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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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de Statu Hominum.
Denn es blieb in einem solchen Fall doch immer in der
Herrschaft Willkühr, ob sie die Dienste in natura for-
dern, oder statt derselben ein gewisses Dienstgeld anneh-
men wollte. Folglich kann denen Dienstpflichtigen hier-
unter keine Verjährung zu statten kommen. Vielmehr
ist im Zweifel zu vermuthen, daß der Herr um seines
Vortheils willen bisher die Frohnen sich habe in Gelde
abtragen lassen. Es sind jedoch folgende Fälle allerdings
auszunehmen, wo es bey dem Dienstgelde bleiben muß:
nämlich a) wenn die Bauern ihren Gutsherrn, da er die
Frohnen in natura wieder gefordert hat, dieselbe mit
dem Vorgeben, daß sie hierzu nicht verbunden wären,
verweigert haben, und der Dienstherr dreyßig Jahr da-
zu stille geschwiegen 68). b) Wenn die Bauern die Lei-
stung der Dienste dem Herrn gegen die Erlegung eines
gewissen jährlichen Geldes auf ewig abgekauft haben 69).
Weil aber solches so wenig aus der Länge der Zeit, als
aus der immer ähnlichen Bezahlung einerley Summe des
Dienstgeldes zu schliessen, sondern die Vermuthung im-
mer für den Herrn ist, daß er das Geld nicht aus Schul-
digkeit, sondern aus eigenem Willkühr genommen; so
sind die Bauern schuldig, dieses ihr Vorgeben zu erwei-
sen, oder wenigstens solche Umstände für sich beyzubrin-
gen, wodurch die für den Herrn streitende Vermuthung

auf-
Obs. 64. von Buri Erläuterung des Lehnrechts a. a. O.
Quaest. 10. S. 67. Cramer Wezlar. Nebenstunden
Th. XXXI. N. 8. Westphal teutsches Privatrecht 34. Ab-
handlung 8. Anmerkung S. 366. Meditationen über verschie-
dene Rechtsmaterien 3. Band 137. Meditat. S. 119.
68) S. die angeführten Meditationen §. 2. puffendorf
T. I. Obs.
224. S. 553. balthasar de operis Subditor.
Cap.
10. und rave de praescriptione §. CXVII. Schol. 2.
69) müller Practica Civ. Marchica Resol. 99. §. 25.
L 2

de Statu Hominum.
Denn es blieb in einem ſolchen Fall doch immer in der
Herrſchaft Willkuͤhr, ob ſie die Dienſte in natura for-
dern, oder ſtatt derſelben ein gewiſſes Dienſtgeld anneh-
men wollte. Folglich kann denen Dienſtpflichtigen hier-
unter keine Verjaͤhrung zu ſtatten kommen. Vielmehr
iſt im Zweifel zu vermuthen, daß der Herr um ſeines
Vortheils willen bisher die Frohnen ſich habe in Gelde
abtragen laſſen. Es ſind jedoch folgende Faͤlle allerdings
auszunehmen, wo es bey dem Dienſtgelde bleiben muß:
naͤmlich a) wenn die Bauern ihren Gutsherrn, da er die
Frohnen in natura wieder gefordert hat, dieſelbe mit
dem Vorgeben, daß ſie hierzu nicht verbunden waͤren,
verweigert haben, und der Dienſtherr dreyßig Jahr da-
zu ſtille geſchwiegen 68). b) Wenn die Bauern die Lei-
ſtung der Dienſte dem Herrn gegen die Erlegung eines
gewiſſen jaͤhrlichen Geldes auf ewig abgekauft haben 69).
Weil aber ſolches ſo wenig aus der Laͤnge der Zeit, als
aus der immer aͤhnlichen Bezahlung einerley Summe des
Dienſtgeldes zu ſchlieſſen, ſondern die Vermuthung im-
mer fuͤr den Herrn iſt, daß er das Geld nicht aus Schul-
digkeit, ſondern aus eigenem Willkuͤhr genommen; ſo
ſind die Bauern ſchuldig, dieſes ihr Vorgeben zu erwei-
ſen, oder wenigſtens ſolche Umſtaͤnde fuͤr ſich beyzubrin-
gen, wodurch die fuͤr den Herrn ſtreitende Vermuthung

auf-
Obſ. 64. von Buri Erlaͤuterung des Lehnrechts a. a. O.
Quaeſt. 10. S. 67. Cramer Wezlar. Nebenſtunden
Th. XXXI. N. 8. Weſtphal teutſches Privatrecht 34. Ab-
handlung 8. Anmerkung S. 366. Meditationen uͤber verſchie-
dene Rechtsmaterien 3. Band 137. Meditat. S. 119.
68) S. die angefuͤhrten Meditationen §. 2. puffendorf
T. I. Obſ.
224. S. 553. balthasar de operis Subditor.
Cap.
10. und rave de praeſcriptione §. CXVII. Schol. 2.
69) muͤller Practica Civ. Marchica Reſol. 99. §. 25.
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[163/0177] de Statu Hominum. Denn es blieb in einem ſolchen Fall doch immer in der Herrſchaft Willkuͤhr, ob ſie die Dienſte in natura for- dern, oder ſtatt derſelben ein gewiſſes Dienſtgeld anneh- men wollte. Folglich kann denen Dienſtpflichtigen hier- unter keine Verjaͤhrung zu ſtatten kommen. Vielmehr iſt im Zweifel zu vermuthen, daß der Herr um ſeines Vortheils willen bisher die Frohnen ſich habe in Gelde abtragen laſſen. Es ſind jedoch folgende Faͤlle allerdings auszunehmen, wo es bey dem Dienſtgelde bleiben muß: naͤmlich a) wenn die Bauern ihren Gutsherrn, da er die Frohnen in natura wieder gefordert hat, dieſelbe mit dem Vorgeben, daß ſie hierzu nicht verbunden waͤren, verweigert haben, und der Dienſtherr dreyßig Jahr da- zu ſtille geſchwiegen 68). b) Wenn die Bauern die Lei- ſtung der Dienſte dem Herrn gegen die Erlegung eines gewiſſen jaͤhrlichen Geldes auf ewig abgekauft haben 69). Weil aber ſolches ſo wenig aus der Laͤnge der Zeit, als aus der immer aͤhnlichen Bezahlung einerley Summe des Dienſtgeldes zu ſchlieſſen, ſondern die Vermuthung im- mer fuͤr den Herrn iſt, daß er das Geld nicht aus Schul- digkeit, ſondern aus eigenem Willkuͤhr genommen; ſo ſind die Bauern ſchuldig, dieſes ihr Vorgeben zu erwei- ſen, oder wenigſtens ſolche Umſtaͤnde fuͤr ſich beyzubrin- gen, wodurch die fuͤr den Herrn ſtreitende Vermuthung auf- 67) 68) S. die angefuͤhrten Meditationen §. 2. puffendorf T. I. Obſ. 224. S. 553. balthasar de operis Subditor. Cap. 10. und rave de praeſcriptione §. CXVII. Schol. 2. 69) muͤller Practica Civ. Marchica Reſol. 99. §. 25. 67) Obſ. 64. von Buri Erlaͤuterung des Lehnrechts a. a. O. Quaeſt. 10. S. 67. Cramer Wezlar. Nebenſtunden Th. XXXI. N. 8. Weſtphal teutſches Privatrecht 34. Ab- handlung 8. Anmerkung S. 366. Meditationen uͤber verſchie- dene Rechtsmaterien 3. Band 137. Meditat. S. 119. L 2

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/177>, abgerufen am 11.05.2024.