Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. men erlaubt seyn solte, so ist dieses Geschäft zwar inAnsehung der vor dem neuen Gesez schon gezahlten, oder doch wenigstens schon verfallenen Zinsen pro prae- terito zu halten, und auf diese das neue Gesez nicht zu ziehen; allein in Ansehung der künftig noch zu zahlen- den Zinsen gehört das Geschäft ad negotia futura, denn die Zinszahlung, weil sie mehrere Jahre hindurch geschiehet, ist ein actus extensivus, folglich werde ich für die Zukunft nicht mehr Zinsen fordern dürfen, als das neue Gesez erlaubt 42). Zweitens: Soll ein Rechtsgeschäft, dessen Wirkung noch ab actu post no- vam legem futuro, eoque non extensivo abhängt, für ein vergangenes dergestalt gehalten werden, daß das neue Gesez darauf nicht anzuwenden ist, so muß es nicht mehr möglich seyn, das in Frag stehende Geschäft nach der Vorschrift des neuen Gesetzes abzuändern, ohne dem erworbenen Rechte eines andern zu nahe zu treten. Z. B. Ein Nobilis hat mir in seinem Testament ein Guth vermacht, nach seinem Tode, ehe noch der instituirte Er, be die Erbschaft angetreten, wird ein neues Gesez pu- blicirt, daß dergleichen Güther, als mir eins vermacht ist, nicht in bürgerliche Hände kommen sollen. Es frägt sich nun, ob das neue Gesez auf diesen Fall zu ziehen sey? ich glaube nicht, denn durch den Tod des Testirers, der noch ante legem novam erfolgt war, hatte der lezte Wille desselben seine Vollkommenheit, und ich ein Recht auf das legirte Guth erhalten; das Geschäft ist also allerdings zu den vergangenen Hand- 42) Justinian bestättigt dieses selbst in L. 27. Cod. de usu.
ris: Iubemus, etiam eos, qui ante eandem sanctionem ampliores, quam statutae sunt, usuras stipulati sunt, ad modum eadem sanctione taxatum ex tempore latio. nis eius suas moderari actiones: scilicet illius temporis, quod ante eam defluxit Legem. 1. Buch. 1. Tit. men erlaubt ſeyn ſolte, ſo iſt dieſes Geſchaͤft zwar inAnſehung der vor dem neuen Geſez ſchon gezahlten, oder doch wenigſtens ſchon verfallenen Zinſen pro prae- terito zu halten, und auf dieſe das neue Geſez nicht zu ziehen; allein in Anſehung der kuͤnftig noch zu zahlen- den Zinſen gehoͤrt das Geſchaͤft ad negotia futura, denn die Zinszahlung, weil ſie mehrere Jahre hindurch geſchiehet, iſt ein actus extenſivus, folglich werde ich fuͤr die Zukunft nicht mehr Zinſen fordern duͤrfen, als das neue Geſez erlaubt 42). Zweitens: Soll ein Rechtsgeſchaͤft, deſſen Wirkung noch ab actu poſt no- vam legem futuro, eoque non extenſivo abhaͤngt, fuͤr ein vergangenes dergeſtalt gehalten werden, daß das neue Geſez darauf nicht anzuwenden iſt, ſo muß es nicht mehr moͤglich ſeyn, das in Frag ſtehende Geſchaͤft nach der Vorſchrift des neuen Geſetzes abzuaͤndern, ohne dem erworbenen Rechte eines andern zu nahe zu treten. Z. B. Ein Nobilis hat mir in ſeinem Teſtament ein Guth vermacht, nach ſeinem Tode, ehe noch der inſtituirte Er, be die Erbſchaft angetreten, wird ein neues Geſez pu- blicirt, daß dergleichen Guͤther, als mir eins vermacht iſt, nicht in buͤrgerliche Haͤnde kommen ſollen. Es fraͤgt ſich nun, ob das neue Geſez auf dieſen Fall zu ziehen ſey? ich glaube nicht, denn durch den Tod des Teſtirers, der noch ante legem novam erfolgt war, hatte der lezte Wille deſſelben ſeine Vollkommenheit, und ich ein Recht auf das legirte Guth erhalten; das Geſchaͤft iſt alſo allerdings zu den vergangenen Hand- 42) Juſtinian beſtaͤttigt dieſes ſelbſt in L. 27. Cod. de uſu.
