Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 3. Tit. ein Streit entstehet, ob eine Gewohnheit für eingeführtgehalten werden könne? darauf sehen muß, ob schon eine solche Zeit verflossen ist, daß daraus mit Gewißheit auf die Einwilligung des Gesetzgebers geschlossen werden kann; wenn nicht etwa durch besondere Landesgesetze oder den Landesgebrauch, wie z. B. in Sachsen 6), eine gewis- sere Norm hierin festgesetzt worden seyn sollte. Daß je- doch eine Zeit von undenklichen Jahren her zur Einfüh- rung eines Gewohnheitsrechts erfordert werde, wie einige Rechtsgelehrten 7) behaupten wollen, ist unerweißlich 8). Endlich VI) in Gundlingian. P. VII. N. 3. §. 23. müller ad Struvium Ex. 2. th. 20. lit. x. reinharth ad Christinaeum Vol. IV. Obs. 65. S. 96. Eisenhart Erzählung besond. Rechts- händel 2. Th. N. 7. S. 193. Overbeck Meditationen über verschied. Rechtsmaterien. 3. Band S. 311. u. a. m. 6) In Sachsen erfordert der Gerichtsbrauch eine Zeit von 31 Jahren 6 Wochen und 3 Tagen. S. Eichmann Erklä- rung des bürgerl. Rechs. 1. Th. S. 390. 7) Unter den neuern hat dieses vorzüglich zu behaupten gesucht Dr. Meurer in den juristischen Abhandlungen und Beobach- tungen. 1. Samml. S. 113. 8) S. walch Introd. in Controv. iur. civ. Prolegom. Cap. II.
§. 5. Herr geh. Just. R. Walch hat sich zwar auf keine Prüfung der gegenseitigen Argumente eingelassen, sondern sein Hauptargument bloß darin gesetzt, daß die Civilgesetze zur Bestättigung eines Gewohnheitsrechts nirgens eine un- denkliche Zeit erfordert hätten. Es sind aber auch in der That die Gründe des angeführten D. Meurers von keinem sonderlichen Gewicht. Die in den Gesetzen dieses Titels der Pandecten gebrauchte Ausdrücke consuetudo inveterata, diu- turna, antiquitus probata, beweisen seine Meinung noch nicht. Es können Gewohnheiten allerdings von der Art seyn, daß sich ihr Ursprung im hohen Alterthum verliehrt, daraus folgt aber 1. Buch. 3. Tit. ein Streit entſtehet, ob eine Gewohnheit fuͤr eingefuͤhrtgehalten werden koͤnne? darauf ſehen muß, ob ſchon eine ſolche Zeit verfloſſen iſt, daß daraus mit Gewißheit auf die Einwilligung des Geſetzgebers geſchloſſen werden kann; wenn nicht etwa durch beſondere Landesgeſetze oder den Landesgebrauch, wie z. B. in Sachſen 6), eine gewiſ- ſere Norm hierin feſtgeſetzt worden ſeyn ſollte. Daß je- doch eine Zeit von undenklichen Jahren her zur Einfuͤh- rung eines Gewohnheitsrechts erfordert werde, wie einige Rechtsgelehrten 7) behaupten wollen, iſt unerweißlich 8). Endlich VI) in Gundlingian. P. VII. N. 3. §. 23. müller ad Struvium Ex. 2. th. 20. lit. ξ. reinharth ad Chriſtinaeum Vol. IV. Obſ. 65. S. 96. Eiſenhart Erzaͤhlung beſond. Rechts- haͤndel 2. Th. N. 7. S. 193. Overbeck Meditationen uͤber verſchied. Rechtsmaterien. 3. Band S. 311. u. a. m. 6) In Sachſen erfordert der Gerichtsbrauch eine Zeit von 31 Jahren 6 Wochen und 3 Tagen. S. Eichmann Erklaͤ- rung des buͤrgerl. Rechs. 1. Th. S. 390. 7) Unter den neuern hat dieſes vorzuͤglich zu behaupten geſucht Dr. Meurer in den juriſtiſchen Abhandlungen und Beobach- tungen. 1. Samml. S. 113. 8) S. walch Introd. in Controv. iur. civ. Prolegom. Cap. II.
§. 5. Herr geh. Juſt. R. Walch hat ſich zwar auf keine Pruͤfung der gegenſeitigen Argumente eingelaſſen, ſondern ſein Hauptargument bloß darin geſetzt, daß die Civilgeſetze zur Beſtaͤttigung eines Gewohnheitsrechts nirgens eine un- denkliche Zeit erfordert haͤtten. Es ſind aber auch in der That die Gruͤnde des angefuͤhrten D. Meurers von keinem ſonderlichen Gewicht. Die in den Geſetzen dieſes Titels der Pandecten gebrauchte Ausdruͤcke conſuetudo inveterata, diu- turna, antiquitus probata, beweiſen ſeine Meinung noch nicht. Es koͤnnen Gewohnheiten allerdings von der Art ſeyn, daß ſich ihr Urſprung im hohen Alterthum verliehrt, daraus folgt aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0478" n="458"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 3. Tit.</hi></fw><lb/> ein Streit entſtehet, ob eine Gewohnheit fuͤr eingefuͤhrt<lb/> gehalten werden koͤnne? darauf ſehen muß, ob ſchon eine<lb/> ſolche Zeit verfloſſen iſt, daß daraus mit Gewißheit auf<lb/> die Einwilligung des Geſetzgebers geſchloſſen werden kann;<lb/> wenn nicht etwa durch beſondere Landesgeſetze oder den<lb/> Landesgebrauch, wie z. B. in <hi rendition="#g">Sachſen</hi> <note place="foot" n="6)">In Sachſen erfordert der Gerichtsbrauch eine Zeit von 31<lb/> Jahren 6 Wochen und 3 Tagen. S. <hi rendition="#g">Eichmann</hi> Erklaͤ-<lb/> rung des buͤrgerl. Rechs. 1. Th. S. 390.</note>, eine gewiſ-<lb/> ſere Norm hierin feſtgeſetzt worden ſeyn ſollte. Daß je-<lb/> doch eine Zeit von undenklichen Jahren her zur Einfuͤh-<lb/> rung eines Gewohnheitsrechts erfordert werde, wie einige<lb/> Rechtsgelehrten <note place="foot" n="7)">Unter den neuern hat dieſes vorzuͤglich zu behaupten geſucht<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Meurer</hi> in den juriſtiſchen Abhandlungen und Beobach-<lb/> tungen. 1. Samml. S. 113.</note> behaupten wollen, iſt unerweißlich <note xml:id="seg2pn_73_1" next="#seg2pn_73_2" place="foot" n="8)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">walch</hi> Introd. in Controv. iur. civ. Prolegom. Cap. II.</hi><lb/> §. 5. Herr geh. Juſt. R. <hi rendition="#g">Walch</hi> hat ſich zwar auf keine<lb/> Pruͤfung der gegenſeitigen Argumente eingelaſſen, ſondern<lb/> ſein Hauptargument bloß darin geſetzt, daß die Civilgeſetze<lb/> zur Beſtaͤttigung eines Gewohnheitsrechts nirgens eine un-<lb/> denkliche Zeit erfordert haͤtten. Es ſind aber auch in der<lb/> That die Gruͤnde des angefuͤhrten <hi rendition="#aq">D.</hi> <hi rendition="#g">Meurers</hi> von keinem<lb/> ſonderlichen Gewicht. Die in den Geſetzen dieſes Titels der<lb/> Pandecten gebrauchte Ausdruͤcke <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">conſuetudo inveterata, diu-<lb/> turna, antiquitus probata,</hi></hi> beweiſen ſeine Meinung noch nicht.<lb/> Es koͤnnen Gewohnheiten allerdings von der Art ſeyn, daß<lb/> ſich ihr Urſprung im hohen Alterthum verliehrt, daraus folgt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">aber</fw></note>.<lb/> Endlich</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">VI)</hi> </fw><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_72_2" prev="#seg2pn_72_1" place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">in Gundlingian. P. VII. N. 3. §. 23. <hi rendition="#k">müller</hi> ad Struvium<lb/> Ex. 2. th. 20. lit. ξ. <hi rendition="#k">reinharth</hi> ad Chriſtinaeum Vol. IV.<lb/> Obſ.</hi> 65. S. 96. <hi rendition="#g">Eiſenhart</hi> Erzaͤhlung beſond. Rechts-<lb/> haͤndel 2. Th. <hi rendition="#aq">N.</hi> 7. S. 193. <hi rendition="#g">Overbeck</hi> Meditationen uͤber<lb/> verſchied. Rechtsmaterien. 3. Band S. 311. u. a. m.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [458/0478]
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gehalten werden koͤnne? darauf ſehen muß, ob ſchon eine
ſolche Zeit verfloſſen iſt, daß daraus mit Gewißheit auf
die Einwilligung des Geſetzgebers geſchloſſen werden kann;
wenn nicht etwa durch beſondere Landesgeſetze oder den
Landesgebrauch, wie z. B. in Sachſen 6), eine gewiſ-
ſere Norm hierin feſtgeſetzt worden ſeyn ſollte. Daß je-
doch eine Zeit von undenklichen Jahren her zur Einfuͤh-
rung eines Gewohnheitsrechts erfordert werde, wie einige
Rechtsgelehrten 7) behaupten wollen, iſt unerweißlich 8).
Endlich
VI)
5)
6) In Sachſen erfordert der Gerichtsbrauch eine Zeit von 31
Jahren 6 Wochen und 3 Tagen. S. Eichmann Erklaͤ-
rung des buͤrgerl. Rechs. 1. Th. S. 390.
7) Unter den neuern hat dieſes vorzuͤglich zu behaupten geſucht
Dr. Meurer in den juriſtiſchen Abhandlungen und Beobach-
tungen. 1. Samml. S. 113.
8) S. walch Introd. in Controv. iur. civ. Prolegom. Cap. II.
§. 5. Herr geh. Juſt. R. Walch hat ſich zwar auf keine
Pruͤfung der gegenſeitigen Argumente eingelaſſen, ſondern
ſein Hauptargument bloß darin geſetzt, daß die Civilgeſetze
zur Beſtaͤttigung eines Gewohnheitsrechts nirgens eine un-
denkliche Zeit erfordert haͤtten. Es ſind aber auch in der
That die Gruͤnde des angefuͤhrten D. Meurers von keinem
ſonderlichen Gewicht. Die in den Geſetzen dieſes Titels der
Pandecten gebrauchte Ausdruͤcke conſuetudo inveterata, diu-
turna, antiquitus probata, beweiſen ſeine Meinung noch nicht.
Es koͤnnen Gewohnheiten allerdings von der Art ſeyn, daß
ſich ihr Urſprung im hohen Alterthum verliehrt, daraus folgt
aber
5) in Gundlingian. P. VII. N. 3. §. 23. müller ad Struvium
Ex. 2. th. 20. lit. ξ. reinharth ad Chriſtinaeum Vol. IV.
Obſ. 65. S. 96. Eiſenhart Erzaͤhlung beſond. Rechts-
haͤndel 2. Th. N. 7. S. 193. Overbeck Meditationen uͤber
verſchied. Rechtsmaterien. 3. Band S. 311. u. a. m.
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