Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet.
einer vorhandenen Leibesschwäche halben vielleicht nicht
mehr erwarten dürfte, ein ersteres Testament aufgehoben
werde? seine bejahende Meinung mit dem Grunde un-
terstützt: quod natura magis in homine generandi et
consuetudo spectanda est, quam temporale vitium, aut
valetudo, propter quam abducatur homo a generandi
facultate:
das ist, weil man mehr auf die Regel, nach
welcher ordentlicher Weise Menschen die Erzeugungs Kraft
haben, als auf die Ausnahme Rücksicht nehmen muß 38).
3) Heißt Consuetudo auch oft eine Befugniß, oder ein
Recht, so jemand seit langer Zeit ausgeübt hat. So kön-
nen nach positiven Gesetzen Rechte und Befugnisse durch
die langwierige Ausübung (longa consuetudine) so gut
als durch ein Gesetz eingeführet werden 39). Bey Dienst-
barkeiten weißt das römische Recht nahmentlich der Ge-
wohnheit
ihren Wirkungskreis an, wie aus den un-
ten 40) angeführten Gesetzstellen zu ersehen ist, in wel-
chen unter longa consuetudo nichts anders als ein langer
Gebrauch, oder eine seit langer Zeit fortgesetzte Ausübung,
welche die Stelle eines Rechtstitels vertreten kann, ver-
standen wird; und in eben diesem Sinn wird jener Aus-
druck auch im kanonischen Rechte 41) gebraucht, da wo
von einer consuetudine praescripta die Rede ist. Dies sind
diejenigen Bedeutungen, die zwar nicht unmittelbar zur

Sache
38) S. Westphals Theorie des röm. Rechts von Testa-
menten (Leipzig 1790.) §. 477. S. 355.
39) L. ult. cod. de emancipat. liberor. L. un. C. de auro coron.
40) L. 1. §. ult. D. de aqua et aquae pluv. arc. L. 13. §. 1. D.
commun. praedior. L.
1. Cod. de Servitut.
41) cap. 5. 6. 8. u. 11. X. de consuetut. c. 50. X. de elect. cap. 3.
de consuet. in 6to.
Glücks Erläut. d. Pand. 1. Th. E e

de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.
einer vorhandenen Leibesſchwaͤche halben vielleicht nicht
mehr erwarten duͤrfte, ein erſteres Teſtament aufgehoben
werde? ſeine bejahende Meinung mit dem Grunde un-
terſtuͤtzt: quod natura magis in homine generandi et
conſuetudo ſpectanda eſt, quam temporale vitium, aut
valetudo, propter quam abducatur homo a generandi
facultate:
das iſt, weil man mehr auf die Regel, nach
welcher ordentlicher Weiſe Menſchen die Erzeugungs Kraft
haben, als auf die Ausnahme Ruͤckſicht nehmen muß 38).
3) Heißt Conſuetudo auch oft eine Befugniß, oder ein
Recht, ſo jemand ſeit langer Zeit ausgeuͤbt hat. So koͤn-
nen nach poſitiven Geſetzen Rechte und Befugniſſe durch
die langwierige Ausuͤbung (longa conſuetudine) ſo gut
als durch ein Geſetz eingefuͤhret werden 39). Bey Dienſt-
barkeiten weißt das roͤmiſche Recht nahmentlich der Ge-
wohnheit
ihren Wirkungskreis an, wie aus den un-
ten 40) angefuͤhrten Geſetzſtellen zu erſehen iſt, in wel-
chen unter longa conſuetudo nichts anders als ein langer
Gebrauch, oder eine ſeit langer Zeit fortgeſetzte Ausuͤbung,
welche die Stelle eines Rechtstitels vertreten kann, ver-
ſtanden wird; und in eben dieſem Sinn wird jener Aus-
druck auch im kanoniſchen Rechte 41) gebraucht, da wo
von einer conſuetudine praeſcripta die Rede iſt. Dies ſind
diejenigen Bedeutungen, die zwar nicht unmittelbar zur

