Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.1. Buch. 6. Tit. §. 130. der ihrem zarten und jugendlichen Alter natürlichen Ein-falt und körperlichen Schwäche befinden, wo man bey ihren Handlungen so wenig eine Ueberlegung und Bos- heit, als Kräfte zur Ausführung derselben annehmen kann, vielmehr ihre Handlungen überall noch das Ge- präge der jugendlichen Leichtsinnigkeit und des Unverstan- des an sich tragen, so sind sie, ohne daß es dabey auf eine bestimmte Zahl der Jahre ankommt, infantiae proxi- mi, haben aber Unmündige schon ein solches Maas von Leibes- und Seelenkräften erreicht, daß man bey ihren Handlungen Einsicht, bedachtsame Ueberlegung, ja Arg- list und Bosheit wahrnimmt, so sind sie pubertati proxi- mi. Dies ist die Meinung eines Corasius 48), Göd- däus 49), Robertus 50) und anderer 51) berühmter Rechtsgelehrten, welche Jacob Gothofred 52) für die allerrichtigste hält, und welcher auch Joseph Avera- nius 53) seinen Beyfall giebt. Sie ist auch in Wahr- heit 48) Miscellaneor. lib. VI. cap. 23. 49) de contrah. stipulat. cap. 7. n. 204. 50) Receptar. Lectionum lib. II. cap. 17. 51) S. moller cit. Dissert. Cap. II. §. 1. S. 23. 52) in Commentar. ad L. 111. D. de Reg. Iuris. 53) Interpretation. iuris Lib. II. cap. 14. n. 1. Ich kann nicht
umhin, die Worte dieses eleganten Rechtsgelehrten meinen Le- sern selbst vor Augen zu legen. Infantiae proximus a proxi- mo pubertati distinguitur non tam aetate, quam ingenio, cal- liditate, malitia. Certissimo argumento esse potest, quod Ve- teres in his distinguendis numquam aetatis, semper intellectus, et malitiae meminerunt, et pupillos, non infantes, alios ha- bere intellectum dixerunt, alios non habere: item aut ess- doli ac delicti capaces, aut non esse. L. 111. D. de R Iur. §. 10. I. de inutil. stipulat. L. 14. D. ad SCtum Silanian. L. 1. §. 15. D. depositi. Quoniam vero ingenii vis in aliis citius, in 1. Buch. 6. Tit. §. 130. der ihrem zarten und jugendlichen Alter natuͤrlichen Ein-falt und koͤrperlichen Schwaͤche befinden, wo man bey ihren Handlungen ſo wenig eine Ueberlegung und Bos- heit, als Kraͤfte zur Ausfuͤhrung derſelben annehmen kann, vielmehr ihre Handlungen uͤberall noch das Ge- praͤge der jugendlichen Leichtſinnigkeit und des Unverſtan- des an ſich tragen, ſo ſind ſie, ohne daß es dabey auf eine beſtimmte Zahl der Jahre ankommt, infantiae proxi- mi, haben aber Unmuͤndige ſchon ein ſolches Maas von Leibes- und Seelenkraͤften erreicht, daß man bey ihren Handlungen Einſicht, bedachtſame Ueberlegung, ja Arg- liſt und Bosheit wahrnimmt, ſo ſind ſie pubertati proxi- mi. Dies iſt die Meinung eines Coraſius 48), Goͤd- daͤus 49), Robertus 50) und anderer 51) beruͤhmter Rechtsgelehrten, welche Jacob Gothofred 52) fuͤr die allerrichtigſte haͤlt, und welcher auch Joſeph Avera- nius 53) ſeinen Beyfall giebt. Sie iſt auch in Wahr- heit 48) Miſcellaneor. lib. VI. cap. 23. 49) de contrah. ſtipulat. cap. 7. n. 204. 50) Receptar. Lectionum lib. II. cap. 17. 51) S. moller cit. Diſſert. Cap. II. §. 1. S. 23. 52) in Commentar. ad L. 111. D. de Reg. Iuris. 53) Interpretation. iuris Lib. II. cap. 14. n. 1. Ich kann nicht
umhin, die Worte dieſes eleganten Rechtsgelehrten meinen Le- ſern ſelbſt vor Augen zu legen. Infantiae proximus a proxi- mo pubertati diſtinguitur non tam aetate, quam ingenio, cal- liditate, malitia. Certiſſimo argumento eſſe poteſt, quod Ve- teres in his diſtinguendis numquam aetatis, ſemper intellectus, et malitiae meminerunt, et pupillos, non infantes, alios ha- bere intellectum dixerunt, alios non habere: item aut eſſ- doli ac delicti capaces, aut non eſſe. L. 111. D. de R Iur. §. 10. I. de inutil. ſtipulat. L. 14. D. ad SCtum Silanian. L. 1. §. 15. D. depoſiti. Quoniam vero ingenii vis in aliis citius, in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0202" n="188"/><fw place="top" type="header">1. Buch. 6. Tit. §. 130.</fw><lb/> der ihrem zarten und jugendlichen Alter natuͤrlichen Ein-<lb/> falt und koͤrperlichen Schwaͤche befinden, wo man bey<lb/> ihren Handlungen ſo wenig eine Ueberlegung und Bos-<lb/> heit, als Kraͤfte zur Ausfuͤhrung derſelben annehmen<lb/> kann, vielmehr ihre Handlungen uͤberall noch das Ge-<lb/> praͤge der jugendlichen Leichtſinnigkeit und des Unverſtan-<lb/> des an ſich tragen, ſo ſind ſie, ohne daß es dabey auf<lb/> eine beſtimmte Zahl der Jahre ankommt, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">infantiae proxi-<lb/> mi,</hi></hi> haben aber Unmuͤndige ſchon ein ſolches Maas von<lb/> Leibes- und Seelenkraͤften erreicht, daß man bey ihren<lb/> Handlungen Einſicht, bedachtſame Ueberlegung, ja Arg-<lb/> liſt und Bosheit wahrnimmt, ſo ſind ſie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">pubertati proxi-<lb/> mi.