Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 3. Tit. Verfassung Roms vor Augen gehabt, nach welcher dieGesetze der Nation auf den Comitien, ohnehin schrift- lich, wären verfasset worden 19). Allein dieser Einwurf ist ganz ungegründet, denn beyde oben gedachte Rechts- gelehrte lebten unter den Kaisern, und man siehet aus ihrem Vortrag ganz deutlich, daß sie von ihren Zeiten reden. Dem römischen Zepter waren jedoch zu den Zeiten dieser Rechtsgelehrten mancherley Nationen un- terthan, die ihre eigene Rechte hatten, welche unter dem Nahmen Lex municipalis in unsern Pandecten ange- führet werden 20). Solche municipia konnten vermö- ge der ihnen verstatteten Avtonomie nicht nur commu- ni velut sponsione sich selbst geschriebene Gesetze ma- chen, sondern auch gleichsam durch einen stillschweigen- den Vertrag ein Gewohnheitsrecht einführen 21). Von diesen haben wahrscheinlich beyde römische Juristen gere- det 22), welches besonders daraus erhellet, weil Ju- lian sagt, daß, wenn weder geschriebenes, noch Ge- wohnheitsrecht eine Entscheidungsnorm gäbe; auch aus der 19) sturm in der angeführten Dissert. §. XX. Not. a. 20) L. 3. §. 5. D. de sepulchro viol. und tot. Tit. D. ad municipalem, sc. legem, wie Ev. otto in Praefat. ad Tom. II. Thes. Iur. Rom. S. 12. gegen Cujaz erwiesen hat. Lex municipalis wird unterweilen auch lex civitatis L. 1. D. de muner. et honor. ferner lex cuiusque loci, L. 5. §. 1. D. de iure immunitat. auch lex schlechtweg genennt L. 3. D. quod cuiusq. univ. nom. L. 12. D. de appellat. L. 11. D. de Decurion. L. un. D. de via publ. S. Ge. D' arnaud var. Coniectur. iuris civ. Lib. I. cap. 18. 21) Adr. Deodat. steger Diss. ad Legem municipalem Romanorum. Lips. 1738. 22) S. Ios. finestres et de monsalvo in Hermoge-
niani iuris epitomar. libros VI. Commentar. Tom. I. ad L. 35. D. LL. S. 216. 1. Buch. 3. Tit. Verfaſſung Roms vor Augen gehabt, nach welcher dieGeſetze der Nation auf den Comitien, ohnehin ſchrift- lich, waͤren verfaſſet worden 19). Allein dieſer Einwurf iſt ganz ungegruͤndet, denn beyde oben gedachte Rechts- gelehrte lebten unter den Kaiſern, und man ſiehet aus ihrem Vortrag ganz deutlich, daß ſie von ihren Zeiten reden. Dem roͤmiſchen Zepter waren jedoch zu den Zeiten dieſer Rechtsgelehrten mancherley Nationen un- terthan, die ihre eigene Rechte hatten, welche unter dem Nahmen Lex municipalis in unſern Pandecten ange- fuͤhret werden 20). Solche municipia konnten vermoͤ- ge der ihnen verſtatteten Avtonomie nicht nur commu- ni velut ſponſione ſich ſelbſt geſchriebene Geſetze ma- chen, ſondern auch gleichſam durch einen ſtillſchweigen- den Vertrag ein Gewohnheitsrecht einfuͤhren 21). Von dieſen haben wahrſcheinlich beyde roͤmiſche Juriſten gere- det 22), welches beſonders daraus erhellet, weil Ju- lian ſagt, daß, wenn weder geſchriebenes, noch Ge- wohnheitsrecht eine Entſcheidungsnorm gaͤbe; auch aus der 19) sturm in der angefuͤhrten Diſſert. §. XX. Not. a. 20) L. 3. §. 5. D. de ſepulchro viol. und tot. Tit. D. ad municipalem, ſc. legem, wie Ev. otto in Praefat. ad Tom. II. Theſ. Iur. Rom. S. 12. gegen Cujaz erwieſen hat. Lex municipalis wird unterweilen auch lex civitatis L. 1. D. de muner. et honor. ferner lex cuiusque loci, L. 5. §. 1. D. de iure immunitat. auch lex ſchlechtweg genennt L. 3. D. quod cuiusq. univ. nom. L. 12. D. de appellat. L. 11. D. de Decurion. L. un. D. de via publ. S. Ge. D’ arnaud var. Coniectur. iuris civ. Lib. I. cap. 18. 21) Adr. Deodat. steger Diſſ. ad Legem municipalem Romanorum. Lipſ. 1738. 22) S. Ioſ. finestres et de monsalvo in Hermoge-
niani iuris epitomar. libros VI. Commentar. Tom. I. ad L. 35. D. LL. S. 216. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0444" n="424"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 3. Tit.</hi></fw><lb/> Verfaſſung Roms vor Augen gehabt, nach welcher die<lb/> Geſetze der Nation auf den Comitien, ohnehin ſchrift-<lb/> lich, waͤren verfaſſet worden <note place="foot" n="19)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">sturm</hi></hi> in der angefuͤhrten <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Diſſert</hi>. §. XX. Not. a.