Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

de Iustitia et Iure.
gatio mixta endlich ist z. B. die Verbindlichkeit des
Käufers zur Bezahlung des bedungenen Kaufschillings,
und des Verkäufers zur Uebergabe. Wir bemerken
von denen sogenannten vermischten Verbindlichkeiten noch
folgende Wahrheiten:

1) daß eine Verbindlichkeit darum nicht aufhöre, eine
natürliche zu seyn, weil sie im Civilrecht gleichfals
vorgeschrieben worden;
2) daß sie durch diese Wiederholung ihre innere Kraft
und Wirkung nicht verliehre; daß folglich
3) derjenige, welcher sich auch sonst mit der Unwissen-
heit des bürgerlichen Rechts entschuldigen kann, in
Ansehung solcher Vorschriften, die schon natürlichen
Rechtens sind, sich darauf nicht berufen könne 79);
daß endlich
4) das ius positivum qua tale sein Ansehen und Gül-
tigkeit verliehren könne, dadurch aber alles dasjeni-
ge, was aus dem Naturrechte darinn aufgenommen
worden, nicht gleichfals unverbindlich werde 80);
Wahrheiten, die eben so einleuchtend als practisch
sind, und daher keines weitern Beweises bedürfen 81).

§. 26.
79) Io. voet in Comment. ad Pandect. Lib. XXII.
Tit.
6. §. 1.
80) Weber Entwikelung der Lehre von der na-
türlichen Verbindlichkeit
1. Abth. §. 4. S. 9.
u. f. -- Reflexionen zur Beförderung einer
gründlichen Theorie vom heutigen Gebrauch
des römischen Rechts
. §. 10. 11. und 12.
81) Beiläufig ist hieraus zu ersehen, wie nothwendig und
unentbehrlich einem Juristen das Studium des natürlichen
Rechts sey, indem eine gründliche Kenntnis desselben
ihn erst in den Stand sezt, die Grenzen und das Ver-
hältnis der natürlichen Rechte und Verbindlichkeiten ge-
gen die blos bürgerlichen richtig zu bestimmen.
L 3.

de Iuſtitia et Iure.
gatio mixta endlich iſt z. B. die Verbindlichkeit des
Kaͤufers zur Bezahlung des bedungenen Kaufſchillings,
und des Verkaͤufers zur Uebergabe. Wir bemerken
von denen ſogenannten vermiſchten Verbindlichkeiten noch
folgende Wahrheiten:

1) daß eine Verbindlichkeit darum nicht aufhoͤre, eine
natuͤrliche zu ſeyn, weil ſie im Civilrecht gleichfals
vorgeſchrieben worden;
2) daß ſie durch dieſe Wiederholung ihre innere Kraft
und Wirkung nicht verliehre; daß folglich
3) derjenige, welcher ſich auch ſonſt mit der Unwiſſen-
heit des buͤrgerlichen Rechts entſchuldigen kann, in
Anſehung ſolcher Vorſchriften, die ſchon natuͤrlichen
Rechtens ſind, ſich darauf nicht berufen koͤnne 79);
daß endlich
4) das ius poſitivum qua tale ſein Anſehen und Guͤl-
tigkeit verliehren koͤnne, dadurch aber alles dasjeni-
ge, was aus dem Naturrechte darinn aufgenommen
worden, nicht gleichfals unverbindlich werde 80);
Wahrheiten, die eben ſo einleuchtend als practiſch
ſind, und daher keines weitern Beweiſes beduͤrfen 81).

