Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.De divisione rerum et qualitate. Dienste des Sclaven geschiehet. Zwar hat der Sclavedie Sache physisch in seiner Gewalt, zu einem eigentli- chen Besitze aber wird, ausser der Absicht zu besitzen, auch die körperliche Detention der Sache erfordert. Al- lein die Gesetze nehmen hier vermöge einer Fiction an, daß derjenige, welcher den Sclaven im eigentlichen Verstande besitzt, d. i. ihn nicht nur animo sondern auch corpore in seiner Gewalt hat, zugleich auch dieje- nigen Sachen körperlich detinire, welche der Sklave in Händen hat. Papinian sagt es selbst an einem andern Orte 24): Corpore servi caeteras quoque res possidere pos- sumus. Sonach hat also der vom Papinian in unserer Stelle angeführte erstere Entscheidungsgrund: quod na- turaliter a fructuario, servus nempe, teneatur, sei- ne vollkommene Richtigkeit, wenn gleich Bartholomaeus chesius 25) demselben kein sonderliches Gewicht beylegen will. 24) L. 47. D. de acquir. vel amitt. possess. 25) in Differentiis Iuris Cap. XCIX. n. 5. (in Iurisprud. Rom. et Attica cura heineccii edit. Tom. II. col. 894.) chesius behauptet daselbst, daß der Usufructuar durch den Sclaven nicht wegen physischer Detention desselben den Besitz erwerbe, sondern wegen des Nutzungsrechts, was jener an dem Scla- ven hat. Dieß sucht er dadurch zu beweisen, weil der Usu- fructuar den Besitz auch eben so gut durch den Sclaven erwer- ben könne, wenn ihm gleich derselbe davon gegangen wäre. So habe wenigstens Paulus respondirt. L. 1. §. 8. D. de acquir. possess. Per eum, in quo usumfructum habemus, pos- sidere possumus: sicut ex operis suis acquirere nobis solet. Nec ad rem pertinet, quod ipsum non possidemus. Blos in Rücksicht des Nießbrauchs, den der Usufructuar durch die Entweichung des Sclavens nicht verliehrt, hätten also, meint chesius, die Gesetze verordnet, daß der Usufructuar auch durch einen entflohenen Sclaven den Besitz erwerben könne. Allein diese Erklärung scheint mir ganz irrig zu seyn. Denn wenn L l 5
De diviſione rerum et qualitate. Dienſte des Sclaven geſchiehet. Zwar hat der Sclavedie Sache phyſiſch in ſeiner Gewalt, zu einem eigentli- chen Beſitze aber wird, auſſer der Abſicht zu beſitzen, auch die koͤrperliche Detention der Sache erfordert. Al- lein die Geſetze nehmen hier vermoͤge einer Fiction an, daß derjenige, welcher den Sclaven im eigentlichen Verſtande beſitzt, d. i. ihn nicht nur animo ſondern auch corpore in ſeiner Gewalt hat, zugleich auch dieje- nigen Sachen koͤrperlich detinire, welche der Sklave in Haͤnden hat. Papinian ſagt es ſelbſt an einem andern Orte 24): Corpore ſervi caeteras quoque res poſſidere poſ- ſumus. Sonach hat alſo der vom Papinian in unſerer Stelle angefuͤhrte erſtere Entſcheidungsgrund: quod na- turaliter a fructuario, ſervus nempe, teneatur, ſei- ne vollkommene Richtigkeit, wenn gleich Bartholomaeus chesius 25) demſelben kein ſonderliches Gewicht beylegen will. 24) L. 47. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. 