ris: Iubemus, etiam eos, qui ante eandem ſanctionem ampliores, quam ſtatutae ſunt, uſuras ſtipulati ſunt, ad modum eadem ſanctione taxatum ex tempore latio. nis eius ſuas moderari actiones: ſcilicet illius temporis, quod ante eam defluxit Legem. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0162" n="142"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/> men erlaubt ſeyn ſolte, ſo iſt dieſes Geſchaͤft zwar in<lb/> Anſehung der vor dem neuen Geſez ſchon gezahlten,<lb/> oder doch wenigſtens ſchon verfallenen Zinſen <hi rendition="#aq">pro prae-<lb/> terito</hi> zu halten, und auf dieſe das neue Geſez nicht zu<lb/> ziehen; allein in Anſehung der kuͤnftig noch zu zahlen-<lb/> den Zinſen gehoͤrt das Geſchaͤft <hi rendition="#aq">ad negotia futura,</hi><lb/> denn die Zinszahlung, weil ſie mehrere Jahre hindurch<lb/> geſchiehet, iſt ein <hi rendition="#aq">actus extenſivus,</hi> folglich werde ich<lb/> fuͤr die Zukunft nicht mehr Zinſen fordern duͤrfen, als<lb/> das neue Geſez erlaubt <note place="foot" n="42)">Juſtinian beſtaͤttigt dieſes ſelbſt in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. 27. Cod. de uſu.<lb/> ris:</hi> Iubemus, etiam eos, qui <hi rendition="#i">ante eandem ſanctionem</hi><lb/> ampliores, quam ſtatutae ſunt, uſuras ſtipulati ſunt,<lb/> ad modum eadem ſanctione taxatum <hi rendition="#i">ex tempore latio.<lb/> nis eius</hi> ſuas moderari actiones: ſcilicet <hi rendition="#i">illius temporis,<lb/> quod ante eam defluxit Legem</hi>.</hi></note>. <hi rendition="#g">Zweitens</hi>: Soll ein<lb/> Rechtsgeſchaͤft, deſſen Wirkung noch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ab actu</hi> poſt no-<lb/> vam legem futuro, eoque <hi rendition="#i">non extenſivo</hi></hi> abhaͤngt,<lb/> fuͤr ein vergangenes dergeſtalt gehalten werden, daß<lb/> das neue Geſez darauf nicht anzuwenden iſt, ſo muß es nicht<lb/> mehr moͤglich ſeyn, das in Frag ſtehende Geſchaͤft nach<lb/> der Vorſchrift des neuen Geſetzes abzuaͤndern, ohne dem<lb/> erworbenen Rechte eines andern zu nahe zu treten. Z. B.<lb/> Ein <hi rendition="#aq">Nobilis</hi> hat mir in ſeinem Teſtament ein Guth<lb/> vermacht, nach ſeinem Tode, ehe noch der inſtituirte Er,<lb/> be die Erbſchaft angetreten, wird ein neues Geſez pu-<lb/> blicirt, daß dergleichen Guͤther, als mir eins vermacht<lb/> iſt, nicht in buͤrgerliche Haͤnde kommen ſollen. Es<lb/> fraͤgt ſich nun, ob das neue Geſez auf dieſen Fall zu<lb/> ziehen ſey? ich glaube nicht, denn durch den Tod des<lb/> Teſtirers, der noch <hi rendition="#aq">ante legem novam</hi> erfolgt war,<lb/> hatte der lezte Wille deſſelben ſeine Vollkommenheit,<lb/> und ich ein Recht auf das legirte Guth erhalten; das<lb/> Geſchaͤft iſt alſo allerdings zu den <hi rendition="#g">vergangenen</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">Hand-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0162]
1. Buch. 1. Tit.
men erlaubt ſeyn ſolte, ſo iſt dieſes Geſchaͤft zwar in
Anſehung der vor dem neuen Geſez ſchon gezahlten,
oder doch wenigſtens ſchon verfallenen Zinſen pro prae-
terito zu halten, und auf dieſe das neue Geſez nicht zu
ziehen; allein in Anſehung der kuͤnftig noch zu zahlen-
den Zinſen gehoͤrt das Geſchaͤft ad negotia futura,
denn die Zinszahlung, weil ſie mehrere Jahre hindurch
geſchiehet, iſt ein actus extenſivus, folglich werde ich
fuͤr die Zukunft nicht mehr Zinſen fordern duͤrfen, als
das neue Geſez erlaubt 42). Zweitens: Soll ein
Rechtsgeſchaͤft, deſſen Wirkung noch ab actu poſt no-
vam legem futuro, eoque non extenſivo abhaͤngt,
fuͤr ein vergangenes dergeſtalt gehalten werden, daß
das neue Geſez darauf nicht anzuwenden iſt, ſo muß es nicht
mehr moͤglich ſeyn, das in Frag ſtehende Geſchaͤft nach
der Vorſchrift des neuen Geſetzes abzuaͤndern, ohne dem
erworbenen Rechte eines andern zu nahe zu treten. Z. B.
Ein Nobilis hat mir in ſeinem Teſtament ein Guth
vermacht, nach ſeinem Tode, ehe noch der inſtituirte Er,
be die Erbſchaft angetreten, wird ein neues Geſez pu-
blicirt, daß dergleichen Guͤther, als mir eins vermacht
iſt, nicht in buͤrgerliche Haͤnde kommen ſollen. Es
fraͤgt ſich nun, ob das neue Geſez auf dieſen Fall zu
ziehen ſey? ich glaube nicht, denn durch den Tod des
Teſtirers, der noch ante legem novam erfolgt war,
hatte der lezte Wille deſſelben ſeine Vollkommenheit,
und ich ein Recht auf das legirte Guth erhalten; das
Geſchaͤft iſt alſo allerdings zu den vergangenen
Hand-
42) Juſtinian beſtaͤttigt dieſes ſelbſt in L. 27. Cod. de uſu.
ris: Iubemus, etiam eos, qui ante eandem ſanctionem
ampliores, quam ſtatutae ſunt, uſuras ſtipulati ſunt,
ad modum eadem ſanctione taxatum ex tempore latio.
nis eius ſuas moderari actiones: ſcilicet illius temporis,
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Zitationshilfe: | Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/162>, abgerufen am 16.02.2025. |