§. 26.
79) Io. voet in Comment. ad Pandect. Lib. XXII.
Tit.
6. §. 1.
80) Weber Entwikelung der Lehre von der na-
tuͤrlichen Verbindlichkeit
1. Abth. §. 4. S. 9.
u. f. — Reflexionen zur Befoͤrderung einer
gruͤndlichen Theorie vom heutigen Gebrauch
des roͤmiſchen Rechts
. §. 10. 11. und 12.
81) Beilaͤufig iſt hieraus zu erſehen, wie nothwendig und
unentbehrlich einem Juriſten das Studium des natuͤrlichen
Rechts ſey, indem eine gruͤndliche Kenntnis deſſelben
ihn erſt in den Stand ſezt, die Grenzen und das Ver-
haͤltnis der natuͤrlichen Rechte und Verbindlichkeiten ge-
gen die blos buͤrgerlichen richtig zu beſtimmen.
L 3.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0185" n="165"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Iu&#x017F;titia et Iure.</hi></fw><lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">gatio mixta</hi></hi> endlich i&#x017F;t z. B. die Verbindlichkeit des<lb/>
Ka&#x0364;ufers zur Bezahlung des bedungenen Kauf&#x017F;chillings,<lb/>
und des Verka&#x0364;ufers zur Uebergabe. Wir bemerken<lb/>
von denen &#x017F;ogenannten vermi&#x017F;chten Verbindlichkeiten noch<lb/>
folgende Wahrheiten:</p><lb/>
            <list>
              <item>1) daß eine Verbindlichkeit darum nicht aufho&#x0364;re, eine<lb/>
natu&#x0364;rliche zu &#x017F;eyn, weil &#x017F;ie im Civilrecht gleichfals<lb/>
vorge&#x017F;chrieben worden;</item><lb/>
              <item>2) daß &#x017F;ie durch die&#x017F;e Wiederholung ihre innere Kraft<lb/>
und Wirkung nicht verliehre; daß folglich</item><lb/>
              <item>3) derjenige, welcher &#x017F;ich auch &#x017F;on&#x017F;t mit der Unwi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit des bu&#x0364;rgerlichen Rechts ent&#x017F;chuldigen kann, in<lb/>
An&#x017F;ehung &#x017F;olcher Vor&#x017F;chriften, die &#x017F;chon natu&#x0364;rlichen<lb/>
Rechtens &#x017F;ind, &#x017F;ich darauf nicht berufen ko&#x0364;nne <note place="foot" n="79)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Io</hi>. <hi rendition="#k">voet</hi> in <hi rendition="#g">Comment. ad Pandect</hi>. Lib. XXII.<lb/>
Tit.</hi> 6. §. 1.</note>;<lb/>
daß endlich</item><lb/>
              <item>4) das <hi rendition="#aq">ius po&#x017F;itivum qua tale</hi> &#x017F;ein An&#x017F;ehen und Gu&#x0364;l-<lb/>
tigkeit verliehren ko&#x0364;nne, dadurch aber alles dasjeni-<lb/>
ge, was aus dem Naturrechte darinn aufgenommen<lb/>
worden, nicht gleichfals unverbindlich werde <note place="foot" n="80)">Weber <hi rendition="#g">Entwikelung der Lehre von der na-<lb/>
tu&#x0364;rlichen Verbindlichkeit</hi> 1. Abth. §. 4. S. 9.<lb/>
u. f. &#x2014; <hi rendition="#g">Reflexionen zur Befo&#x0364;rderung einer<lb/>
gru&#x0364;ndlichen Theorie vom heutigen Gebrauch<lb/>
des ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechts</hi>. §. 10. 11. und 12.</note>;<lb/>
Wahrheiten, die eben &#x017F;o einleuchtend als practi&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;ind, und daher keines weitern Bewei&#x017F;es bedu&#x0364;rfen <note place="foot" n="81)">Beila&#x0364;ufig i&#x017F;t hieraus zu er&#x017F;ehen, wie nothwendig und<lb/>
unentbehrlich einem Juri&#x017F;ten das Studium des natu&#x0364;rlichen<lb/>
Rechts &#x017F;ey, indem eine gru&#x0364;ndliche Kenntnis de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
ihn er&#x017F;t in den Stand &#x017F;ezt, die Grenzen und das Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltnis der natu&#x0364;rlichen Rechte und Verbindlichkeiten ge-<lb/>
gen die blos bu&#x0364;rgerlichen richtig zu be&#x017F;timmen.</note>.</item>
            </list>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">L 3.</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 26.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0185] de Iuſtitia et Iure. gatio mixta endlich iſt z. B. die Verbindlichkeit des Kaͤufers zur Bezahlung des bedungenen Kaufſchillings, und des Verkaͤufers zur Uebergabe. Wir bemerken von denen ſogenannten vermiſchten Verbindlichkeiten noch folgende Wahrheiten: 1) daß eine Verbindlichkeit darum nicht aufhoͤre, eine natuͤrliche zu ſeyn, weil ſie im Civilrecht gleichfals vorgeſchrieben worden; 2) daß ſie durch dieſe Wiederholung ihre innere Kraft und Wirkung nicht verliehre; daß folglich 3) derjenige, welcher ſich auch ſonſt mit der Unwiſſen- heit des buͤrgerlichen Rechts entſchuldigen kann, in Anſehung ſolcher Vorſchriften, die ſchon natuͤrlichen Rechtens ſind, ſich darauf nicht berufen koͤnne 79); daß endlich 4) das ius poſitivum qua tale ſein Anſehen und Guͤl- tigkeit verliehren koͤnne, dadurch aber alles dasjeni- ge, was aus dem Naturrechte darinn aufgenommen worden, nicht gleichfals unverbindlich werde 80); Wahrheiten, die eben ſo einleuchtend als practiſch ſind, und daher keines weitern Beweiſes beduͤrfen 81). §. 26. 79) Io. voet in Comment. ad Pandect. Lib. XXII. Tit. 6. §. 1. 80) Weber Entwikelung der Lehre von der na- tuͤrlichen Verbindlichkeit 1. Abth. §. 4. S. 9. u. f. — Reflexionen zur Befoͤrderung einer gruͤndlichen Theorie vom heutigen Gebrauch des roͤmiſchen Rechts. §. 10. 11. und 12. 81) Beilaͤufig iſt hieraus zu erſehen, wie nothwendig und unentbehrlich einem Juriſten das Studium des natuͤrlichen Rechts ſey, indem eine gruͤndliche Kenntnis deſſelben ihn erſt in den Stand ſezt, die Grenzen und das Ver- haͤltnis der natuͤrlichen Rechte und Verbindlichkeiten ge- gen die blos buͤrgerlichen richtig zu beſtimmen. L 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/185
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/185>, abgerufen am 24.11.2024.