25) in Differentiis Iuris Cap. XCIX. n. 5. (in Iurisprud. Rom. et Attica cura heineccii edit. Tom. II. col. 894.) chesius behauptet daſelbſt, daß der Uſufructuar durch den Sclaven nicht wegen phyſiſcher Detention deſſelben den Beſitz erwerbe, ſondern wegen des Nutzungsrechts, was jener an dem Scla- ven hat. Dieß ſucht er dadurch zu beweiſen, weil der Uſu- fructuar den Beſitz auch eben ſo gut durch den Sclaven erwer- ben koͤnne, wenn ihm gleich derſelbe davon gegangen waͤre. So habe wenigſtens Paulus reſpondirt. L. 1. §. 8. D. de acquir. poſſeſſ. Per eum, in quo uſumfructum habemus, poſ- ſidere poſſumus: ſicut ex operis ſuis acquirere nobis ſolet. Nec ad rem pertinet, quod ipſum non poſſidemus. Blos in Ruͤckſicht des Nießbrauchs, den der Uſufructuar durch die Entweichung des Sclavens nicht verliehrt, haͤtten alſo, meint chesius, die Geſetze verordnet, daß der Uſufructuar auch durch einen entflohenen Sclaven den Beſitz erwerben koͤnne. Allein dieſe Erklaͤrung ſcheint mir ganz irrig zu ſeyn. Denn wenn L l 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0543" n="529"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">De diviſione rerum et qualitate.</hi></fw><lb/> Dienſte des Sclaven geſchiehet. Zwar hat der Sclave<lb/> die Sache phyſiſch in ſeiner Gewalt, zu einem eigentli-<lb/> chen Beſitze aber wird, auſſer der Abſicht zu beſitzen,<lb/> auch die koͤrperliche Detention der Sache erfordert. Al-<lb/> lein die Geſetze nehmen hier vermoͤge einer Fiction<lb/> an, daß derjenige, welcher den Sclaven im eigentlichen<lb/> Verſtande beſitzt, d. i. ihn nicht nur <hi rendition="#aq">animo</hi> ſondern<lb/> auch <hi rendition="#aq">corpore</hi> in ſeiner Gewalt hat, zugleich auch dieje-<lb/> nigen Sachen koͤrperlich detinire, welche der Sklave in<lb/> Haͤnden hat. <hi rendition="#fr">Papinian</hi> ſagt es ſelbſt an einem andern<lb/> Orte <note place="foot" n="24)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 47. <hi rendition="#i">D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ.</hi></hi></note>: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Corpore ſervi caeteras quoque res poſſidere poſ-<lb/> ſumus.</hi></hi> Sonach hat alſo der vom <hi rendition="#fr">Papinian</hi> in unſerer<lb/> Stelle angefuͤhrte erſtere Entſcheidungsgrund: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">quod</hi><hi rendition="#k">na-<lb/> turaliter</hi><hi rendition="#i">a fructuario</hi>, ſervus nempe, <hi rendition="#i">teneatur</hi>,</hi> ſei-<lb/> ne vollkommene Richtigkeit, wenn gleich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Bartholomaeus</hi><lb/><hi rendition="#k">chesius</hi></hi> <note xml:id="seg2pn_79_1" next="#seg2pn_79_2" place="foot" n="25)"><hi rendition="#aq">in Differentiis Iuris Cap. XCIX. n. 5. (<hi rendition="#i">in Iurisprud. Rom.<lb/> et Attica cura</hi> <hi rendition="#k">heineccii</hi> <hi rendition="#i">edit. Tom. II. col.</hi> 894.<hi rendition="#i">)</hi> <hi rendition="#k">chesius</hi></hi><lb/> behauptet daſelbſt, daß der Uſufructuar durch den Sclaven<lb/> nicht wegen phyſiſcher Detention deſſelben den Beſitz erwerbe,<lb/> ſondern wegen des Nutzungsrechts, was jener an dem Scla-<lb/> ven hat. Dieß ſucht er dadurch zu beweiſen, weil der Uſu-<lb/> fructuar den Beſitz auch eben ſo gut durch den Sclaven erwer-<lb/> ben koͤnne, wenn ihm gleich derſelbe davon gegangen waͤre.