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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
Solchemnach kann nun freylich unter dem allgemeinen
Gegenstande des Gesetzes manches Individuum vorkom-
men, bey welchem die Umstände, die der Gesezgeber
als gewöhnlich voraussezt, nicht zutreffen, die Fol-
gen, welche gemeiniglich damit verknüpft sind, nicht
zu befürchten stehen; allein darum ist doch nichts desto
weniger nach der allgemeinen Vorschrift dabey zu ver-
fahren, weil sonst der ganze Zweck der Gesezgebung
sehr leicht vereitelt werden könnte. Wenn hingegen
die Ursach, warum der Grund einer allge-
meinen Verordnung cessiren soll, nicht aus
blosen individuellen und ausserordentlichen
Eigenschaften eines gewissen Subjects her-
genommen wird, sondern wenn in einem gan-
zen Inbegrif mehrerer ähnlicher Fälle und
Verhältnisse schon durch die Natur der Sa-
che, oder die Vorschrift besonderer Ge-
setze
solche Bestimmungen eintreten, wornach
gerade das Gegentheil von dem zur Regel
wird, was den Beweggrund einer allgemei-
nen Verordnung ausmacht: So kann mit
Recht von dem fehlenden Grunde des Gese-
tzes auf die Unanwendbarkeit desselben ge-
schlossen werden
44). Z. B. Wenn die Gesetze
das Geschäft eines Minderjährigen, wozu desselben
Vormund keine Einwilligung ertheilet hat, aus dem
Grunde für nichtig erklären, weil solche junge Leute
durch Ueberredung und Mangel an gesezter Ueberlegung
leicht um das ihrige kommen könnten; so siehet ein
Jeder, daß dieser Grund in dem Falle cessire, da der
Minderjährige zwar ohne Vormund, jedoch als Mei-
ster einer gewissen Kunst oder Handthierung

einen
44) Weber a. a. O. Seite 212.
Q 5

de Iuſtitia et Iure.
Solchemnach kann nun freylich unter dem allgemeinen
Gegenſtande des Geſetzes manches Individuum vorkom-
men, bey welchem die Umſtaͤnde, die der Geſezgeber
als gewoͤhnlich vorausſezt, nicht zutreffen, die Fol-
gen, welche gemeiniglich damit verknuͤpft ſind, nicht
zu befuͤrchten ſtehen; allein darum iſt doch nichts deſto
weniger nach der allgemeinen Vorſchrift dabey zu ver-
fahren, weil ſonſt der ganze Zweck der Geſezgebung
ſehr leicht vereitelt werden koͤnnte. Wenn hingegen
die Urſach, warum der Grund einer allge-
meinen Verordnung ceſſiren ſoll, nicht aus
bloſen individuellen und auſſerordentlichen
Eigenſchaften eines gewiſſen Subjects her-
genommen wird, ſondern wenn in einem gan-
zen Inbegrif mehrerer aͤhnlicher Faͤlle und
Verhaͤltniſſe ſchon durch die Natur der Sa-
che, oder die Vorſchrift beſonderer Ge-
ſetze
ſolche Beſtimmungen eintreten, wornach
gerade das Gegentheil von dem zur Regel
wird, was den Beweggrund einer allgemei-
nen Verordnung ausmacht: So kann mit
Recht von dem fehlenden Grunde des Geſe-
tzes auf die Unanwendbarkeit deſſelben ge-
ſchloſſen werden
44). Z. B. Wenn die Geſetze
das Geſchaͤft eines Minderjaͤhrigen, wozu deſſelben
Vormund keine Einwilligung ertheilet hat, aus dem
Grunde fuͤr nichtig erklaͤren, weil ſolche junge Leute
durch Ueberredung und Mangel an geſezter Ueberlegung
leicht um das ihrige kommen koͤnnten; ſo ſiehet ein
Jeder, daß dieſer Grund in dem Falle ceſſire, da der
Minderjaͤhrige zwar ohne Vormund, jedoch als Mei-
ſter einer gewiſſen Kunſt oder Handthierung

einen
44) Weber a. a. O. Seite 212.
Q 5
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[249/0269] de Iuſtitia et Iure. Solchemnach kann nun freylich unter dem allgemeinen Gegenſtande des Geſetzes manches Individuum vorkom- men, bey welchem die Umſtaͤnde, die der Geſezgeber als gewoͤhnlich vorausſezt, nicht zutreffen, die Fol- gen, welche gemeiniglich damit verknuͤpft ſind, nicht zu befuͤrchten ſtehen; allein darum iſt doch nichts deſto weniger nach der allgemeinen Vorſchrift dabey zu ver- fahren, weil ſonſt der ganze Zweck der Geſezgebung ſehr leicht vereitelt werden koͤnnte. Wenn hingegen die Urſach, warum der Grund einer allge- meinen Verordnung ceſſiren ſoll, nicht aus bloſen individuellen und auſſerordentlichen Eigenſchaften eines gewiſſen Subjects her- genommen wird, ſondern wenn in einem gan- zen Inbegrif mehrerer aͤhnlicher Faͤlle und Verhaͤltniſſe ſchon durch die Natur der Sa- che, oder die Vorſchrift beſonderer Ge- ſetze ſolche Beſtimmungen eintreten, wornach gerade das Gegentheil von dem zur Regel wird, was den Beweggrund einer allgemei- nen Verordnung ausmacht: So kann mit Recht von dem fehlenden Grunde des Geſe- tzes auf die Unanwendbarkeit deſſelben ge- ſchloſſen werden 44). Z. B. Wenn die Geſetze das Geſchaͤft eines Minderjaͤhrigen, wozu deſſelben Vormund keine Einwilligung ertheilet hat, aus dem Grunde fuͤr nichtig erklaͤren, weil ſolche junge Leute durch Ueberredung und Mangel an geſezter Ueberlegung leicht um das ihrige kommen koͤnnten; ſo ſiehet ein Jeder, daß dieſer Grund in dem Falle ceſſire, da der Minderjaͤhrige zwar ohne Vormund, jedoch als Mei- ſter einer gewiſſen Kunſt oder Handthierung einen 44) Weber a. a. O. Seite 212. Q 5

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/269>, abgerufen am 25.11.2024.