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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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de Constitutionibus Principum.
gleiche Rechtswohlthat zu geniessen hat, bedienen kön-
ne, so lange nicht der Fall eintritt, daß solches wegen
einer natürlichen Unmöglichkeit nicht geschehen kann.

Wir wollen jedoch die hierher gehörigen einzelen Fälle
noch genauer entwickeln. Wenn iura singularia mit ein-
ander concurriren, so kommt es zuförderst darauf an, ob sie
so beschaffen, daß sie einander in ihrer Anwendung nicht hin-
derlich sind, weil nur eine Parthey in dem Fall sich befindet,
wo ihr ein besonderes Recht nach den Gesetzen zustehet, die
andere aber nicht; oder ob sie wirklich mit einander collidi-
ren, d. i. ob sie so beschaffen sind, daß der Gebrauch des
einen ohne Nachtheil des andern nicht bestehen kann. Im
erstern Fall hat es keinen Zweifel, daß die concurrirende
besondern Rechte bestehen, folglich derjenige, welchem ein
ius singulare zustehet, sich seines Rechts gegen den an-
dern bedienen könne, in so fern das besondere Recht, so
der andere ebenfalls zu geniessen hat, nicht darunter lei-
det. Dies können folgende Fälle, die wir in unsern Ge-
setzen finden, beweisen.

1) Eine Frauensperson, wenn sie sich gleich bey einer an-
dern Frauensperson für einen dritten verbürgt hat,
kann dennoch die ihr nach dem Vellejanischen Senatus-
consultum zustehende Rechtswohlthat ausüben 52).
2) Wer in öffentlichen Geschäften abwesend gewesen, kann
eine Wiederherstellung seiner Rechte auch wider den-
jenigen erlangen, der aus gleicher Ursach abwesend ge-
wesen ist 53).

3) Ein
52) L. 5. Cod. ad SCtum Vellejan. Die hierher gehörigen
Worte sind: Quodsi consensisti obligationi, sciente cre-
ditrice
, auxilio Senatusconsulti uti potes.
53) L. 46. D. Ex quib. caus. maiores.
B 3

de Conſtitutionibus Principum.
gleiche Rechtswohlthat zu genieſſen hat, bedienen koͤn-
ne, ſo lange nicht der Fall eintritt, daß ſolches wegen
einer natuͤrlichen Unmoͤglichkeit nicht geſchehen kann.

Wir wollen jedoch die hierher gehoͤrigen einzelen Faͤlle
noch genauer entwickeln. Wenn iura ſingularia mit ein-
ander concurriren, ſo kommt es zufoͤrderſt darauf an, ob ſie
ſo beſchaffen, daß ſie einander in ihrer Anwendung nicht hin-
derlich ſind, weil nur eine Parthey in dem Fall ſich befindet,
wo ihr ein beſonderes Recht nach den Geſetzen zuſtehet, die
andere aber nicht; oder ob ſie wirklich mit einander collidi-
ren, d. i. ob ſie ſo beſchaffen ſind, daß der Gebrauch des
einen ohne Nachtheil des andern nicht beſtehen kann. Im
erſtern Fall hat es keinen Zweifel, daß die concurrirende
beſondern Rechte beſtehen, folglich derjenige, welchem ein
ius ſingulare zuſtehet, ſich ſeines Rechts gegen den an-
dern bedienen koͤnne, in ſo fern das beſondere Recht, ſo
der andere ebenfalls zu genieſſen hat, nicht darunter lei-
det. Dies koͤnnen folgende Faͤlle, die wir in unſern Ge-
ſetzen finden, beweiſen.

1) Eine Frauensperſon, wenn ſie ſich gleich bey einer an-
dern Frauensperſon fuͤr einen dritten verbuͤrgt hat,
kann dennoch die ihr nach dem Vellejaniſchen Senatus-
conſultum zuſtehende Rechtswohlthat ausuͤben 52).
2) Wer in oͤffentlichen Geſchaͤften abweſend geweſen, kann
eine Wiederherſtellung ſeiner Rechte auch wider den-
jenigen erlangen, der aus gleicher Urſach abweſend ge-
weſen iſt 53).

3) Ein
52) L. 5. Cod. ad SCtum Vellejan. Die hierher gehoͤrigen
Worte ſind: Quodſi conſenſiſti obligationi, ſciente cre-
ditrice
, auxilio Senatusconſulti uti potes.
53) L. 46. D. Ex quib. cauſ. maiores.
B 3
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[21/0035] de Conſtitutionibus Principum. gleiche Rechtswohlthat zu genieſſen hat, bedienen koͤn- ne, ſo lange nicht der Fall eintritt, daß ſolches wegen einer natuͤrlichen Unmoͤglichkeit nicht geſchehen kann. Wir wollen jedoch die hierher gehoͤrigen einzelen Faͤlle noch genauer entwickeln. Wenn iura ſingularia mit ein- ander concurriren, ſo kommt es zufoͤrderſt darauf an, ob ſie ſo beſchaffen, daß ſie einander in ihrer Anwendung nicht hin- derlich ſind, weil nur eine Parthey in dem Fall ſich befindet, wo ihr ein beſonderes Recht nach den Geſetzen zuſtehet, die andere aber nicht; oder ob ſie wirklich mit einander collidi- ren, d. i. ob ſie ſo beſchaffen ſind, daß der Gebrauch des einen ohne Nachtheil des andern nicht beſtehen kann. Im erſtern Fall hat es keinen Zweifel, daß die concurrirende beſondern Rechte beſtehen, folglich derjenige, welchem ein ius ſingulare zuſtehet, ſich ſeines Rechts gegen den an- dern bedienen koͤnne, in ſo fern das beſondere Recht, ſo der andere ebenfalls zu genieſſen hat, nicht darunter lei- det. Dies koͤnnen folgende Faͤlle, die wir in unſern Ge- ſetzen finden, beweiſen. 1) Eine Frauensperſon, wenn ſie ſich gleich bey einer an- dern Frauensperſon fuͤr einen dritten verbuͤrgt hat, kann dennoch die ihr nach dem Vellejaniſchen Senatus- conſultum zuſtehende Rechtswohlthat ausuͤben 52). 2) Wer in oͤffentlichen Geſchaͤften abweſend geweſen, kann eine Wiederherſtellung ſeiner Rechte auch wider den- jenigen erlangen, der aus gleicher Urſach abweſend ge- weſen iſt 53). 3) Ein 52) L. 5. Cod. ad SCtum Vellejan. Die hierher gehoͤrigen Worte ſind: Quodſi conſenſiſti obligationi, ſciente cre- ditrice, auxilio Senatusconſulti uti potes. 53) L. 46. D. Ex quib. cauſ. maiores. B 3

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/35>, abgerufen am 28.04.2024.