Was die res sanctas der Römer anbetrift, so erhellet aus dem, was davon schon bey dem vorigen §. gesagt worden ist, daß diese Benennung eine zwiefache Bedeutung gehabt habe. Im weitläuftigen Verstande nannte man res sanctas alle diejenigen Sachen, auf deren Verletzung eine ausserordentliche Strafe gesetzt war, wenn sie auch keiner besondern Gottheit geweihet waren. In dieser Bedeutung rechnete man auch die Stadtthore, Sta- tüen der Kaiser u. a. m. dahin. Allein zu den Zeiten des heidnischen Alterthums verband man damit noch ei- nen gottesdienstlichen Begriff, indem man darunter sol- che Sachen verstand, die denen Schutzgöttern besonders geweihet, und daher im eigentlichen Verstande divini iuris waren. Diese Bedeutung hatte ehemals blos bey den Stadtmauern statt. Ob nun gleich in dem christ- lichen Zeitalter auch bey den Mauern nur die vorhin an- geführte erste Bedeutung einer rei sanctae übrig blieb, so daß daher die Stadtmauern und Thore in unsern Cor- pus Juris überall zusammen gesetzet werden, so hat man doch zu Justinians Zeiten noch manche Sätze unbedacht- sam beybehalten, wovon die dabey vorkommende Sancti- tas nach der religiösen Vorstellung der heidnischen Römer der Grund seyn mochte. Hierher gehört z. B. daß die Verletzung und Uebersteigung der Mauern sogar mit dem Tode bestraft wurde; auch niemand die Mauern ohne Einwilligung des Kaisers oder seines Präses ausbessern durfte 72); Sätze, die zu Justinians Zeiten billig hät- ten aufhören sollen 73).
§. 166.
72)L. 9. §. 4. L. 11. D. h. t.
73) Westphal in dem angef. Buche §. 10.
D d 4
De diviſione rerum et qualitate.
Was die res sanctas der Roͤmer anbetrift, ſo erhellet aus dem, was davon ſchon bey dem vorigen §. geſagt worden iſt, daß dieſe Benennung eine zwiefache Bedeutung gehabt habe. Im weitlaͤuftigen Verſtande nannte man res ſanctas alle diejenigen Sachen, auf deren Verletzung eine auſſerordentliche Strafe geſetzt war, wenn ſie auch keiner beſondern Gottheit geweihet waren. In dieſer Bedeutung rechnete man auch die Stadtthore, Sta- tuͤen der Kaiſer u. a. m. dahin. Allein zu den Zeiten des heidniſchen Alterthums verband man damit noch ei- nen gottesdienſtlichen Begriff, indem man darunter ſol- che Sachen verſtand, die denen Schutzgoͤttern beſonders geweihet, und daher im eigentlichen Verſtande divini iuris waren. Dieſe Bedeutung hatte ehemals blos bey den Stadtmauern ſtatt. Ob nun gleich in dem chriſt- lichen Zeitalter auch bey den Mauern nur die vorhin an- gefuͤhrte erſte Bedeutung einer rei ſanctae uͤbrig blieb, ſo daß daher die Stadtmauern und Thore in unſern Cor- pus Juris uͤberall zuſammen geſetzet werden, ſo hat man doch zu Juſtinians Zeiten noch manche Saͤtze unbedacht- ſam beybehalten, wovon die dabey vorkommende Sancti- tas nach der religioͤſen Vorſtellung der heidniſchen Roͤmer der Grund ſeyn mochte. Hierher gehoͤrt z. B. daß die Verletzung und Ueberſteigung der Mauern ſogar mit dem Tode beſtraft wurde; auch niemand die Mauern ohne Einwilligung des Kaiſers oder ſeines Praͤſes ausbeſſern durfte 72); Saͤtze, die zu Juſtinians Zeiten billig haͤt- ten aufhoͤren ſollen 73).
§. 166.
72)L. 9. §. 4. L. 11. D. h. t.
73) Weſtphal in dem angef. Buche §. 10.
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De diviſione rerum et qualitate.
Was die res sanctas der Roͤmer anbetrift, ſo
erhellet aus dem, was davon ſchon bey dem vorigen §.
geſagt worden iſt, daß dieſe Benennung eine zwiefache
Bedeutung gehabt habe. Im weitlaͤuftigen Verſtande
nannte man res ſanctas alle diejenigen Sachen, auf deren
Verletzung eine auſſerordentliche Strafe geſetzt war, wenn
ſie auch keiner beſondern Gottheit geweihet waren. In
dieſer Bedeutung rechnete man auch die Stadtthore, Sta-
tuͤen der Kaiſer u. a. m. dahin. Allein zu den Zeiten
des heidniſchen Alterthums verband man damit noch ei-
nen gottesdienſtlichen Begriff, indem man darunter ſol-
che Sachen verſtand, die denen Schutzgoͤttern beſonders
geweihet, und daher im eigentlichen Verſtande divini
iuris waren. Dieſe Bedeutung hatte ehemals blos bey
den Stadtmauern ſtatt. Ob nun gleich in dem chriſt-
lichen Zeitalter auch bey den Mauern nur die vorhin an-
gefuͤhrte erſte Bedeutung einer rei ſanctae uͤbrig blieb,
ſo daß daher die Stadtmauern und Thore in unſern Cor-
pus Juris uͤberall zuſammen geſetzet werden, ſo hat man
doch zu Juſtinians Zeiten noch manche Saͤtze unbedacht-
ſam beybehalten, wovon die dabey vorkommende Sancti-
tas nach der religioͤſen Vorſtellung der heidniſchen Roͤmer
der Grund ſeyn mochte. Hierher gehoͤrt z. B. daß die
Verletzung und Ueberſteigung der Mauern ſogar mit dem
Tode beſtraft wurde; auch niemand die Mauern ohne
Einwilligung des Kaiſers oder ſeines Praͤſes ausbeſſern
durfte 72); Saͤtze, die zu Juſtinians Zeiten billig haͤt-
ten aufhoͤren ſollen 73).
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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/437>, abgerufen am 23.11.2024.
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