<lb/> So habe wenigſtens <hi rendition="#g">Paulus</hi> reſpondirt. <hi rendition="#aq">L. 1. §. 8. <hi rendition="#i">D. de<lb/> acquir. poſſeſſ.</hi> Per eum, in quo uſumfructum habemus, poſ-<lb/> ſidere poſſumus: ſicut ex operis ſuis acquirere nobis ſolet.<lb/> Nec ad rem pertinet, <hi rendition="#i">quod ipſum non poſſidemus.</hi></hi> Blos in<lb/> Ruͤckſicht des Nießbrauchs, den der Uſufructuar durch die<lb/> Entweichung des Sclavens nicht verliehrt, haͤtten alſo, meint<lb/><hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">chesius,</hi></hi> die Geſetze verordnet, daß der Uſufructuar auch<lb/> durch einen entflohenen Sclaven den Beſitz erwerben koͤnne.<lb/> Allein dieſe Erklaͤrung ſcheint mir ganz irrig zu ſeyn. Denn<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wenn</fw></note> demſelben kein ſonderliches Gewicht beylegen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">L l 5</fw><fw place="bottom" type="catch">will.</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [529/0543]
De diviſione rerum et qualitate.
Dienſte des Sclaven geſchiehet. Zwar hat der Sclave
die Sache phyſiſch in ſeiner Gewalt, zu einem eigentli-
chen Beſitze aber wird, auſſer der Abſicht zu beſitzen,
auch die koͤrperliche Detention der Sache erfordert. Al-
lein die Geſetze nehmen hier vermoͤge einer Fiction
an, daß derjenige, welcher den Sclaven im eigentlichen
Verſtande beſitzt, d. i. ihn nicht nur animo ſondern
auch corpore in ſeiner Gewalt hat, zugleich auch dieje-
nigen Sachen koͤrperlich detinire, welche der Sklave in
Haͤnden hat. Papinian ſagt es ſelbſt an einem andern
Orte 24): Corpore ſervi caeteras quoque res poſſidere poſ-
ſumus. Sonach hat alſo der vom Papinian in unſerer
Stelle angefuͤhrte erſtere Entſcheidungsgrund: quod na-
turaliter a fructuario, ſervus nempe, teneatur, ſei-
ne vollkommene Richtigkeit, wenn gleich Bartholomaeus
chesius 25) demſelben kein ſonderliches Gewicht beylegen
will.
24) L. 47. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ.
25) in Differentiis Iuris Cap. XCIX. n. 5. (in Iurisprud. Rom.
et Attica cura heineccii edit. Tom. II. col. 894.) chesius
behauptet daſelbſt, daß der Uſufructuar durch den Sclaven
nicht wegen phyſiſcher Detention deſſelben den Beſitz erwerbe,
ſondern wegen des Nutzungsrechts, was jener an dem Scla-
ven hat. Dieß ſucht er dadurch zu beweiſen, weil der Uſu-
fructuar den Beſitz auch eben ſo gut durch den Sclaven erwer-
ben koͤnne, wenn ihm gleich derſelbe davon gegangen waͤre.
So habe wenigſtens Paulus reſpondirt. L. 1. §. 8. D. de
acquir. poſſeſſ. Per eum, in quo uſumfructum habemus, poſ-
ſidere poſſumus: ſicut ex operis ſuis acquirere nobis ſolet.
Nec ad rem pertinet, quod ipſum non poſſidemus. Blos in
Ruͤckſicht des Nießbrauchs, den der Uſufructuar durch die
Entweichung des Sclavens nicht verliehrt, haͤtten alſo, meint
chesius, die Geſetze verordnet, daß der Uſufructuar auch
durch einen entflohenen Sclaven den Beſitz erwerben koͤnne.
Allein dieſe Erklaͤrung ſcheint mir ganz irrig zu ſeyn. Denn
wenn
L l 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |