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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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vermachten Stücke weggiebt, so sagen unsere Gesetze 12):
apparet posse repeti, quod datum est; quia transactio
Senatusconsulto infirmatur;
und so ist es auch in An-
sehung desjenigen, was über 500. Solidos ohne gericht-
liche Insinuation ist geschenket worden 13). Genug von
den sogenannten obligationibus naturalibus reprobatis.
Wir haben nun noch zulezt von denenjenigen natürli-
chen Verbindlichkeiten zu handeln, deren gerichtliche
Wirkung durch die positiven Gesetze nur zum
Theil eingeschränkt,
nicht aber ganz aufgehoben
worden.

Frägt man nun, in wiefern dieselben der gerichtli-
chen Wirkung nach durch die bürgerlichen Gesetze einge-
schränkt seyen, so ist die gewöhnliche Antwort diese: Es
finde wegen solcher Verbindlichkeiten nur keine Klage,
wohl aber die ganze Summe aller übrigen gerichtlichen
Wirkung statt. Allein denkt man sich den ganzen Um-
pfang der gerichtlichen Wirkungen einer volkommenen
Verbindlichkeit, so wird man leicht einsehen, daß die
Einschränkung derselben auf weit mehr, als eine Art,
geschehen könne. Jede Befugnis, wenn sie in einem
wirklichen Zwangsrechte bestehet, berechtiget uns a) un-
sere Forderung vermittelst einer Klage zu verfolgen,
und zwar dahin, daß wir b) gänzlich ohne Abzug, auch
c) zur gehörigen, durch Vertrag oder Gesez bestimm-
ten Zeit befriediget werden. Der Schuldner muß auch
d) gerade dasjenige leisten, was ihm wirklich obliegt,
nicht, wie man sagt, aliud pro alio; der Creditor aber
ist berechtiget, e) seine Schuld mit seiner Forderung zu
compensiren, f) sich an die Bürgen und Pfänder zu
halten, und was sonst noch für rechtliche Wirkungen
eintreten können. So mancherley nun also die Rechte

des
12) L. 23. §. 2. D. de condict. indeb.
13) L. 27. und 36. §. 3. C. de donationib.

1. Buch. 1. Tit.
vermachten Stuͤcke weggiebt, ſo ſagen unſere Geſetze 12):
apparet poſſe repeti, quod datum eſt; quia transactio
Senatusconſulto infirmatur;
und ſo iſt es auch in An-
ſehung desjenigen, was uͤber 500. Solidos ohne gericht-
liche Inſinuation iſt geſchenket worden 13). Genug von
den ſogenannten obligationibus naturalibus reprobatis.
Wir haben nun noch zulezt von denenjenigen natuͤrli-
chen Verbindlichkeiten zu handeln, deren gerichtliche
Wirkung durch die poſitiven Geſetze nur zum
Theil eingeſchraͤnkt,
nicht aber ganz aufgehoben
worden.

Fraͤgt man nun, in wiefern dieſelben der gerichtli-
chen Wirkung nach durch die buͤrgerlichen Geſetze einge-
ſchraͤnkt ſeyen, ſo iſt die gewoͤhnliche Antwort dieſe: Es
finde wegen ſolcher Verbindlichkeiten nur keine Klage,
wohl aber die ganze Summe aller uͤbrigen gerichtlichen
Wirkung ſtatt. Allein denkt man ſich den ganzen Um-
pfang der gerichtlichen Wirkungen einer volkommenen
Verbindlichkeit, ſo wird man leicht einſehen, daß die
Einſchraͤnkung derſelben auf weit mehr, als eine Art,
geſchehen koͤnne. Jede Befugnis, wenn ſie in einem
wirklichen Zwangsrechte beſtehet, berechtiget uns a) un-
ſere Forderung vermittelſt einer Klage zu verfolgen,
und zwar dahin, daß wir b) gaͤnzlich ohne Abzug, auch
c) zur gehoͤrigen, durch Vertrag oder Geſez beſtimm-
ten Zeit befriediget werden. Der Schuldner muß auch
d) gerade dasjenige leiſten, was ihm wirklich obliegt,
nicht, wie man ſagt, aliud pro alio; der Creditor aber
iſt berechtiget, e) ſeine Schuld mit ſeiner Forderung zu
compenſiren, f) ſich an die Buͤrgen und Pfaͤnder zu
halten, und was ſonſt noch fuͤr rechtliche Wirkungen
eintreten koͤnnen. So mancherley nun alſo die Rechte

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12) L. 23. §. 2. D. de condict. indeb.
13) L. 27. und 36. §. 3. C. de donationib.
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[186/0206] 1. Buch. 1. Tit. vermachten Stuͤcke weggiebt, ſo ſagen unſere Geſetze 12): apparet poſſe repeti, quod datum eſt; quia transactio Senatusconſulto infirmatur; und ſo iſt es auch in An- ſehung desjenigen, was uͤber 500. Solidos ohne gericht- liche Inſinuation iſt geſchenket worden 13). Genug von den ſogenannten obligationibus naturalibus reprobatis. Wir haben nun noch zulezt von denenjenigen natuͤrli- chen Verbindlichkeiten zu handeln, deren gerichtliche Wirkung durch die poſitiven Geſetze nur zum Theil eingeſchraͤnkt, nicht aber ganz aufgehoben worden. Fraͤgt man nun, in wiefern dieſelben der gerichtli- chen Wirkung nach durch die buͤrgerlichen Geſetze einge- ſchraͤnkt ſeyen, ſo iſt die gewoͤhnliche Antwort dieſe: Es finde wegen ſolcher Verbindlichkeiten nur keine Klage, wohl aber die ganze Summe aller uͤbrigen gerichtlichen Wirkung ſtatt. Allein denkt man ſich den ganzen Um- pfang der gerichtlichen Wirkungen einer volkommenen Verbindlichkeit, ſo wird man leicht einſehen, daß die Einſchraͤnkung derſelben auf weit mehr, als eine Art, geſchehen koͤnne. Jede Befugnis, wenn ſie in einem wirklichen Zwangsrechte beſtehet, berechtiget uns a) un- ſere Forderung vermittelſt einer Klage zu verfolgen, und zwar dahin, daß wir b) gaͤnzlich ohne Abzug, auch c) zur gehoͤrigen, durch Vertrag oder Geſez beſtimm- ten Zeit befriediget werden. Der Schuldner muß auch d) gerade dasjenige leiſten, was ihm wirklich obliegt, nicht, wie man ſagt, aliud pro alio; der Creditor aber iſt berechtiget, e) ſeine Schuld mit ſeiner Forderung zu compenſiren, f) ſich an die Buͤrgen und Pfaͤnder zu halten, und was ſonſt noch fuͤr rechtliche Wirkungen eintreten koͤnnen. So mancherley nun alſo die Rechte des 12) L. 23. §. 2. D. de condict. indeb. 13) L. 27. und 36. §. 3. C. de donationib.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/206>, abgerufen am 17.05.2024.