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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 7. Tit. §. 159.
dene aber nehmen eine mitlere Meynung an 64); sie be-
haupten, daß der Emancipirte nach dem neuern Recht
freylich nicht mehr in eine Art von Sclaverey ge-
rathe, wie nach dem ältern römischen Recht geschehen
sey; allein er ändere doch die Familie, bleibe kein Agnat,
und behalte auch das ius sui beredis nicht; in dieser
Rücksicht wirke also die neuere Emancipation allerdings
noch eine Capitisdeminution. Allein bedenkt man, daß,
wenn gleich Justinian die Solennität der alten Emanci-
pation aufgehoben hat, dennoch die Wirkung derselben
verbleiben solle, nicht anders, als ob jene Feyerlichkeit
wirklich geschehen wäre; erwägt man ferner, daß selbst
Justinian 65) sagt, Emancipati iure civili nihil iuris ha-
bent,
weder das ius suorum heredum, weil sie zur
Zeit des Absterbens ihres Vaters nicht mehr in dessen
Gewalt waren; noch das ius agnatorum, weil sie durch
die Emancipation aufgehört haben, Agnaten zu seyn,
und die Familienrechte verlohren haben; Bedenkt man
endlich, daß, wenn durch die justinianeische Emancipa-
tion die Agnations- und Familienrechte nicht aufgehoben
worden, es unnöthig gewesen wäre, solche durch eine aus-
drückliche Verordnung 66) und als ein besonderes Privile-
gium denen zu erhalten, die durch eine Würde von der
väterlichen Gewalt befreyet wurden, so läßt sich, deucht
mich, wohl nicht daran zweifeln, daß auch die justinia-
neische Emancipation, wie jede andere, eine Capitisde-

minu-
c. 6. §. 3. sqq. Ian. a costa in Comm. ad Instit. tit. quib.
mod. ius p p. solv
§ 6.
64) Ant. schulting in Enarrat. partis prim. Digestor. n. t.
§. 19 et in Iurisprud Antejustin. pag. 593. heimburg Diss.
cit. §. XXXVII.
65) §. 9. Institut. de heredit. quae ab intestato defer.
66) Nov. LXXXI. cap. 2.

1. Buch. 7. Tit. §. 159.
dene aber nehmen eine mitlere Meynung an 64); ſie be-
haupten, daß der Emancipirte nach dem neuern Recht
freylich nicht mehr in eine Art von Sclaverey ge-
rathe, wie nach dem aͤltern roͤmiſchen Recht geſchehen
ſey; allein er aͤndere doch die Familie, bleibe kein Agnat,
und behalte auch das ius ſui beredis nicht; in dieſer
Ruͤckſicht wirke alſo die neuere Emancipation allerdings
noch eine Capitisdeminution. Allein bedenkt man, daß,
wenn gleich Juſtinian die Solennitaͤt der alten Emanci-
pation aufgehoben hat, dennoch die Wirkung derſelben
verbleiben ſolle, nicht anders, als ob jene Feyerlichkeit
wirklich geſchehen waͤre; erwaͤgt man ferner, daß ſelbſt
Juſtinian 65) ſagt, Emancipati iure civili nihil iuris ha-
bent,
weder das ius ſuorum heredum, weil ſie zur
Zeit des Abſterbens ihres Vaters nicht mehr in deſſen
Gewalt waren; noch das ius agnatorum, weil ſie durch
die Emancipation aufgehoͤrt haben, Agnaten zu ſeyn,
und die Familienrechte verlohren haben; Bedenkt man
endlich, daß, wenn durch die juſtinianeiſche Emancipa-
tion die Agnations- und Familienrechte nicht aufgehoben
worden, es unnoͤthig geweſen waͤre, ſolche durch eine aus-
druͤckliche Verordnung 66) und als ein beſonderes Privile-
gium denen zu erhalten, die durch eine Wuͤrde von der
vaͤterlichen Gewalt befreyet wurden, ſo laͤßt ſich, deucht
mich, wohl nicht daran zweifeln, daß auch die juſtinia-
neiſche Emancipation, wie jede andere, eine Capitisde-

minu-
c. 6. §. 3. ſqq. Ian. a costa in Comm. ad Inſtit. tit. quib.
mod. ius p p. ſolv
§ 6.
64) Ant. schulting in Enarrat. partis prim. Digeſtor. n. t.
§. 19 et in Iurisprud Antejuſtin. pag. 593. heimburg Diſſ.
cit. §. XXXVII.
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[358/0372] 1. Buch. 7. Tit. §. 159. dene aber nehmen eine mitlere Meynung an 64); ſie be- haupten, daß der Emancipirte nach dem neuern Recht freylich nicht mehr in eine Art von Sclaverey ge- rathe, wie nach dem aͤltern roͤmiſchen Recht geſchehen ſey; allein er aͤndere doch die Familie, bleibe kein Agnat, und behalte auch das ius ſui beredis nicht; in dieſer Ruͤckſicht wirke alſo die neuere Emancipation allerdings noch eine Capitisdeminution. Allein bedenkt man, daß, wenn gleich Juſtinian die Solennitaͤt der alten Emanci- pation aufgehoben hat, dennoch die Wirkung derſelben verbleiben ſolle, nicht anders, als ob jene Feyerlichkeit wirklich geſchehen waͤre; erwaͤgt man ferner, daß ſelbſt Juſtinian 65) ſagt, Emancipati iure civili nihil iuris ha- bent, weder das ius ſuorum heredum, weil ſie zur Zeit des Abſterbens ihres Vaters nicht mehr in deſſen Gewalt waren; noch das ius agnatorum, weil ſie durch die Emancipation aufgehoͤrt haben, Agnaten zu ſeyn, und die Familienrechte verlohren haben; Bedenkt man endlich, daß, wenn durch die juſtinianeiſche Emancipa- tion die Agnations- und Familienrechte nicht aufgehoben worden, es unnoͤthig geweſen waͤre, ſolche durch eine aus- druͤckliche Verordnung 66) und als ein beſonderes Privile- gium denen zu erhalten, die durch eine Wuͤrde von der vaͤterlichen Gewalt befreyet wurden, ſo laͤßt ſich, deucht mich, wohl nicht daran zweifeln, daß auch die juſtinia- neiſche Emancipation, wie jede andere, eine Capitisde- minu- 63) 64) Ant. schulting in Enarrat. partis prim. Digeſtor. n. t. §. 19 et in Iurisprud Antejuſtin. pag. 593. heimburg Diſſ. cit. §. XXXVII. 65) §. 9. Inſtitut. de heredit. quae ab inteſtato defer. 66) Nov. LXXXI. cap. 2. 63) c. 6. §. 3. ſqq. Ian. a costa in Comm. ad Inſtit. tit. quib. mod. ius p p. ſolv § 6.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/372>, abgerufen am 20.05.2024.