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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
rung lehrt, daß die Regenten ihren Unterthanen diese
Freyheit nicht mehr schlechthin gestatten, sondern die
Jagd und andere Arten der Occupation zu den Rega-
lien
gezogen haben. Eben so verhält sich die Sache
viertens in Ansehung derienigen Verbindlichkeiten, wel-
che willkührliche, an sich erlaubte Handlungen zum
voraus setzen, weil der Regent ohne Zweifel befugt ist,
solche Handlungen durchaus zu verbieten, oder wenig-
stens die gerichtliche Wirkung derselben einzuschränken.
So z. B. wird niemand läugnen, daß eine Weibsper-
sohn, wenn sie sich für eines Andern Schuld verbürgt
hat, nach dem Naturrecht zu bezahlen schuldig sey. Al-
lein die bürgerlichen Gesetze verbiethen die Bürgschaften
der Weibsleute für andere, und erklären sie für ganz
unkräftig. Hingegen die natürliche Verbindlichkeit eines
Filiifamilias aus einem Gelddarlehn ist nur der gericht-
lichen Wirkung nach durch die Römischen Gesetze einge-
schränkt worden, sie heben sie aber doch nicht ganz
auf. Nach diesen Bestimmungen wird sich nun die vom
Hellfeld in diesem §. angeführte Stelle Ulpians
leicht erklären lassen, wenn er sagt 15): cum aliquid
addimus vel detrabimus iuri communi, ius proprium,
id est, civile efficimus. Ius commune
heißt hier soviel
als das natürliche Recht, wie aus den vorhergehenden
Worten erhellet. Dieses Naturrecht ist, nach Ulpians
richtiger Meinung, der Grund und die Hauptquelle des
bürgerlichen Rechts. Denn lezteres entstehet eben da-
durch, wenn dem natürlichen Recht etwas hinzugefügt
oder entzogen wird. Das erstere, cum aliquid ad-
ditur,
läßt sich auf verschiedene Weise gedenken:

1) wenn durch verheissene Belohnungen, oder angedro-
hete Strafen, mehrere Bewegungsgründe zur Erfül-
lung
15) L. 6. D. de Iust. et lure. Man vergleiche über diese
Stelle van der muelen.

1. Buch. 1. Tit.
rung lehrt, daß die Regenten ihren Unterthanen dieſe
Freyheit nicht mehr ſchlechthin geſtatten, ſondern die
Jagd und andere Arten der Occupation zu den Rega-
lien
gezogen haben. Eben ſo verhaͤlt ſich die Sache
viertens in Anſehung derienigen Verbindlichkeiten, wel-
che willkuͤhrliche, an ſich erlaubte Handlungen zum
voraus ſetzen, weil der Regent ohne Zweifel befugt iſt,
ſolche Handlungen durchaus zu verbieten, oder wenig-
ſtens die gerichtliche Wirkung derſelben einzuſchraͤnken.
So z. B. wird niemand laͤugnen, daß eine Weibsper-
ſohn, wenn ſie ſich fuͤr eines Andern Schuld verbuͤrgt
hat, nach dem Naturrecht zu bezahlen ſchuldig ſey. Al-
lein die buͤrgerlichen Geſetze verbiethen die Buͤrgſchaften
der Weibsleute fuͤr andere, und erklaͤren ſie fuͤr ganz
unkraͤftig. Hingegen die natuͤrliche Verbindlichkeit eines
Filiifamilias aus einem Gelddarlehn iſt nur der gericht-
lichen Wirkung nach durch die Roͤmiſchen Geſetze einge-
ſchraͤnkt worden, ſie heben ſie aber doch nicht ganz
auf. Nach dieſen Beſtimmungen wird ſich nun die vom
Hellfeld in dieſem §. angefuͤhrte Stelle Ulpians
leicht erklaͤren laſſen, wenn er ſagt 15): cum aliquid
addimus vel detrabimus iuri communi, ius proprium,
id eſt, civile efficimus. Ius commune
heißt hier ſoviel
als das natuͤrliche Recht, wie aus den vorhergehenden
Worten erhellet. Dieſes Naturrecht iſt, nach Ulpians
richtiger Meinung, der Grund und die Hauptquelle des
buͤrgerlichen Rechts. Denn lezteres entſtehet eben da-
durch, wenn dem natuͤrlichen Recht etwas hinzugefuͤgt
oder entzogen wird. Das erſtere, cum aliquid ad-
ditur,
laͤßt ſich auf verſchiedene Weiſe gedenken:

1) wenn durch verheiſſene Belohnungen, oder angedro-
hete Strafen, mehrere Bewegungsgruͤnde zur Erfuͤl-
lung
15) L. 6. D. de Iuſt. et lure. Man vergleiche uͤber dieſe
Stelle van der muelen.
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[126/0146] 1. Buch. 1. Tit. rung lehrt, daß die Regenten ihren Unterthanen dieſe Freyheit nicht mehr ſchlechthin geſtatten, ſondern die Jagd und andere Arten der Occupation zu den Rega- lien gezogen haben. Eben ſo verhaͤlt ſich die Sache viertens in Anſehung derienigen Verbindlichkeiten, wel- che willkuͤhrliche, an ſich erlaubte Handlungen zum voraus ſetzen, weil der Regent ohne Zweifel befugt iſt, ſolche Handlungen durchaus zu verbieten, oder wenig- ſtens die gerichtliche Wirkung derſelben einzuſchraͤnken. So z. B. wird niemand laͤugnen, daß eine Weibsper- ſohn, wenn ſie ſich fuͤr eines Andern Schuld verbuͤrgt hat, nach dem Naturrecht zu bezahlen ſchuldig ſey. Al- lein die buͤrgerlichen Geſetze verbiethen die Buͤrgſchaften der Weibsleute fuͤr andere, und erklaͤren ſie fuͤr ganz unkraͤftig. Hingegen die natuͤrliche Verbindlichkeit eines Filiifamilias aus einem Gelddarlehn iſt nur der gericht- lichen Wirkung nach durch die Roͤmiſchen Geſetze einge- ſchraͤnkt worden, ſie heben ſie aber doch nicht ganz auf. Nach dieſen Beſtimmungen wird ſich nun die vom Hellfeld in dieſem §. angefuͤhrte Stelle Ulpians leicht erklaͤren laſſen, wenn er ſagt 15): cum aliquid addimus vel detrabimus iuri communi, ius proprium, id eſt, civile efficimus. Ius commune heißt hier ſoviel als das natuͤrliche Recht, wie aus den vorhergehenden Worten erhellet. Dieſes Naturrecht iſt, nach Ulpians richtiger Meinung, der Grund und die Hauptquelle des buͤrgerlichen Rechts. Denn lezteres entſtehet eben da- durch, wenn dem natuͤrlichen Recht etwas hinzugefuͤgt oder entzogen wird. Das erſtere, cum aliquid ad- ditur, laͤßt ſich auf verſchiedene Weiſe gedenken: 1) wenn durch verheiſſene Belohnungen, oder angedro- hete Strafen, mehrere Bewegungsgruͤnde zur Erfuͤl- lung 15) L. 6. D. de Iuſt. et lure. Man vergleiche uͤber dieſe Stelle van der muelen.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/146>, abgerufen am 21.11.2024.