Da übrigens die gesezgebende Gewalt in den Reichslanden ein eignes Recht der Landesherrn ist, so verstehet es sich von selbst, daß denen Justizeollegien, Regierungen und Stadtmagisträten, nehmlich in Lan- desstädten, sine speciali Principis concessione keine gesezgebende Gewalt zu gestatten sey 78).
§. 25. Eintheilung der Verbindlichkeit in die natürliche, bür- gerliche und vermischte.
Nachdem wir bisher von den verschiedenen Gat- tungen der Gesetze, besonders von den beyden Haupt- arten derselben, den natürlichen und positiven gehandelt haben, so kommen wir nun auf die daher entstehende Eintheilung der Verbindlichkeit. Wenn nehmlich die Frage ist, in welchem Gesez sich eine Verbindlich- keit gründe; so lassen sich drey Fälle denken; nehmlich die Verbindlichkeit gründet sich entweder blos in dem Recht der gesunden Vernunft, oder sie ist blos im po- sitiven bürgerlichen Rechte gegründet; oder sie hat in beyderley Rechten, in denen natürlichen wie in den bürgerlichen, ihren Grund Im erstern Fall ist eine blos natürliche Verbindlichkeit, im zweiten eine blos bürgerliche, und im dritten eine vermischte Verbindlichkeit vorhanden. Eine obligatio mere naturalis ist z. B. die Verbindlichkeit einer Weibsper- sohn aus übernommener Bürgschaft, ferner die Ver- bindlichkeit eines filiifamilias aus einem Geldanlehn. Eine obligatio mere civilis ist z. B. die Verbindlich- keit eines Depositars zum doppelten Ersaz, wenn er ein Depositum miserabile veruntreuet hat. Eine obli-
gatio
78) Strubens Unterricht von Regierungs- und Justizsachen Sect. II. §. VIII. n. b. S. 27.
1. Buch 1. Tit.
Da uͤbrigens die geſezgebende Gewalt in den Reichslanden ein eignes Recht der Landesherrn iſt, ſo verſtehet es ſich von ſelbſt, daß denen Juſtizeollegien, Regierungen und Stadtmagiſtraͤten, nehmlich in Lan- desſtaͤdten, ſine ſpeciali Principis conceſſione keine geſezgebende Gewalt zu geſtatten ſey 78).
§. 25. Eintheilung der Verbindlichkeit in die natuͤrliche, buͤr- gerliche und vermiſchte.
Nachdem wir bisher von den verſchiedenen Gat- tungen der Geſetze, beſonders von den beyden Haupt- arten derſelben, den natuͤrlichen und poſitiven gehandelt haben, ſo kommen wir nun auf die daher entſtehende Eintheilung der Verbindlichkeit. Wenn nehmlich die Frage iſt, in welchem Geſez ſich eine Verbindlich- keit gruͤnde; ſo laſſen ſich drey Faͤlle denken; nehmlich die Verbindlichkeit gruͤndet ſich entweder blos in dem Recht der geſunden Vernunft, oder ſie iſt blos im po- ſitiven buͤrgerlichen Rechte gegruͤndet; oder ſie hat in beyderley Rechten, in denen natuͤrlichen wie in den buͤrgerlichen, ihren Grund Im erſtern Fall iſt eine blos natuͤrliche Verbindlichkeit, im zweiten eine blos buͤrgerliche, und im dritten eine vermiſchte Verbindlichkeit vorhanden. Eine obligatio mere naturalis iſt z. B. die Verbindlichkeit einer Weibsper- ſohn aus uͤbernommener Buͤrgſchaft, ferner die Ver- bindlichkeit eines filiifamilias aus einem Geldanlehn. Eine obligatio mere civilis iſt z. B. die Verbindlich- keit eines Depoſitars zum doppelten Erſaz, wenn er ein Depoſitum miſerabile veruntreuet hat. Eine obli-
gatio
78) Strubens Unterricht von Regierungs- und Juſtizſachen Sect. II. §. VIII. n. b. S. 27.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0184"n="164"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#fr">1. Buch 1. Tit.</hi></fw><lb/><p>Da uͤbrigens die geſezgebende Gewalt in den<lb/>
Reichslanden ein eignes Recht der Landesherrn iſt, ſo<lb/>
verſtehet es ſich von ſelbſt, daß denen Juſtizeollegien,<lb/>
Regierungen und Stadtmagiſtraͤten, nehmlich in Lan-<lb/>
desſtaͤdten, <hirendition="#aq">ſine ſpeciali Principis conceſſione</hi> keine<lb/>
geſezgebende Gewalt zu geſtatten ſey <noteplace="foot"n="78)">Strubens Unterricht von Regierungs- und Juſtizſachen<lb/><hirendition="#aq">Sect. II. §. VIII. n. b.</hi> S. 27.</note>.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 25.<lb/>
Eintheilung der Verbindlichkeit in die <hirendition="#g">natuͤrliche, buͤr-<lb/>
gerliche</hi> und <hirendition="#g">vermiſchte</hi>.</head><lb/><p>Nachdem wir bisher von den verſchiedenen Gat-<lb/>
tungen der Geſetze, beſonders von den beyden Haupt-<lb/>
arten derſelben, den natuͤrlichen und poſitiven gehandelt<lb/>
haben, ſo kommen wir nun auf die daher entſtehende<lb/>
Eintheilung der <hirendition="#g">Verbindlichkeit</hi>. Wenn nehmlich<lb/>
die Frage iſt, in welchem Geſez ſich eine Verbindlich-<lb/>
keit gruͤnde; ſo laſſen ſich drey Faͤlle denken; nehmlich<lb/>
die Verbindlichkeit gruͤndet ſich entweder blos in dem<lb/>
Recht der geſunden Vernunft, oder ſie iſt blos im po-<lb/>ſitiven buͤrgerlichen Rechte gegruͤndet; oder ſie hat in<lb/>
beyderley Rechten, in denen natuͤrlichen wie in den<lb/>
buͤrgerlichen, ihren Grund Im erſtern Fall iſt eine<lb/><hirendition="#g">blos natuͤrliche Verbindlichkeit</hi>, im zweiten eine<lb/><hirendition="#g">blos buͤrgerliche</hi>, und im dritten eine <hirendition="#g">vermiſchte<lb/>
Verbindlichkeit</hi> vorhanden. Eine <hirendition="#i"><hirendition="#aq">obligatio mere<lb/>
naturalis</hi></hi> iſt z. B. die Verbindlichkeit einer Weibsper-<lb/>ſohn aus uͤbernommener Buͤrgſchaft, ferner die Ver-<lb/>
bindlichkeit eines <hirendition="#aq">filiifamilias</hi> aus einem Geldanlehn.<lb/>
Eine <hirendition="#i"><hirendition="#aq">obligatio mere civilis</hi></hi> iſt z. B. die Verbindlich-<lb/>
keit eines Depoſitars zum doppelten Erſaz, wenn er<lb/>
ein <hirendition="#aq">Depoſitum miſerabile</hi> veruntreuet hat. Eine <hirendition="#i"><hirendition="#aq">obli-</hi></hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#i"><hirendition="#aq">gatio</hi></hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[164/0184]
1. Buch 1. Tit.
Da uͤbrigens die geſezgebende Gewalt in den
Reichslanden ein eignes Recht der Landesherrn iſt, ſo
verſtehet es ſich von ſelbſt, daß denen Juſtizeollegien,
Regierungen und Stadtmagiſtraͤten, nehmlich in Lan-
desſtaͤdten, ſine ſpeciali Principis conceſſione keine
geſezgebende Gewalt zu geſtatten ſey 78).
§. 25.
Eintheilung der Verbindlichkeit in die natuͤrliche, buͤr-
gerliche und vermiſchte.
Nachdem wir bisher von den verſchiedenen Gat-
tungen der Geſetze, beſonders von den beyden Haupt-
arten derſelben, den natuͤrlichen und poſitiven gehandelt
haben, ſo kommen wir nun auf die daher entſtehende
Eintheilung der Verbindlichkeit. Wenn nehmlich
die Frage iſt, in welchem Geſez ſich eine Verbindlich-
keit gruͤnde; ſo laſſen ſich drey Faͤlle denken; nehmlich
die Verbindlichkeit gruͤndet ſich entweder blos in dem
Recht der geſunden Vernunft, oder ſie iſt blos im po-
ſitiven buͤrgerlichen Rechte gegruͤndet; oder ſie hat in
beyderley Rechten, in denen natuͤrlichen wie in den
buͤrgerlichen, ihren Grund Im erſtern Fall iſt eine
blos natuͤrliche Verbindlichkeit, im zweiten eine
blos buͤrgerliche, und im dritten eine vermiſchte
Verbindlichkeit vorhanden. Eine obligatio mere
naturalis iſt z. B. die Verbindlichkeit einer Weibsper-
ſohn aus uͤbernommener Buͤrgſchaft, ferner die Ver-
bindlichkeit eines filiifamilias aus einem Geldanlehn.
Eine obligatio mere civilis iſt z. B. die Verbindlich-
keit eines Depoſitars zum doppelten Erſaz, wenn er
ein Depoſitum miſerabile veruntreuet hat. Eine obli-
gatio
78) Strubens Unterricht von Regierungs- und Juſtizſachen
Sect. II. §. VIII. n. b. S. 27.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/184>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.