§. 162. Wirkungen der aufgehobenen väterlichen Gewalt.
Die Wirkungen, die durch Aufhebung der bürger- lichen väterlichen Gewalt hervorgebracht werden, sind theils solche, die in einem jeden Fall eintreten, ohne Unterschied der Art, wie die väterliche Gewalt aufgehoben wird, wir können sie gemeine Wirkungen nennen; theils sol- che, die in einer besondern Art der Erlöschung ihren Grund haben, besondere Wirkungen.
I) Gemeine Wirkungen sind folgende. Die Kinder werden dadurch sui iuris, und erlangen die Rech- te eines Paterfamilias Sie können daher, wenn sie nur das erforderliche Alter haben, selbst ein Testament machen, können nunmehr ohne Einwilligung des Vaters auf eine gültige Art Schulden kontrahiren, und zur Be- zahlung derselben angehalten werden, ohne sich mit dem SCtum Macedonianum weiter schützen zu dürfen Die Herrschaft der Eltern, die häuslichen Dienste, die Be- nutzung des eigenen Vermögens der Kinder hört gleich- falls auf. Das gewaltfreye Kind kann sein Muttergut dem Vater abfordern, und ihn zu dessen Ablieferung mit Recht nöthigen. Hat der Vater Mobilien und Effecten des Kindes in Verwahrung gehabt, so muß das Kind solche vollständig zurück erhalten. Sind sie nicht mehr vorhanden, oder durch den Gebrauch abgenutzt, so muß dem Kinde der wahre Werth vergütet werden. Dieser wahre Werth wird nach dem Zeitpunkte bestimmt, wo die Mobilien in des Vaters Gewahrsam gekommen sind. Der Sohn genießt von nun an die Rechte eines freyen Bürgers, er kann nun nach eigenem Gefallen sein Gewer- be modificiren, und auch der Schritt zum ehelichen Le- ben muß von seiner eigenen freyen Wahl abhangen. Zwar
wird
1. Buch. 7. Tit. §. 162.
§. 162. Wirkungen der aufgehobenen vaͤterlichen Gewalt.
Die Wirkungen, die durch Aufhebung der buͤrger- lichen vaͤterlichen Gewalt hervorgebracht werden, ſind theils ſolche, die in einem jeden Fall eintreten, ohne Unterſchied der Art, wie die vaͤterliche Gewalt aufgehoben wird, wir koͤnnen ſie gemeine Wirkungen nennen; theils ſol- che, die in einer beſondern Art der Erloͤſchung ihren Grund haben, beſondere Wirkungen.
I) Gemeine Wirkungen ſind folgende. Die Kinder werden dadurch ſui iuris, und erlangen die Rech- te eines Paterfamilias Sie koͤnnen daher, wenn ſie nur das erforderliche Alter haben, ſelbſt ein Teſtament machen, koͤnnen nunmehr ohne Einwilligung des Vaters auf eine guͤltige Art Schulden kontrahiren, und zur Be- zahlung derſelben angehalten werden, ohne ſich mit dem SCtum Macedonianum weiter ſchuͤtzen zu duͤrfen Die Herrſchaft der Eltern, die haͤuslichen Dienſte, die Be- nutzung des eigenen Vermoͤgens der Kinder hoͤrt gleich- falls auf. Das gewaltfreye Kind kann ſein Muttergut dem Vater abfordern, und ihn zu deſſen Ablieferung mit Recht noͤthigen. Hat der Vater Mobilien und Effecten des Kindes in Verwahrung gehabt, ſo muß das Kind ſolche vollſtaͤndig zuruͤck erhalten. Sind ſie nicht mehr vorhanden, oder durch den Gebrauch abgenutzt, ſo muß dem Kinde der wahre Werth verguͤtet werden. Dieſer wahre Werth wird nach dem Zeitpunkte beſtimmt, wo die Mobilien in des Vaters Gewahrſam gekommen ſind. Der Sohn genießt von nun an die Rechte eines freyen Buͤrgers, er kann nun nach eigenem Gefallen ſein Gewer- be modificiren, und auch der Schritt zum ehelichen Le- ben muß von ſeiner eigenen freyen Wahl abhangen. Zwar
wird
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0408"n="394"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#fr">1. Buch. 7. Tit. §. 162.</hi></fw><lb/><divn="2"><head>§. 162.<lb/>
Wirkungen der aufgehobenen vaͤterlichen Gewalt.</head><lb/><p>Die Wirkungen, die durch Aufhebung der buͤrger-<lb/>
