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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 7. Tit. §. 161.
nen Kindern mit dem Geist der teutschen Sitten nicht
wohl vertrage, nach welchen dem Vater nie ein solches
Eigenthum über seine Kinder zugestanden, als die rö-
mischen Gesetze demselben ei[nr]äumen 28), mithin, um
den Verträgen der Eltern mit ihren Kindern eine ver-
bindliche Kraft zu verschaffen, eine besondere Emanci-
pation eigentlich nicht nöthig ist, so halte ich doch da-
für, daß man wohl thue, wenn man diese Handlung, da
sie von vielen grossen Rechtsgelehrten auch noch zu un-
sern Zeiten für nothwendig gehalten wird 29), um künf-
tigen Steitigkeiten vorzubeugen, nicht verabsäumet 30).
Ich habe hierbey noch zweyerley zu bemerken:

I) Daß ein Vater seinen Sohn wegen solcher Hand-
lungen allein der väterlichen Gewalt nicht entlassen könne,
welche zu ihrer Gültigkeit den fortdaurenden und unun-
terbrochenen Zustand eines Paterfamilias erfordern. So
z. B. kann der Sohn nicht blos zur Testamentser-
richtung
allein emancipirt werden 31). Denn es ist
bekannt 32), daß, wenn ein Testament bis auf den Tod des
Testirers bey seiner Kraft und Gültigkeit erhalten werden
soll, es nicht hinreichend sey, daß der Erblasser zur Zeit
der Errichtung desselben ein von der väterlichen Gewalt
freyer Mensch gewesen ist, sondern er muß von diesem

Zeit-
28) S. engau Elem. iur. germ. Lib. I. Tit. X. membr. 1.
29) ludolf Obs. for. T. II. Obs. 165. Moser im teutschen
Staatsrecht Theil XXII. p. 431.
30) Eben dieser Meinung sind gundling in Prot. Digestor.
Lib. I. Tit. VII. §. 10. pag.
93. und Struben in den recht-
lichen Bedenken 2. Theil Bed. 68. S. 254. ff.
31) de berger in Oeconom. Iuris Lib. I. Tit. III. §. 16.
32) §. 4. I. quib. mod. testam. infirm. L. 6. §. 5. D. de iniust-
rupto et irrite testam.

1. Buch. 7. Tit. §. 161.
nen Kindern mit dem Geiſt der teutſchen Sitten nicht
wohl vertrage, nach welchen dem Vater nie ein ſolches
Eigenthum uͤber ſeine Kinder zugeſtanden, als die roͤ-
miſchen Geſetze demſelben ei[nr]aͤumen 28), mithin, um
den Vertraͤgen der Eltern mit ihren Kindern eine ver-
bindliche Kraft zu verſchaffen, eine beſondere Emanci-
pation eigentlich nicht noͤthig iſt, ſo halte ich doch da-
fuͤr, daß man wohl thue, wenn man dieſe Handlung, da
ſie von vielen groſſen Rechtsgelehrten auch noch zu un-
ſern Zeiten fuͤr nothwendig gehalten wird 29), um kuͤnf-
tigen Steitigkeiten vorzubeugen, nicht verabſaͤumet 30).
Ich habe hierbey noch zweyerley zu bemerken:

I) Daß ein Vater ſeinen Sohn wegen ſolcher Hand-
lungen allein der vaͤterlichen Gewalt nicht entlaſſen koͤnne,
welche zu ihrer Guͤltigkeit den fortdaurenden und unun-
terbrochenen Zuſtand eines Paterfamilias erfordern. So
z. B. kann der Sohn nicht blos zur Teſtamentser-
richtung
allein emancipirt werden 31). Denn es iſt
bekannt 32), daß, wenn ein Teſtament bis auf den Tod des
Teſtirers bey ſeiner Kraft und Guͤltigkeit erhalten werden
ſoll, es nicht hinreichend ſey, daß der Erblaſſer zur Zeit
der Errichtung deſſelben ein von der vaͤterlichen Gewalt
freyer Menſch geweſen iſt, ſondern er muß von dieſem

Zeit-
28) S. engau Elem. iur. germ. Lib. I. Tit. X. membr. 1.
29) ludolf Obſ. for. T. II. Obſ. 165. Moſer im teutſchen
Staatsrecht Theil XXII. p. 431.
30) Eben dieſer Meinung ſind gundling in Prot. Digeſtor.
Lib. I. Tit. VII. §. 10. pag.
93. und Struben in den recht-
lichen Bedenken 2. Theil Bed. 68. S. 254. ff.
31) de berger in Oeconom. Iuris Lib. I. Tit. III. §. 16.
32) §. 4. I. quib. mod. teſtam. infirm. L. 6. §. 5. D. de iniuſt-
rupto et irrite teſtam.
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[378/0392] 1. Buch. 7. Tit. §. 161. nen Kindern mit dem Geiſt der teutſchen Sitten nicht wohl vertrage, nach welchen dem Vater nie ein ſolches Eigenthum uͤber ſeine Kinder zugeſtanden, als die roͤ- miſchen Geſetze demſelben einraͤumen 28), mithin, um den Vertraͤgen der Eltern mit ihren Kindern eine ver- bindliche Kraft zu verſchaffen, eine beſondere Emanci- pation eigentlich nicht noͤthig iſt, ſo halte ich doch da- fuͤr, daß man wohl thue, wenn man dieſe Handlung, da ſie von vielen groſſen Rechtsgelehrten auch noch zu un- ſern Zeiten fuͤr nothwendig gehalten wird 29), um kuͤnf- tigen Steitigkeiten vorzubeugen, nicht verabſaͤumet 30). Ich habe hierbey noch zweyerley zu bemerken: I) Daß ein Vater ſeinen Sohn wegen ſolcher Hand- lungen allein der vaͤterlichen Gewalt nicht entlaſſen koͤnne, welche zu ihrer Guͤltigkeit den fortdaurenden und unun- terbrochenen Zuſtand eines Paterfamilias erfordern. So z. B. kann der Sohn nicht blos zur Teſtamentser- richtung allein emancipirt werden 31). Denn es iſt bekannt 32), daß, wenn ein Teſtament bis auf den Tod des Teſtirers bey ſeiner Kraft und Guͤltigkeit erhalten werden ſoll, es nicht hinreichend ſey, daß der Erblaſſer zur Zeit der Errichtung deſſelben ein von der vaͤterlichen Gewalt freyer Menſch geweſen iſt, ſondern er muß von dieſem Zeit- 28) S. engau Elem. iur. germ. Lib. I. Tit. X. membr. 1. 29) ludolf Obſ. for. T. II. Obſ. 165. Moſer im teutſchen Staatsrecht Theil XXII. p. 431. 30) Eben dieſer Meinung ſind gundling in Prot. Digeſtor. Lib. I. Tit. VII. §. 10. pag. 93. und Struben in den recht- lichen Bedenken 2. Theil Bed. 68. S. 254. ff. 31) de berger in Oeconom. Iuris Lib. I. Tit. III. §. 16. 32) §. 4. I. quib. mod. teſtam. infirm. L. 6. §. 5. D. de iniuſt- rupto et irrite teſtam.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/392>, abgerufen am 20.05.2024.