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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 3. Tit.
stimmen, sondern es kommt alles auf ihre Wissenschaft
an, die sie von den einzelnen Handlungen haben, wo-
durch die streitige Gewohnheit erwiesen werden soll. Ha-
ben nun zwey derselben von denen zum Beweis angeführ-
ten einzelnen Fällen und deren Umständen vollkommene
Wissenschaft, sind sie überdies classisch, so ist nicht ein-
zusehen, warum der Beweis durch die Aussagen zweyer
solcher Zeugen nicht für vollführt geachtet werden sollte?
Daß inzwischen der Beweisführer eben deßwegen wohl
thut, wenn er mehr als zwey Zeugen ernennt, hat keinen
Zweifel. So viel nun aber die Aussagen derselben
anbetrift, so ist es nicht hinreichend, wenn die Zeugen
überhaupt deponiren, daß eine dergleichen Gewohnheit
wirklich vorhanden sey 41), worüber gestritten wird, oder daß
sie die ihnen vorgelegten Beweisartikel schlechtweg bejahen;
nein; es müssen ihre Aussagen, wenn sie beweisen sollen,
nicht nur auf die einzelnen Handlungen der Gewohnheit,
und übrigen Eigenschaften derselben gerichtet seyn, son-
dern auch einen hinreichenden Grund ihrer Wissenschaft
enthalten 42). In so fern es jedoch nur auf das Alter-
thum
eines gewissen in Streit gezogenen Gebrauchs
allein ankommen sollte, sind auch Testes de auditu für
zulässig allerdings zu halten, zumahl wenn selbige ihre
Aussagen dahin gestellet haben, wie sie es von sehr alten
Leuten gehöret, daß etwas immer und seit Menschenge-
denken nicht anders gewesen wäre 43). Und da es übri-
gens beym Beweise eines Gewohnheitsrechts vorzüglich

auf
41) mynsinger Cent. V. Obs. XLI. n. 14.
42) cocceii in iure civ. controv. h. t. Qu. XIV. kemmerich
a. a. O. §. XVII. S. 83. puffendorf Observat. iur. univ.
T. II. Obs.
138. §. 1.
43) struv a. a. O. wernher sel. Obs. for. T. I. P. IV.
Obs. 37. n.
3.

1. Buch. 3. Tit.
ſtimmen, ſondern es kommt alles auf ihre Wiſſenſchaft
an, die ſie von den einzelnen Handlungen haben, wo-
durch die ſtreitige Gewohnheit erwieſen werden ſoll. Ha-
ben nun zwey derſelben von denen zum Beweis angefuͤhr-
ten einzelnen Faͤllen und deren Umſtaͤnden vollkommene
Wiſſenſchaft, ſind ſie uͤberdies claſſiſch, ſo iſt nicht ein-
zuſehen, warum der Beweis durch die Ausſagen zweyer
ſolcher Zeugen nicht fuͤr vollfuͤhrt geachtet werden ſollte?
Daß inzwiſchen der Beweisfuͤhrer eben deßwegen wohl
thut, wenn er mehr als zwey Zeugen ernennt, hat keinen
Zweifel. So viel nun aber die Ausſagen derſelben
anbetrift, ſo iſt es nicht hinreichend, wenn die Zeugen
uͤberhaupt deponiren, daß eine dergleichen Gewohnheit
wirklich vorhanden ſey 41), woruͤber geſtritten wird, oder daß
ſie die ihnen vorgelegten Beweisartikel ſchlechtweg bejahen;
nein; es muͤſſen ihre Ausſagen, wenn ſie beweiſen ſollen,
nicht nur auf die einzelnen Handlungen der Gewohnheit,
und uͤbrigen Eigenſchaften derſelben gerichtet ſeyn, ſon-
dern auch einen hinreichenden Grund ihrer Wiſſenſchaft
enthalten 42). In ſo fern es jedoch nur auf das Alter-
thum
eines gewiſſen in Streit gezogenen Gebrauchs
allein ankommen ſollte, ſind auch Teſtes de auditu fuͤr
zulaͤſſig allerdings zu halten, zumahl wenn ſelbige ihre
Ausſagen dahin geſtellet haben, wie ſie es von ſehr alten
Leuten gehoͤret, daß etwas immer und ſeit Menſchenge-
denken nicht anders geweſen waͤre 43). Und da es uͤbri-
gens beym Beweiſe eines Gewohnheitsrechts vorzuͤglich

auf
41) mynsinger Cent. V. Obſ. XLI. n. 14.
42) cocceii in iure civ. controv. h. t. Qu. XIV. kemmerich
a. a. O. §. XVII. S. 83. puffendorf Obſervat. iur. univ.
T. II. Obſ.
138. §. 1.
43) struv a. a. O. wernher ſel. Obſ. for. T. I. P. IV.
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3.
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[474/0494] 1. Buch. 3. Tit. ſtimmen, ſondern es kommt alles auf ihre Wiſſenſchaft an, die ſie von den einzelnen Handlungen haben, wo- durch die ſtreitige Gewohnheit erwieſen werden ſoll. Ha- ben nun zwey derſelben von denen zum Beweis angefuͤhr- ten einzelnen Faͤllen und deren Umſtaͤnden vollkommene Wiſſenſchaft, ſind ſie uͤberdies claſſiſch, ſo iſt nicht ein- zuſehen, warum der Beweis durch die Ausſagen zweyer ſolcher Zeugen nicht fuͤr vollfuͤhrt geachtet werden ſollte? Daß inzwiſchen der Beweisfuͤhrer eben deßwegen wohl thut, wenn er mehr als zwey Zeugen ernennt, hat keinen Zweifel. So viel nun aber die Ausſagen derſelben anbetrift, ſo iſt es nicht hinreichend, wenn die Zeugen uͤberhaupt deponiren, daß eine dergleichen Gewohnheit wirklich vorhanden ſey 41), woruͤber geſtritten wird, oder daß ſie die ihnen vorgelegten Beweisartikel ſchlechtweg bejahen; nein; es muͤſſen ihre Ausſagen, wenn ſie beweiſen ſollen, nicht nur auf die einzelnen Handlungen der Gewohnheit, und uͤbrigen Eigenſchaften derſelben gerichtet ſeyn, ſon- dern auch einen hinreichenden Grund ihrer Wiſſenſchaft enthalten 42). In ſo fern es jedoch nur auf das Alter- thum eines gewiſſen in Streit gezogenen Gebrauchs allein ankommen ſollte, ſind auch Teſtes de auditu fuͤr zulaͤſſig allerdings zu halten, zumahl wenn ſelbige ihre Ausſagen dahin geſtellet haben, wie ſie es von ſehr alten Leuten gehoͤret, daß etwas immer und ſeit Menſchenge- denken nicht anders geweſen waͤre 43). Und da es uͤbri- gens beym Beweiſe eines Gewohnheitsrechts vorzuͤglich auf 41) mynsinger Cent. V. Obſ. XLI. n. 14. 42) cocceii in iure civ. controv. h. t. Qu. XIV. kemmerich a. a. O. §. XVII. S. 83. puffendorf Obſervat. iur. univ. T. II. Obſ. 138. §. 1. 43) struv a. a. O. wernher ſel. Obſ. for. T. I. P. IV. Obſ. 37. n. 3.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/494>, abgerufen am 22.11.2024.