lichen vaͤterlichen Gewalt hervorgebracht werden, ſind theils<lb/>ſolche, die in einem jeden Fall eintreten, ohne Unterſchied<lb/>
der Art, wie die vaͤterliche Gewalt aufgehoben wird, wir<lb/>
koͤnnen ſie <hirendition="#g">gemeine Wirkungen</hi> nennen; theils ſol-<lb/>
che, die in einer beſondern Art der Erloͤſchung ihren<lb/>
Grund haben, <hirendition="#g">beſondere Wirkungen</hi>.</p><lb/><p><hirendition="#aq">I</hi>) <hirendition="#fr">Gemeine Wirkungen</hi>ſind folgende. Die<lb/>
Kinder werden dadurch <hirendition="#aq">ſui iuris,</hi> und erlangen die Rech-<lb/>
te eines Paterfamilias Sie koͤnnen daher, wenn ſie<lb/>
nur das erforderliche Alter haben, ſelbſt ein Teſtament<lb/>
machen, koͤnnen nunmehr ohne Einwilligung des Vaters<lb/>
auf eine guͤltige Art Schulden kontrahiren, und zur Be-<lb/>
zahlung derſelben angehalten werden, ohne ſich mit dem<lb/><hirendition="#aq">SCtum Macedonianum</hi> weiter ſchuͤtzen zu duͤrfen Die<lb/>
Herrſchaft der Eltern, die haͤuslichen Dienſte, die Be-<lb/>
nutzung des eigenen Vermoͤgens der Kinder hoͤrt gleich-<lb/>
falls auf. Das gewaltfreye Kind kann ſein Muttergut<lb/>
dem Vater abfordern, und ihn zu deſſen Ablieferung mit<lb/>
Recht noͤthigen. Hat der Vater Mobilien und Effecten<lb/>
des Kindes in Verwahrung gehabt, ſo muß das Kind<lb/>ſolche vollſtaͤndig zuruͤck erhalten. Sind ſie nicht mehr<lb/>
vorhanden, oder durch den Gebrauch abgenutzt, ſo muß<lb/>
dem Kinde der wahre Werth verguͤtet werden. Dieſer<lb/>
wahre Werth wird nach dem Zeitpunkte beſtimmt, wo<lb/>
die Mobilien in des Vaters Gewahrſam gekommen ſind.<lb/>
Der Sohn genießt von nun an die Rechte eines freyen<lb/>
Buͤrgers, er kann nun nach eigenem Gefallen ſein Gewer-<lb/>
be modificiren, und auch der Schritt zum ehelichen Le-<lb/>
ben muß von ſeiner eigenen freyen Wahl abhangen. Zwar<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wird</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[394/0408]
1. Buch. 7. Tit. §. 162.
§. 162.
Wirkungen der aufgehobenen vaͤterlichen Gewalt.
Die Wirkungen, die durch Aufhebung der buͤrger-
lichen vaͤterlichen Gewalt hervorgebracht werden, ſind theils
ſolche, die in einem jeden Fall eintreten, ohne Unterſchied
der Art, wie die vaͤterliche Gewalt aufgehoben wird, wir
koͤnnen ſie gemeine Wirkungen nennen; theils ſol-
che, die in einer beſondern Art der Erloͤſchung ihren
Grund haben, beſondere Wirkungen.
I) Gemeine Wirkungen ſind folgende. Die
Kinder werden dadurch ſui iuris, und erlangen die Rech-
te eines Paterfamilias Sie koͤnnen daher, wenn ſie
nur das erforderliche Alter haben, ſelbſt ein Teſtament
machen, koͤnnen nunmehr ohne Einwilligung des Vaters
auf eine guͤltige Art Schulden kontrahiren, und zur Be-
zahlung derſelben angehalten werden, ohne ſich mit dem
SCtum Macedonianum weiter ſchuͤtzen zu duͤrfen Die
Herrſchaft der Eltern, die haͤuslichen Dienſte, die Be-
nutzung des eigenen Vermoͤgens der Kinder hoͤrt gleich-
falls auf. Das gewaltfreye Kind kann ſein Muttergut
dem Vater abfordern, und ihn zu deſſen Ablieferung mit
Recht noͤthigen. Hat der Vater Mobilien und Effecten
des Kindes in Verwahrung gehabt, ſo muß das Kind
ſolche vollſtaͤndig zuruͤck erhalten. Sind ſie nicht mehr
vorhanden, oder durch den Gebrauch abgenutzt, ſo muß
dem Kinde der wahre Werth verguͤtet werden. Dieſer
wahre Werth wird nach dem Zeitpunkte beſtimmt, wo
die Mobilien in des Vaters Gewahrſam gekommen ſind.
Der Sohn genießt von nun an die Rechte eines freyen
Buͤrgers, er kann nun nach eigenem Gefallen ſein Gewer-
be modificiren, und auch der Schritt zum ehelichen Le-
ben muß von ſeiner eigenen freyen Wahl abhangen. Zwar
wird
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/408>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.