</hi></hi> Dies iſt die Meinung eines <hi rendition="#fr">Coraſius</hi> <note place="foot" n="48)"><hi rendition="#aq">Miſcellaneor. lib. VI. cap.</hi> 23.</note>, <hi rendition="#fr">Goͤd-<lb/> daͤus</hi> <note place="foot" n="49)"><hi rendition="#aq">de contrah. ſtipulat. cap. 7. n.</hi> 204.</note>, <hi rendition="#fr">Robertus</hi> <note place="foot" n="50)"><hi rendition="#aq">Receptar. Lectionum lib. II. cap.</hi> 17.</note> und anderer <note place="foot" n="51)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">moller</hi> cit. Diſſert. Cap. II.</hi> §. 1. S. 23.</note> beruͤhmter<lb/> Rechtsgelehrten, welche <hi rendition="#g">Jacob</hi> <hi rendition="#fr">Gothofred</hi> <note place="foot" n="52)"><hi rendition="#aq">in Commentar. ad L. 111. D. de Reg. Iuris.</hi></note> fuͤr die<lb/> allerrichtigſte haͤlt, und welcher auch <hi rendition="#g">Joſeph</hi> <hi rendition="#fr">Avera-<lb/> nius</hi> <note xml:id="seg2pn_37_1" next="#seg2pn_37_2" place="foot" n="53)"><hi rendition="#aq">Interpretation. iuris Lib. II. cap. 14. n.</hi> 1. Ich kann nicht<lb/> umhin, die Worte dieſes eleganten Rechtsgelehrten meinen Le-<lb/> ſern ſelbſt vor Augen zu legen. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Infantiae proximus a proxi-<lb/> mo pubertati diſtinguitur non tam aetate, quam ingenio, cal-<lb/> liditate, malitia. Certiſſimo argumento eſſe poteſt, quod Ve-<lb/> teres in his diſtinguendis numquam aetatis, ſemper intellectus,<lb/> et malitiae meminerunt, et pupillos, non infantes, alios ha-<lb/> bere intellectum dixerunt, alios non habere: item aut eſſ-<lb/> doli ac delicti capaces, aut non eſſe.</hi> L. 111. D. de R Iur.<lb/> §. 10. I. de inutil. ſtipulat. L. 14. D. ad SCtum Silanian. L. 1.<lb/> §. 15. D. depoſiti. <hi rendition="#i">Quoniam vero ingenii vis in aliis citius,</hi></hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">in</hi></hi></fw></note> ſeinen Beyfall giebt. Sie iſt auch in Wahr-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">heit</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [188/0202]
1. Buch. 6. Tit. §. 130.
der ihrem zarten und jugendlichen Alter natuͤrlichen Ein-
falt und koͤrperlichen Schwaͤche befinden, wo man bey
ihren Handlungen ſo wenig eine Ueberlegung und Bos-
heit, als Kraͤfte zur Ausfuͤhrung derſelben annehmen
kann, vielmehr ihre Handlungen uͤberall noch das Ge-
praͤge der jugendlichen Leichtſinnigkeit und des Unverſtan-
des an ſich tragen, ſo ſind ſie, ohne daß es dabey auf
eine beſtimmte Zahl der Jahre ankommt, infantiae proxi-
mi, haben aber Unmuͤndige ſchon ein ſolches Maas von
Leibes- und Seelenkraͤften erreicht, daß man bey ihren
Handlungen Einſicht, bedachtſame Ueberlegung, ja Arg-
liſt und Bosheit wahrnimmt, ſo ſind ſie pubertati proxi-
mi. Dies iſt die Meinung eines Coraſius 48), Goͤd-
daͤus 49), Robertus 50) und anderer 51) beruͤhmter
Rechtsgelehrten, welche Jacob Gothofred 52) fuͤr die
allerrichtigſte haͤlt, und welcher auch Joſeph Avera-
nius 53) ſeinen Beyfall giebt. Sie iſt auch in Wahr-
heit
48) Miſcellaneor. lib. VI. cap. 23.
49) de contrah. ſtipulat. cap. 7. n. 204.
50) Receptar. Lectionum lib. II. cap. 17.
51) S. moller cit. Diſſert. Cap. II. §. 1. S. 23.
52) in Commentar. ad L. 111. D. de Reg. Iuris.
53) Interpretation. iuris Lib. II. cap. 14. n. 1. Ich kann nicht
umhin, die Worte dieſes eleganten Rechtsgelehrten meinen Le-
ſern ſelbſt vor Augen zu legen. Infantiae proximus a proxi-
mo pubertati diſtinguitur non tam aetate, quam ingenio, cal-
liditate, malitia. Certiſſimo argumento eſſe poteſt, quod Ve-
teres in his diſtinguendis numquam aetatis, ſemper intellectus,
et malitiae meminerunt, et pupillos, non infantes, alios ha-
bere intellectum dixerunt, alios non habere: item aut eſſ-
doli ac delicti capaces, aut non eſſe. L. 111. D. de R Iur.
§. 10. I. de inutil. ſtipulat. L. 14. D. ad SCtum Silanian. L. 1.
§. 15. D. depoſiti. Quoniam vero ingenii vis in aliis citius,
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