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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
digten deshalb die actio in factum in denen bürgerlichen
Gesetzen zugestanden werde 3). Allein, daß diese Mei-
nung nicht allein dem Naturrechte, sondern auch dem
wahren Sinn der bürgerlichen Gesetze offenbahr entge-
gen sey, haben Andere schon mit bessern Gründen ge-
zeigt 4). Denn schon die Gesetze der Vernunft er-
fordern zu einer jeden verbindlichen Handlung, daß sie
ihrem Urheber zu imputiren sey, da dies aber bey denen
wegfällt, welchen es an Verstand und Willen mangelt,
um frey handeln zu können, so ist der Schade, den sol-
che Personen anrichten, offenbahr nur ein damnum ca-
suale,
weshalb derjenige, den es trift, keine Vergütung
fordern kann. Und mit diesen Grundsätzen des Natur-
rechts, stimmen auch die bürgerlichen Gesetze überein,
Impune puto admittendum, sagt daher Pompon 5),
quod per furorem alicuius accidit: quomodo si casu
aliquo, sine facto personae, id accidisset:
und sehr treffend
ist der Entscheidungsgrund des Pegasus beym Ulpian 6):
Quae enim in eo culpa est, quum suae mentis non
sit?
Aber solten nicht die oben angeführten Gesetze ei-
nigen Widerspruch machen, und die Meinung jener
Rechtsgelehrten wenigstens insofern rechtfertigen, als nur
von einer Schadensersetzung die Rede ist? Ich glaube

es
3) Sie haben dergleichen in L. 33. D. ad L. Aquil. ge-
funden zu haben vermeint, in welchen Paulus sagt. In
damnis, quae Lege Aquilia non tenentur
, in factum da-
tur
actio.
4) S. stryck in Us. Mod. Pand. Lib. IX. Tit. 2.
§. 2. leyser Meditat. ad Pand. Spec. 532. Med.
2.
insonderheit Weber in der systemat. Entwikelung
der Lehre von der natürlichen Verbindlichkeit
.
2te Abth. §. 71. S. 270.
5) L. ult. in fin. D. de administr. et peric. tut.
6) L. 5. § 2. D. ad L. Aquil.

1. Buch. 1. Tit.
digten deshalb die actio in factum in denen buͤrgerlichen
Geſetzen zugeſtanden werde 3). Allein, daß dieſe Mei-
nung nicht allein dem Naturrechte, ſondern auch dem
wahren Sinn der buͤrgerlichen Geſetze offenbahr entge-
gen ſey, haben Andere ſchon mit beſſern Gruͤnden ge-
zeigt 4). Denn ſchon die Geſetze der Vernunft er-
fordern zu einer jeden verbindlichen Handlung, daß ſie
ihrem Urheber zu imputiren ſey, da dies aber bey denen
wegfaͤllt, welchen es an Verſtand und Willen mangelt,
um frey handeln zu koͤnnen, ſo iſt der Schade, den ſol-
che Perſonen anrichten, offenbahr nur ein damnum ca-
ſuale,
weshalb derjenige, den es trift, keine Verguͤtung
fordern kann. Und mit dieſen Grundſaͤtzen des Natur-
rechts, ſtimmen auch die buͤrgerlichen Geſetze uͤberein,
Impune puto admittendum, ſagt daher Pompon 5),
quod per furorem alicuius accidit: quomodo ſi caſu
aliquo, ſine facto perſonae, id accidiſſet:
und ſehr treffend
iſt der Entſcheidungsgrund des Pegaſus beym Ulpian 6):
Quae enim in eo culpa eſt, quum ſuae mentis non
ſit?
Aber ſolten nicht die oben angefuͤhrten Geſetze ei-
nigen Widerſpruch machen, und die Meinung jener
Rechtsgelehrten wenigſtens inſofern rechtfertigen, als nur
von einer Schadenserſetzung die Rede iſt? Ich glaube

es
3) Sie haben dergleichen in L. 33. D. ad L. Aquil. ge-
funden zu haben vermeint, in welchen Paulus ſagt. In
damnis, quae Lege Aquilia non tenentur
, in factum da-
tur
actio.
4) S. stryck in Uſ. Mod. Pand. Lib. IX. Tit. 2.
§. 2. leyser Meditat. ad Pand. Spec. 532. Med.
2.
inſonderheit Weber in der ſyſtemat. Entwikelung
der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit
.
2te Abth. §. 71. S. 270.
5) L. ult. in fin. D. de adminiſtr. et peric. tut.
6) L. 5. § 2. D. ad L. Aquil.
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[72/0092] 1. Buch. 1. Tit. digten deshalb die actio in factum in denen buͤrgerlichen Geſetzen zugeſtanden werde 3). Allein, daß dieſe Mei- nung nicht allein dem Naturrechte, ſondern auch dem wahren Sinn der buͤrgerlichen Geſetze offenbahr entge- gen ſey, haben Andere ſchon mit beſſern Gruͤnden ge- zeigt 4). Denn ſchon die Geſetze der Vernunft er- fordern zu einer jeden verbindlichen Handlung, daß ſie ihrem Urheber zu imputiren ſey, da dies aber bey denen wegfaͤllt, welchen es an Verſtand und Willen mangelt, um frey handeln zu koͤnnen, ſo iſt der Schade, den ſol- che Perſonen anrichten, offenbahr nur ein damnum ca- ſuale, weshalb derjenige, den es trift, keine Verguͤtung fordern kann. Und mit dieſen Grundſaͤtzen des Natur- rechts, ſtimmen auch die buͤrgerlichen Geſetze uͤberein, Impune puto admittendum, ſagt daher Pompon 5), quod per furorem alicuius accidit: quomodo ſi caſu aliquo, ſine facto perſonae, id accidiſſet: und ſehr treffend iſt der Entſcheidungsgrund des Pegaſus beym Ulpian 6): Quae enim in eo culpa eſt, quum ſuae mentis non ſit? Aber ſolten nicht die oben angefuͤhrten Geſetze ei- nigen Widerſpruch machen, und die Meinung jener Rechtsgelehrten wenigſtens inſofern rechtfertigen, als nur von einer Schadenserſetzung die Rede iſt? Ich glaube es 3) Sie haben dergleichen in L. 33. D. ad L. Aquil. ge- funden zu haben vermeint, in welchen Paulus ſagt. In damnis, quae Lege Aquilia non tenentur, in factum da- tur actio. 4) S. stryck in Uſ. Mod. Pand. Lib. IX. Tit. 2. §. 2. leyser Meditat. ad Pand. Spec. 532. Med. 2. inſonderheit Weber in der ſyſtemat. Entwikelung der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit. 2te Abth. §. 71. S. 270. 5) L. ult. in fin. D. de adminiſtr. et peric. tut. 6) L. 5. § 2. D. ad L. Aquil.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/92>, abgerufen am 21.05.2024.