Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. ist nun auch das Recht selbst für die Befugniß genom-men, entweder ein vollkommenes oder unvollkom- menes; je nachdem es entweder so beschaffen ist, daß derjenige, welcher unserer Befugniß entgegen handelt, auch wider seinen Willen zur Erfüllung seiner Obliegen- heit gezwungen werden kann, oder nicht. Die Zwangs- mittel, wodurch man ein vollkommenes Recht auf eine erlaubte Art verfolgen und geltend machen kann, sind entweder aussergerichtliche oder gerichtliche. Zu denen Zwangsmitteln der erstern Art gehört vorzüglich die privat Gewalt, welche in denen Fällen, in wel- chen die Gesetze solche zulassen, in sofern sie innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzen ausgeübt wird, als ein erlaubtes Zwangsmittel auch selbst im Staat ge- braucht werden kann 56); denn wenn gleich in der Regel die Selbsthülfe in einer ordentlich eingerichteten bürgerlichen Gesellschaft unerlaubt ist, weil sie den ersten Endzweck derselben, nehmlich der innern Sicherheit und Ordnung zuwider läuft, so erlauben dennoch die bürgerlichen Ge- setze selbst in gewissen ausgenommenen Fällen die eigen- thätige Gewalt, und berechtigen mich sogar meinen Geg- ner, der mich unvermuthet auf eine unrechtmäßige und gefahrvolle Art anfällt, mit mein Leben, oder Gesund- heit, oder Ehre, oder meine Güter zu rauben, wenn ich die gedrohete Gefahr anders nicht als mit der Tödtung des Anfallenden von mir abzuwenden im Stande bin, zu entleiben, welches man die Nothwehr, (defensio neces- 56) Siehe besonders Claproth in der Einleitung in
den ordentlichen bürgerlichen Proceß. 1. Theil 1. Hauptst. §. 2. u. ff. auch Sammlung einiger neuer vorhin gedruckter und bisher ungedruckter Schriften von der im Westphälischen Friedens- schluß erlaubten Selbsthülfe. Leipzig 1756. 4. 1. Buch. 1. Tit. iſt nun auch das Recht ſelbſt fuͤr die Befugniß genom-men, entweder ein vollkommenes oder unvollkom- menes; je nachdem es entweder ſo beſchaffen iſt, daß derjenige, welcher unſerer Befugniß entgegen handelt, auch wider ſeinen Willen zur Erfuͤllung ſeiner Obliegen- heit gezwungen werden kann, oder nicht. Die Zwangs- mittel, wodurch man ein vollkommenes Recht auf eine erlaubte Art verfolgen und geltend machen kann, ſind entweder auſſergerichtliche oder gerichtliche. Zu denen Zwangsmitteln der erſtern Art gehoͤrt vorzuͤglich die privat Gewalt, welche in denen Faͤllen, in wel- chen die Geſetze ſolche zulaſſen, in ſofern ſie innerhalb der geſetzlich vorgeſchriebenen Grenzen ausgeuͤbt wird, als ein erlaubtes Zwangsmittel auch ſelbſt im Staat ge- braucht werden kann 56); denn wenn gleich in der Regel die Selbſthuͤlfe in einer ordentlich eingerichteten buͤrgerlichen Geſellſchaft unerlaubt iſt, weil ſie den erſten Endzweck derſelben, nehmlich der innern Sicherheit und Ordnung zuwider laͤuft, ſo erlauben dennoch die buͤrgerlichen Ge- ſetze ſelbſt in gewiſſen ausgenommenen Faͤllen die eigen- thaͤtige Gewalt, und berechtigen mich ſogar meinen Geg- ner, der mich unvermuthet auf eine unrechtmaͤßige und gefahrvolle Art anfaͤllt, mit mein Leben, oder Geſund- heit, oder Ehre, oder meine Guͤter zu rauben, wenn ich die gedrohete Gefahr anders nicht als mit der Toͤdtung des Anfallenden von mir abzuwenden im Stande bin, zu entleiben, welches man die Nothwehr, (defenſio neceſ- 56) Siehe beſonders Claproth in der Einleitung in
