <note place="foot" n="97)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 25. D. quib. mod. uſusfr. vel uſ. amitt. L. 1. D.<lb/> de nundinis. L. 7. Cod. de petit. hereditat. L. 3. C. de<lb/> praeſcript. XXX. vel XL. annor.</hi></hi></note>.<lb/> Die Antwort auf obige Frage, und die Art, wie man<lb/> die Sache vorzuſtellen pflegt, iſt nun ſehr verſchieden,<lb/> wenn man die Schriften unſerer heutigen Rechtsgelehr-<lb/> ten hierbey vergleicht. Die Meiſten ſagen, alle Hand-<lb/> lungen der natuͤrlichen Freyheit, welche weder in den<lb/> natuͤrlichen noch buͤrgerlichen Geſetzen geboten und ver-<lb/> boten, und alſo unſerm Willkuͤhr uͤberlaſſen ſeyn, ſind<lb/><hi rendition="#aq">res merae facultatis;</hi> z. B. lachen, ſitzen, gehen, ſein<lb/> Brod, Bier u. d. nach Belieben bey dieſen oder jenen<lb/> zu hohlen, ſeine Wohnung zu aͤndern; auch alle Hand-<lb/> lungen, die aus dem Rechte des Eigenthums fließen,<lb/> z. B. verkaufen, verſchenken, mit ſeiner Sache eine<lb/> Veraͤnderung vornehmen, Bauen auf ſeinem eigenen<lb/> Grunde, ſein Vieh auf ſeine eigene Felder zur Weide<lb/> zu fuͤhren, rechnet man <hi rendition="#aq">ad actus merae facultatis.</hi><lb/> Dagegen will man alle Handlungen, die ſich auf ein<lb/> Privilegium gruͤnden, oder aus einem Vertrage herruͤhren,<lb/> von dieſer Claſſe ganz ausſchlieſſen <note place="foot" n="98)">S. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">rave</hi></hi> a. a. O. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">estor</hi></hi> in angef. <hi rendition="#aq">Opuſc. c. I.</hi> §. 7.<lb/><hi rendition="#fr">Eichmann</hi> in <hi rendition="#g">den Erklaͤrungen des buͤrgerl.<lb/> Rechts</hi>. <hi rendition="#aq">I.</hi> Th. S. 39. u. folgg.</note>. Ich muß frey<lb/> bekennen, daß mich dieſe Theorie nicht befriediget. Ich<lb/> ſtelle mir die Sache ſo vor; <hi rendition="#aq">actus merae facultatis</hi><lb/> koͤnnen aus einer dreyfachen Quelle herflieſſen; entweder<lb/> aus der dem Menſchen angebohrnen natuͤrlichen Frey-<lb/> heit, inſoweit ſie die Geſetze nicht eingeſchraͤnkt haben.<lb/> Dieſer Beyſatz iſt ſchlechterdings nothwendig, denn wer<lb/> <fw place="bottom" type="catch">weiß</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0134]
1. Buch. 1. Tit.
dennoch wieder zu thun, nicht, wenn man ſie auch gleich noch
ſolang unterlaſſen haͤtte; letztere aber muͤſſen nach Vor-
ſchrift der Geſetze binnen gewiſſer Zeit geſchehen; ſonſt
verliehrt man ſein Recht durch den Nichtgebrauch 97).
Die Antwort auf obige Frage, und die Art, wie man
die Sache vorzuſtellen pflegt, iſt nun ſehr verſchieden,
wenn man die Schriften unſerer heutigen Rechtsgelehr-
ten hierbey vergleicht. Die Meiſten ſagen, alle Hand-
lungen der natuͤrlichen Freyheit, welche weder in den
natuͤrlichen noch buͤrgerlichen Geſetzen geboten und ver-
boten, und alſo unſerm Willkuͤhr uͤberlaſſen ſeyn, ſind
res merae facultatis; z. B. lachen, ſitzen, gehen, ſein
Brod, Bier u. d. nach Belieben bey dieſen oder jenen
zu hohlen, ſeine Wohnung zu aͤndern; auch alle Hand-
lungen, die aus dem Rechte des Eigenthums fließen,
z. B. verkaufen, verſchenken, mit ſeiner Sache eine
Veraͤnderung vornehmen, Bauen auf ſeinem eigenen
Grunde, ſein Vieh auf ſeine eigene Felder zur Weide
zu fuͤhren, rechnet man ad actus merae facultatis.
Dagegen will man alle Handlungen, die ſich auf ein
Privilegium gruͤnden, oder aus einem Vertrage herruͤhren,
von dieſer Claſſe ganz ausſchlieſſen 98). Ich muß frey
bekennen, daß mich dieſe Theorie nicht befriediget. Ich
ſtelle mir die Sache ſo vor; actus merae facultatis
koͤnnen aus einer dreyfachen Quelle herflieſſen; entweder
aus der dem Menſchen angebohrnen natuͤrlichen Frey-
heit, inſoweit ſie die Geſetze nicht eingeſchraͤnkt haben.
Dieſer Beyſatz iſt ſchlechterdings nothwendig, denn wer
weiß
97) L. 25. D. quib. mod. uſusfr. vel uſ. amitt. L. 1. D.
de nundinis. L. 7. Cod. de petit. hereditat. L. 3. C. de
praeſcript. XXX. vel XL. annor.
98) S. rave a. a. O. estor in angef. Opuſc. c. I. §. 7.
Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl.
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