Sache
38) S. Weſtphals Theorie des roͤm. Rechts von Teſta-
menten (Leipzig 1790.) §. 477. S. 355.
39) L. ult. cod. de emancipat. liberor. L. un. C. de auro coron.
40) L. 1. §. ult. D. de aqua et aquae pluv. arc. L. 13. §. 1. D.
commun. praedior. L.
1. Cod. de Servitut.
41) cap. 5. 6. 8. u. 11. X. de conſuetut. c. 50. X. de elect. cap. 3.
de conſuet. in 6to.
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. E e
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0451" n="431"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Legibus, Senatuscon&#x017F;ultis et longa con&#x017F;uet.</hi></fw><lb/>
einer vorhandenen Leibes&#x017F;chwa&#x0364;che halben vielleicht nicht<lb/>
mehr erwarten du&#x0364;rfte, ein er&#x017F;teres Te&#x017F;tament aufgehoben<lb/>
werde? &#x017F;eine bejahende Meinung mit dem Grunde un-<lb/>
ter&#x017F;tu&#x0364;tzt: <hi rendition="#aq">quod natura magis in homine generandi et<lb/><hi rendition="#i">con&#x017F;uetudo</hi> &#x017F;pectanda e&#x017F;t, quam temporale vitium, aut<lb/>
valetudo, propter quam abducatur homo a generandi<lb/>
facultate:</hi> das i&#x017F;t, weil man mehr auf die Regel, nach<lb/>
welcher ordentlicher Wei&#x017F;e Men&#x017F;chen die Erzeugungs Kraft<lb/>
haben, als auf die Ausnahme Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nehmen muß <note place="foot" n="38)">S. <hi rendition="#g">We&#x017F;tphals</hi> Theorie des ro&#x0364;m. Rechts von <hi rendition="#g">Te&#x017F;ta-</hi><lb/>
menten (Leipzig 1790.) §. 477. S. 355.</note>.<lb/>
3) Heißt <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Con&#x017F;uetudo</hi></hi> auch oft eine Befugniß, oder ein<lb/>
Recht, &#x017F;o jemand &#x017F;eit langer Zeit ausgeu&#x0364;bt hat. So ko&#x0364;n-<lb/>
nen nach po&#x017F;itiven Ge&#x017F;etzen Rechte und Befugni&#x017F;&#x017F;e durch<lb/>
die langwierige Ausu&#x0364;bung (<hi rendition="#aq">longa con&#x017F;uetudine</hi>) &#x017F;o gut<lb/>
als durch ein Ge&#x017F;etz eingefu&#x0364;hret werden <note place="foot" n="39)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. ult. cod. de emancipat. liberor. L. un. C. de auro coron.</hi></hi></note>. Bey Dien&#x017F;t-<lb/>
barkeiten weißt das ro&#x0364;mi&#x017F;che Recht nahmentlich der <hi rendition="#g">Ge-<lb/>
wohnheit</hi> ihren Wirkungskreis an, wie aus den un-<lb/>
ten <note place="foot" n="40)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1. <hi rendition="#i">§. ult. D. de aqua et aquae pluv. arc. L. 13. §.</hi> 1. <hi rendition="#i">D.<lb/>
commun. praedior. L.</hi> 1. <hi rendition="#i">Cod. de Servitut.</hi></hi></note> angefu&#x0364;hrten Ge&#x017F;etz&#x017F;tellen zu er&#x017F;ehen i&#x017F;t, in wel-<lb/>
chen unter <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">longa con&#x017F;uetudo</hi></hi> nichts anders als ein langer<lb/>
Gebrauch, oder eine &#x017F;eit langer Zeit fortge&#x017F;etzte Ausu&#x0364;bung,<lb/>
welche die Stelle eines Rechtstitels vertreten kann, ver-<lb/>
&#x017F;tanden wird; und in eben die&#x017F;em Sinn wird jener Aus-<lb/>
druck auch im kanoni&#x017F;chen Rechte <note place="foot" n="41)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">cap.</hi></hi> 5. 6. 8. u. 11. <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">X. de con&#x017F;uetut. c. 50. X. de elect. cap. 3.<lb/>
de con&#x017F;uet. in 6to.</hi></hi></note> gebraucht, da wo<lb/>
von einer <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">con&#x017F;uetudine prae&#x017F;cripta</hi></hi> die Rede i&#x017F;t. Dies &#x017F;ind<lb/>
diejenigen Bedeutungen, die zwar nicht unmittelbar zur<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sache</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Glu&#x0364;cks Erla&#x0364;ut. d. Pand. 1. Th. E e</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[431/0451] de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet. einer vorhandenen Leibesſchwaͤche halben vielleicht nicht mehr erwarten duͤrfte, ein erſteres Teſtament aufgehoben werde? ſeine bejahende Meinung mit dem Grunde un- terſtuͤtzt: quod natura magis in homine generandi et conſuetudo ſpectanda eſt, quam temporale vitium, aut valetudo, propter quam abducatur homo a generandi facultate: das iſt, weil man mehr auf die Regel, nach welcher ordentlicher Weiſe Menſchen die Erzeugungs Kraft haben, als auf die Ausnahme Ruͤckſicht nehmen muß 38). 3) Heißt Conſuetudo auch oft eine Befugniß, oder ein Recht, ſo jemand ſeit langer Zeit ausgeuͤbt hat. So koͤn- nen nach poſitiven Geſetzen Rechte und Befugniſſe durch die langwierige Ausuͤbung (longa conſuetudine) ſo gut als durch ein Geſetz eingefuͤhret werden 39). Bey Dienſt- barkeiten weißt das roͤmiſche Recht nahmentlich der Ge- wohnheit ihren Wirkungskreis an, wie aus den un- ten 40) angefuͤhrten Geſetzſtellen zu erſehen iſt, in wel- chen unter longa conſuetudo nichts anders als ein langer Gebrauch, oder eine ſeit langer Zeit fortgeſetzte Ausuͤbung, welche die Stelle eines Rechtstitels vertreten kann, ver- ſtanden wird; und in eben dieſem Sinn wird jener Aus- druck auch im kanoniſchen Rechte 41) gebraucht, da wo von einer conſuetudine praeſcripta die Rede iſt. Dies ſind diejenigen Bedeutungen, die zwar nicht unmittelbar zur Sache 38) S. Weſtphals Theorie des roͤm. Rechts von Teſta- menten (Leipzig 1790.) §. 477. S. 355. 39) L. ult. cod. de emancipat. liberor. L. un. C. de auro coron. 40) L. 1. §. ult. D. de aqua et aquae pluv. arc. L. 13. §. 1. D. commun. praedior. L. 1. Cod. de Servitut. 41) cap. 5. 6. 8. u. 11. X. de conſuetut. c. 50. X. de elect. cap. 3. de conſuet. in 6to. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. E e

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/451
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/451>, abgerufen am 22.11.2024.