den ordentlichen buͤrgerlichen Proceß. 1. Theil 1. Hauptſt. §. 2. u. ff. auch Sammlung einiger neuer vorhin gedruckter und bisher ungedruckter Schriften von der im Weſtphaͤliſchen Friedens- ſchluß erlaubten Selbſthuͤlfe. Leipzig 1756. 4. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0064" n="44"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/> iſt nun auch das <hi rendition="#g">Recht</hi> ſelbſt fuͤr die Befugniß genom-<lb/> men, entweder ein <hi rendition="#g">vollkommenes</hi> oder <hi rendition="#g">unvollkom-<lb/> menes</hi>; je nachdem es entweder ſo beſchaffen iſt, daß<lb/> derjenige, welcher unſerer Befugniß entgegen handelt,<lb/> auch wider ſeinen Willen zur Erfuͤllung ſeiner Obliegen-<lb/> heit gezwungen werden kann, oder nicht. Die <hi rendition="#g">Zwangs-<lb/> mittel</hi>, wodurch man ein vollkommenes Recht auf eine<lb/> erlaubte Art verfolgen und geltend machen kann, ſind<lb/> entweder <hi rendition="#g">auſſergerichtliche</hi> oder <hi rendition="#g">gerichtliche</hi>. Zu<lb/> denen Zwangsmitteln der erſtern Art gehoͤrt vorzuͤglich<lb/> die <hi rendition="#g">privat Gewalt</hi>, welche in denen Faͤllen, in wel-<lb/> chen die Geſetze ſolche zulaſſen, in ſofern ſie innerhalb<lb/> der geſetzlich vorgeſchriebenen Grenzen ausgeuͤbt wird,<lb/> als ein erlaubtes Zwangsmittel auch ſelbſt im Staat ge-<lb/> braucht werden kann <note place="foot" n="56)">Siehe beſonders Claproth <hi rendition="#g">in der Einleitung in<lb/> den ordentlichen buͤrgerlichen Proceß</hi>. 1. Theil<lb/> 1. Hauptſt. §. 2. u. ff. auch <hi rendition="#g">Sammlung einiger neuer<lb/> vorhin gedruckter und bisher ungedruckter<lb/> Schriften von der im Weſtphaͤliſchen Friedens-<lb/> ſchluß erlaubten Selbſthuͤlfe</hi>. Leipzig 1756. 4.</note>; denn wenn gleich in der Regel die<lb/> Selbſthuͤlfe in einer ordentlich eingerichteten buͤrgerlichen<lb/> Geſellſchaft unerlaubt iſt, weil ſie den erſten Endzweck<lb/> derſelben, nehmlich der innern Sicherheit und Ordnung<lb/> zuwider laͤuft, ſo erlauben dennoch die buͤrgerlichen Ge-<lb/> ſetze ſelbſt in gewiſſen ausgenommenen Faͤllen die eigen-<lb/> thaͤtige Gewalt, und berechtigen mich ſogar meinen Geg-<lb/> ner, der mich unvermuthet auf eine unrechtmaͤßige und<lb/> gefahrvolle Art anfaͤllt, mit mein Leben, oder Geſund-<lb/> heit, oder Ehre, oder meine Guͤter zu rauben, wenn ich<lb/> die gedrohete Gefahr anders nicht als mit der Toͤdtung<lb/> des Anfallenden von mir abzuwenden im Stande bin,<lb/> zu entleiben, welches man die <hi rendition="#g">Nothwehr</hi>, (<hi rendition="#aq">defenſio</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">neceſ-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0064]
1. Buch. 1. Tit.
iſt nun auch das Recht ſelbſt fuͤr die Befugniß genom-
men, entweder ein vollkommenes oder unvollkom-
menes; je nachdem es entweder ſo beſchaffen iſt, daß
derjenige, welcher unſerer Befugniß entgegen handelt,
auch wider ſeinen Willen zur Erfuͤllung ſeiner Obliegen-
heit gezwungen werden kann, oder nicht. Die Zwangs-
mittel, wodurch man ein vollkommenes Recht auf eine
erlaubte Art verfolgen und geltend machen kann, ſind
entweder auſſergerichtliche oder gerichtliche. Zu
denen Zwangsmitteln der erſtern Art gehoͤrt vorzuͤglich
die privat Gewalt, welche in denen Faͤllen, in wel-
chen die Geſetze ſolche zulaſſen, in ſofern ſie innerhalb
der geſetzlich vorgeſchriebenen Grenzen ausgeuͤbt wird,
als ein erlaubtes Zwangsmittel auch ſelbſt im Staat ge-
braucht werden kann 56); denn wenn gleich in der Regel die
Selbſthuͤlfe in einer ordentlich eingerichteten buͤrgerlichen
Geſellſchaft unerlaubt iſt, weil ſie den erſten Endzweck
derſelben, nehmlich der innern Sicherheit und Ordnung
zuwider laͤuft, ſo erlauben dennoch die buͤrgerlichen Ge-
ſetze ſelbſt in gewiſſen ausgenommenen Faͤllen die eigen-
thaͤtige Gewalt, und berechtigen mich ſogar meinen Geg-
ner, der mich unvermuthet auf eine unrechtmaͤßige und
gefahrvolle Art anfaͤllt, mit mein Leben, oder Geſund-
heit, oder Ehre, oder meine Guͤter zu rauben, wenn ich
die gedrohete Gefahr anders nicht als mit der Toͤdtung
des Anfallenden von mir abzuwenden im Stande bin,
zu entleiben, welches man die Nothwehr, (defenſio
neceſ-
56) Siehe beſonders Claproth in der Einleitung in
den ordentlichen buͤrgerlichen Proceß. 1. Theil
1. Hauptſt. §. 2. u. ff. auch Sammlung einiger neuer
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