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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet.

VI) müssen die Handlungen, aus welchen eine lega-
le Gewohnheit entstehen soll, öffentlich, das heißt,
auf eine solche Art geschehen seyn, daß sowohl die Unter-
thanen selbst, unter denen sie zur verbindlichen Norm
werden soll, als auch der Landesherr dieselben haben wis-
sen können. Ob nun aber noch überdem erfordert werde,
daß die Gewohnheit in den Gerichten bestättiget, und
nach derselben rechtskräftig gesprochen worden sey, ist un-
ter den Rechtsgelehrten sehr streitig. Diejenigen, welche
solches behaupten 9), gründen sich auf den bekannten Aus-

spruch
aber nicht, daß überall eine Beobachtung von undenklicher
Zeit her erfordert werde, wenn eine Gewohnheit für einge-
führt gehalten werden soll. Der Ausdruck vetustas hedeutet
freylich unterweilen in unsern Gesetzen eine undenkliche Zeit
L. 2. D. de aqua et aquae pluv. aber auch oft nur eine Zeit
von mehreren Jahren L. 10. D. si serv. vindic. wie
schon brissonius de V. S. voc. vetustas und westphal
de libertate et servitut. praediorum
§. 820. S. 560 angemerkt
haben; und daß letztere Bedeutung in der Lehre vom Ge-
wohnheitsrecht
anzuwenden, erhellet aus L. 35. D. de
LL.
nur gar zu deutlich, wo longa consuetudo eine solche
genennt wird, quae per annos plurimos observata est. Ueber-
haupt finden hier die von Meurer aus dem Tit. de aqua
et aquae pluv. arc.
angeführten Stellen gar keine Anwendung.
Es ist auch ungegründet, daß nur durch das Alterthum
allein die zur Begründung eines Gewohnheitsrechts erforder-
liche opinio necessitatis generirt werde, denn daß diese auch
noch mehrere andere Entstehungsgründe haben könne, ist schon
oben bemerkt worden.
9) D. Meurer a. a. O. S. 125. u. 140. Eben dieser Mei-
nung war auch sonst H. Hofr. hofacker in der oben angef.
Diss. de iure consuetudinis Cap. II. §. 39 -- 41. allein er hat
seine Meinung geändert in Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I.
§. 124. Andere erfordern jedoch nur in dem Fall gerichtliche
Hand-
de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.

VI) muͤſſen die Handlungen, aus welchen eine lega-
le Gewohnheit entſtehen ſoll, oͤffentlich, das heißt,
auf eine ſolche Art geſchehen ſeyn, daß ſowohl die Unter-
thanen ſelbſt, unter denen ſie zur verbindlichen Norm
werden ſoll, als auch der Landesherr dieſelben haben wiſ-
ſen koͤnnen. Ob nun aber noch uͤberdem erfordert werde,
daß die Gewohnheit in den Gerichten beſtaͤttiget, und
nach derſelben rechtskraͤftig geſprochen worden ſey, iſt un-
ter den Rechtsgelehrten ſehr ſtreitig. Diejenigen, welche
ſolches behaupten 9), gruͤnden ſich auf den bekannten Aus-

ſpruch
aber nicht, daß uͤberall eine Beobachtung von undenklicher
Zeit her erfordert werde, wenn eine Gewohnheit fuͤr einge-
fuͤhrt gehalten werden ſoll. Der Ausdruck vetuſtas hedeutet
freylich unterweilen in unſern Geſetzen eine undenkliche Zeit
L. 2. D. de aqua et aquae pluv. aber auch oft nur eine Zeit
von mehreren Jahren L. 10. D. ſi ſerv. vindic. wie
ſchon brissonius de V. S. voc. vetuſtas und westphal
de libertate et ſervitut. praediorum
§. 820. S. 560 angemerkt
haben; und daß letztere Bedeutung in der Lehre vom Ge-
wohnheitsrecht
anzuwenden, erhellet aus L. 35. D. de
LL.
nur gar zu deutlich, wo longa consuetudo eine ſolche
genennt wird, quae per annos plurimos obſervata eſt. Ueber-
haupt finden hier die von Meurer aus dem Tit. de aqua
et aquae pluv. arc.
angefuͤhrten Stellen gar keine Anwendung.
Es iſt auch ungegruͤndet, daß nur durch das Alterthum
allein die zur Begruͤndung eines Gewohnheitsrechts erforder-
liche opinio neceſſitatis generirt werde, denn daß dieſe auch
noch mehrere andere Entſtehungsgruͤnde haben koͤnne, iſt ſchon
oben bemerkt worden.
9) D. Meurer a. a. O. S. 125. u. 140. Eben dieſer Mei-
nung war auch ſonſt H. Hofr. hofacker in der oben angef.
Diſſ. de iure conſuetudinis Cap. II. §. 39 — 41. allein er hat
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§. 124. Andere erfordern jedoch nur in dem Fall gerichtliche
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[459/0479] de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet. VI) muͤſſen die Handlungen, aus welchen eine lega- le Gewohnheit entſtehen ſoll, oͤffentlich, das heißt, auf eine ſolche Art geſchehen ſeyn, daß ſowohl die Unter- thanen ſelbſt, unter denen ſie zur verbindlichen Norm werden ſoll, als auch der Landesherr dieſelben haben wiſ- ſen koͤnnen. Ob nun aber noch uͤberdem erfordert werde, daß die Gewohnheit in den Gerichten beſtaͤttiget, und nach derſelben rechtskraͤftig geſprochen worden ſey, iſt un- ter den Rechtsgelehrten ſehr ſtreitig. Diejenigen, welche ſolches behaupten 9), gruͤnden ſich auf den bekannten Aus- ſpruch 8) 9) D. Meurer a. a. O. S. 125. u. 140. Eben dieſer Mei- nung war auch ſonſt H. Hofr. hofacker in der oben angef. Diſſ. de iure conſuetudinis Cap. II. §. 39 — 41. allein er hat ſeine Meinung geaͤndert in Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 124. Andere erfordern jedoch nur in dem Fall gerichtliche Hand- 8) aber nicht, daß uͤberall eine Beobachtung von undenklicher Zeit her erfordert werde, wenn eine Gewohnheit fuͤr einge- fuͤhrt gehalten werden ſoll. Der Ausdruck vetuſtas hedeutet freylich unterweilen in unſern Geſetzen eine undenkliche Zeit L. 2. D. de aqua et aquae pluv. aber auch oft nur eine Zeit von mehreren Jahren L. 10. D. ſi ſerv. vindic. wie ſchon brissonius de V. S. voc. vetuſtas und westphal de libertate et ſervitut. praediorum §. 820. S. 560 angemerkt haben; und daß letztere Bedeutung in der Lehre vom Ge- wohnheitsrecht anzuwenden, erhellet aus L. 35. D. de LL. nur gar zu deutlich, wo longa consuetudo eine ſolche genennt wird, quae per annos plurimos obſervata eſt. Ueber- haupt finden hier die von Meurer aus dem Tit. de aqua et aquae pluv. arc. angefuͤhrten Stellen gar keine Anwendung. Es iſt auch ungegruͤndet, daß nur durch das Alterthum allein die zur Begruͤndung eines Gewohnheitsrechts erforder- liche opinio neceſſitatis generirt werde, denn daß dieſe auch noch mehrere andere Entſtehungsgruͤnde haben koͤnne, iſt ſchon oben bemerkt worden.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/479>, abgerufen am 22.11.2024.