</hi></note>. Allein dieſer Einwurf<lb/> iſt ganz ungegruͤndet, denn beyde oben gedachte Rechts-<lb/> gelehrte lebten unter den Kaiſern, und man ſiehet aus<lb/> ihrem Vortrag ganz deutlich, daß ſie von ihren Zeiten<lb/> reden. Dem roͤmiſchen Zepter waren jedoch zu den<lb/> Zeiten dieſer Rechtsgelehrten mancherley Nationen un-<lb/> terthan, die ihre eigene Rechte hatten, welche unter dem<lb/> Nahmen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Lex municipalis</hi></hi> in unſern Pandecten ange-<lb/> fuͤhret werden <note place="foot" n="20)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 3. §. 5. D. de ſepulchro viol.</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">tot. Tit. D. ad<lb/> municipalem</hi>, ſc. legem,</hi> wie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Ev</hi>. <hi rendition="#k">otto</hi></hi> in <hi rendition="#aq">Praefat. ad<lb/> Tom. II. Theſ. Iur. Rom.</hi> S. 12. gegen Cujaz erwieſen<lb/> hat. <hi rendition="#aq">Lex municipalis</hi> wird unterweilen auch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">lex civitatis</hi><lb/> L. 1. D. de muner. et honor.</hi> ferner <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">lex cuiusque loci</hi>,<lb/> L. 5. §. 1. D. de iure immunitat.</hi> auch <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">lex</hi></hi> ſchlechtweg<lb/> genennt <hi rendition="#aq">L. 3. D. quod cuiusq. univ. nom. L. 12. D. de<lb/> appellat. L. 11. D. de Decurion. <hi rendition="#i">L. un. D. de via publ</hi></hi>.<lb/> S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Ge. D’</hi><hi rendition="#k">arnaud</hi><hi rendition="#g">var. Coniectur. iuris civ</hi>.<lb/> Lib. I. cap.</hi> 18.</note>. Solche <hi rendition="#aq">municipia</hi> konnten vermoͤ-<lb/> ge der ihnen verſtatteten Avtonomie nicht nur <hi rendition="#aq">commu-<lb/> ni velut ſponſione</hi> ſich ſelbſt geſchriebene Geſetze ma-<lb/> chen, ſondern auch gleichſam durch einen ſtillſchweigen-<lb/> den Vertrag ein Gewohnheitsrecht einfuͤhren <note place="foot" n="21)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Adr. Deodat</hi>. <hi rendition="#k">steger</hi> Diſſ. ad Legem municipalem<lb/> Romanorum. Lipſ.</hi> 1738.</note>. <hi rendition="#g">Von</hi><lb/> dieſen haben wahrſcheinlich beyde roͤmiſche Juriſten gere-<lb/> det <note place="foot" n="22)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Ioſ</hi>. <hi rendition="#k">finestres</hi><hi rendition="#i">et de</hi><hi rendition="#k">monsalvo</hi> in <hi rendition="#g">Hermoge-<lb/> niani</hi> iuris epitomar. libros VI. Commentar. Tom. I.<lb/> ad L. 35. D. LL.</hi> S. 216.</note>, welches beſonders daraus erhellet, weil <hi rendition="#g">Ju-<lb/> lian</hi> ſagt, daß, wenn weder geſchriebenes, noch Ge-<lb/> wohnheitsrecht eine Entſcheidungsnorm gaͤbe; auch aus<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [424/0444]
1. Buch. 3. Tit.
Verfaſſung Roms vor Augen gehabt, nach welcher die
Geſetze der Nation auf den Comitien, ohnehin ſchrift-
lich, waͤren verfaſſet worden 19). Allein dieſer Einwurf
iſt ganz ungegruͤndet, denn beyde oben gedachte Rechts-
gelehrte lebten unter den Kaiſern, und man ſiehet aus
ihrem Vortrag ganz deutlich, daß ſie von ihren Zeiten
reden. Dem roͤmiſchen Zepter waren jedoch zu den
Zeiten dieſer Rechtsgelehrten mancherley Nationen un-
terthan, die ihre eigene Rechte hatten, welche unter dem
Nahmen Lex municipalis in unſern Pandecten ange-
fuͤhret werden 20). Solche municipia konnten vermoͤ-
ge der ihnen verſtatteten Avtonomie nicht nur commu-
ni velut ſponſione ſich ſelbſt geſchriebene Geſetze ma-
chen, ſondern auch gleichſam durch einen ſtillſchweigen-
den Vertrag ein Gewohnheitsrecht einfuͤhren 21). Von
dieſen haben wahrſcheinlich beyde roͤmiſche Juriſten gere-
det 22), welches beſonders daraus erhellet, weil Ju-
lian ſagt, daß, wenn weder geſchriebenes, noch Ge-
wohnheitsrecht eine Entſcheidungsnorm gaͤbe; auch aus
der
19) sturm in der angefuͤhrten Diſſert. §. XX. Not. a.
20) L. 3. §. 5. D. de ſepulchro viol. und tot. Tit. D. ad
municipalem, ſc. legem, wie Ev. otto in Praefat. ad
Tom. II. Theſ. Iur. Rom. S. 12. gegen Cujaz erwieſen
hat. Lex municipalis wird unterweilen auch lex civitatis
L. 1. D. de muner. et honor. ferner lex cuiusque loci,
L. 5. §. 1. D. de iure immunitat. auch lex ſchlechtweg
genennt L. 3. D. quod cuiusq. univ. nom. L. 12. D. de
appellat. L. 11. D. de Decurion. L. un. D. de via publ.
S. Ge. D’ arnaud var. Coniectur. iuris civ.
Lib. I. cap. 18.
21) Adr. Deodat. steger Diſſ. ad Legem municipalem
Romanorum. Lipſ. 1738.
22) S. Ioſ. finestres et de monsalvo in Hermoge-
niani iuris epitomar. libros VI. Commentar. Tom. I.
ad L. 35. D. LL. S. 216.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |