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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 7. Tit. §. 160.
der Bürger wären mitgetheilet worden, noch eine Hand-
lungsart gültig seyn könne, die nur bey den Griechen
gewöhnlich, denen römischen Gesetzen aber gar nicht an-
gemessen sey? Die Kaiser rescribiren hierauf, daß ei-
nesolche Verstoßung
, (abdicatio scilicet ea) welche
die Griechen apokeruxis nennen, von den rö-
mischen Gesetzen, nach deren Vorschrift doch
alle legitime Handlungen der röm. Bürger,
ohne Unterschied ihres Wohnorts, vollzogen
werden müssen, nicht gebilliget, und daher
auch für rechtmäsig nicht zu halten sey
. Dieß
ist die ganz natürliche Erklärung des Gesetzes, für deren
Richtigkeit die Worte des Rescripts selbst bürgen. Da
indessen noch alles darauf ankommt, was bey den Griechen
apokeruzis eigentlich gewesen, und welche rechtliche Wir-
kungen diese Handlung gehabt habe? so ist es nöthig,
hiervon zur Erläuterung noch etwas hinzuzufügen. Diejeni-
ge Verstoßung der Kinder, welche bey den Griechen
apokeruxis genennet wurde, war eine feyerliche Handlung
inter vivos, dadurch der Vater seinen ausgearteten
Sohn, der sich wiederspenstig gegen ihn bezeigte, oder
durch liederliche Lebensart der Familie Schande machte,
von sich und aus dem väterlichen Haus entfernte, und
ihn von nun an nicht mehr vor sein Kind erkannte 85).
Es war bey den Atheniensern ein ausdrückliches Gesetz,
welches denen Vätern ein solches Recht verstattete 86).
Nur durfte diese Abdication nicht ohne eine recht-
mäßige Ursache geschehen 87), dahero entweder vor Ge-

richt
85) S. Breuning cit. Diss. Cap. III. et IV.
86) Tous goneas kurious einai apokeruzai: Parentibus liberos
abdicare ius esto.
87) lucianus in Abdicato. plato de Legibus lib. XI. liba-
nius
in Declamat. XXXVI.
welcher letztere einen verstoße-
nen

1. Buch. 7. Tit. §. 160.
der Buͤrger waͤren mitgetheilet worden, noch eine Hand-
lungsart guͤltig ſeyn koͤnne, die nur bey den Griechen
gewoͤhnlich, denen roͤmiſchen Geſetzen aber gar nicht an-
gemeſſen ſey? Die Kaiſer reſcribiren hierauf, daß ei-
neſolche Verſtoßung
, (abdicatio ſcilicet ea) welche
die Griechen ἀποκηρυξις nennen, von den roͤ-
miſchen Geſetzen, nach deren Vorſchrift doch
alle legitime Handlungen der roͤm. Buͤrger,
ohne Unterſchied ihres Wohnorts, vollzogen
werden muͤſſen, nicht gebilliget, und daher
auch fuͤr rechtmaͤſig nicht zu halten ſey
. Dieß
iſt die ganz natuͤrliche Erklaͤrung des Geſetzes, fuͤr deren
Richtigkeit die Worte des Reſcripts ſelbſt buͤrgen. Da
indeſſen noch alles darauf ankommt, was bey den Griechen
ἀποκηρυζις eigentlich geweſen, und welche rechtliche Wir-
kungen dieſe Handlung gehabt habe? ſo iſt es noͤthig,
hiervon zur Erlaͤuterung noch etwas hinzuzufuͤgen. Diejeni-
ge Verſtoßung der Kinder, welche bey den Griechen
ἀποκηρυξις genennet wurde, war eine feyerliche Handlung
inter vivos, dadurch der Vater ſeinen ausgearteten
Sohn, der ſich wiederſpenſtig gegen ihn bezeigte, oder
durch liederliche Lebensart der Familie Schande machte,
von ſich und aus dem vaͤterlichen Haus entfernte, und
ihn von nun an nicht mehr vor ſein Kind erkannte 85).
Es war bey den Athenienſern ein ausdruͤckliches Geſetz,
welches denen Vaͤtern ein ſolches Recht verſtattete 86).
Nur durfte dieſe Abdication nicht ohne eine recht-
maͤßige Urſache geſchehen 87), dahero entweder vor Ge-

richt
85) S. Breuning cit. Diſſ. Cap. III. et IV.
86) Τοὺς γονέας κύριȣς εἶναι ἀποκηρύζαι: Parentibus liberos
abdicare ius eſto.
87) lucianus in Abdicato. plato de Legibus lib. XI. liba-
nius
in Declamat. XXXVI.
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nen
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[364/0378] 1. Buch. 7. Tit. §. 160. der Buͤrger waͤren mitgetheilet worden, noch eine Hand- lungsart guͤltig ſeyn koͤnne, die nur bey den Griechen gewoͤhnlich, denen roͤmiſchen Geſetzen aber gar nicht an- gemeſſen ſey? Die Kaiſer reſcribiren hierauf, daß ei- neſolche Verſtoßung, (abdicatio ſcilicet ea) welche die Griechen ἀποκηρυξις nennen, von den roͤ- miſchen Geſetzen, nach deren Vorſchrift doch alle legitime Handlungen der roͤm. Buͤrger, ohne Unterſchied ihres Wohnorts, vollzogen werden muͤſſen, nicht gebilliget, und daher auch fuͤr rechtmaͤſig nicht zu halten ſey. Dieß iſt die ganz natuͤrliche Erklaͤrung des Geſetzes, fuͤr deren Richtigkeit die Worte des Reſcripts ſelbſt buͤrgen. Da indeſſen noch alles darauf ankommt, was bey den Griechen ἀποκηρυζις eigentlich geweſen, und welche rechtliche Wir- kungen dieſe Handlung gehabt habe? ſo iſt es noͤthig, hiervon zur Erlaͤuterung noch etwas hinzuzufuͤgen. Diejeni- ge Verſtoßung der Kinder, welche bey den Griechen ἀποκηρυξις genennet wurde, war eine feyerliche Handlung inter vivos, dadurch der Vater ſeinen ausgearteten Sohn, der ſich wiederſpenſtig gegen ihn bezeigte, oder durch liederliche Lebensart der Familie Schande machte, von ſich und aus dem vaͤterlichen Haus entfernte, und ihn von nun an nicht mehr vor ſein Kind erkannte 85). Es war bey den Athenienſern ein ausdruͤckliches Geſetz, welches denen Vaͤtern ein ſolches Recht verſtattete 86). Nur durfte dieſe Abdication nicht ohne eine recht- maͤßige Urſache geſchehen 87), dahero entweder vor Ge- richt 85) S. Breuning cit. Diſſ. Cap. III. et IV. 86) Τοὺς γονέας κύριȣς εἶναι ἀποκηρύζαι: Parentibus liberos abdicare ius eſto. 87) lucianus in Abdicato. plato de Legibus lib. XI. liba- nius in Declamat. XXXVI. welcher letztere einen verſtoße- nen

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/378>, abgerufen am 23.11.2024.