Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.De divisione rerum et qualitate. (si non contrectaveris) Diesen Satz bringt die Na-tur des Diebstahls mit sich, weil ohne thätige Vergreif- fung (sine contrectatione) kein Diebstahl denkbar ist 67). Endlich III) ein dritter Grund, aus welchem die Gesetze dem 1) daß ein freyer Mensch, so lange er einem an- ani- Sache vergreifen, sie diebischer Weise von ih- rem Orte und Stelle wegnehmen. Dieß kann auch geschehen, wenn der Depositar den ihm in Verwahrung gegebenen versiegelten Beutel mit Gelde erbricht, und das Geld unter das seinige thut. 67) So war es also nöthig, wegen der Natur des Diebstahls eine Regel, die sonst in der Natur des Besitzes selbst gegrün- det ist, einzuschränken, nämlich: solo animo nos posse incipere possidere, si naturalis possessio an- tecedat: L. 3. §. 3. D. de Acquir. Possess. L. 9. §. ult. D. de Reb. Credit. L. 9. §. 5. D. de Acquir. rer. domin. Conf. Cuperus select. Observat. cit. P. I. Cap. VI. Class. II. Aphorism. 28. not. 74. et chesius Interpretat. Iur. Lib. I. cap. XXXVI. M m 5
De diviſione rerum et qualitate. (ſi non contrectaveris) Dieſen Satz bringt die Na-tur des Diebſtahls mit ſich, weil ohne thaͤtige Vergreif- fung (ſine contrectatione) kein Diebſtahl denkbar iſt 67). Endlich III) ein dritter Grund, aus welchem die Geſetze dem 1) daß ein freyer Menſch, ſo lange er einem an- ani- Sache vergreifen, ſie diebiſcher Weiſe von ih- rem Orte und Stelle wegnehmen. Dieß kann auch geſchehen, wenn der Depoſitar den ihm in Verwahrung gegebenen verſiegelten Beutel mit Gelde erbricht, und das Geld unter das ſeinige thut. 67) So war es alſo noͤthig, wegen der Natur des Diebſtahls eine Regel, die ſonſt in der Natur des Beſitzes ſelbſt gegruͤn- det iſt, einzuſchraͤnken, naͤmlich: ſolo animo nos poſſe incipere poſſidere, ſi naturalis poſſeſſio an- tecedat: L. 3. §. 3. D. de Acquir. Poſſeſſ. L. 9. §. ult. D. de Reb. Credit. L. 9. §. 5. D. de Acquir. rer. domin. Conf. Cuperus ſelect. Obſervat. cit. P. I. Cap. VI. Claſſ. II. Aphorism. 28. not. 74. et chesius Interpretat. Iur. Lib. I. cap. XXXVI. M m 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0559" n="545"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">De diviſione rerum et qualitate.</hi></fw><lb/> (<hi rendition="#aq">ſi non contrectaveris</hi>) Dieſen Satz bringt die Na-<lb/> tur des Diebſtahls mit ſich, weil ohne thaͤtige Vergreif-<lb/> fung (<hi rendition="#aq">ſine contrectatione</hi>) kein Diebſtahl denkbar iſt <note place="foot" n="67)">So war es alſo noͤthig, wegen der Natur des Diebſtahls<lb/> eine Regel, die ſonſt in der Natur des Beſitzes ſelbſt gegruͤn-<lb/> det iſt, einzuſchraͤnken, naͤmlich: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ſolo animo nos poſſe<lb/> incipere poſſidere, ſi naturalis poſſeſſio an-<lb/> tecedat</hi>: <hi rendition="#i">L. 3. §. 3. D. de Acquir. Poſſeſſ. L. 9. §. ult.<lb/> D. de Reb. Credit. L. 9. §. 5. D. de Acquir. rer. domin.</hi><lb/> Conf. <hi rendition="#k">Cuperus</hi> ſelect. Obſervat. cit. P. I. Cap. VI. Claſſ. II.<lb/> Aphorism. 28. not. 74. et <hi rendition="#k">chesius</hi> Interpretat. Iur. Lib. I.<lb/> cap. XXXVI.</hi></note>.</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Endlich</hi> </p><lb/> <p><hi rendition="#aq">III</hi>) ein dritter Grund, aus welchem die Geſetze dem<lb/> Beſitz auch manche Eigenſchaften des Rechts beygelegt haben,<lb/> beſtehet darin, <hi rendition="#fr">damit kein Widerſpruch, keine Unge-<lb/> reimtheit unter den einzelnen Saͤtzen, die zu dieſer<lb/> Materie gehoͤren, entſtehe.</hi> Denn es iſt Pflicht der<lb/> Geſetzgebung, nicht nur auf Zuſammenhang einzelner<lb/> Rechtsmaterien mit der ganzen Rechtsdiſciplin zu ſehen,<lb/> ſondern es darf auch innere Analogie unter den einzelnen<lb/> Saͤtzen einerley Materie nicht fehlen. Hieraus laͤßt ſich<lb/> nun ſehr vieles erlaͤutern, was der Beſitz von dem Rechte<lb/> entlehnt hat. Dahin gehoͤrt,</p><lb/> <p>1) daß ein freyer Menſch, ſo lange er einem an-<lb/> maßlichen Herrn als Sklave dient, fuͤr ſich eines eigent-<lb/> lichen buͤrgerlichen Beſitzes nicht faͤhig ſey, weil er keinen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M m 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">ani-</hi></fw><lb/><note xml:id="seg2pn_83_2" prev="#seg2pn_83_1" place="foot" n="66)"><hi rendition="#g">Sache vergreifen, ſie diebiſcher Weiſe von ih-<lb/> rem Orte und Stelle wegnehmen</hi>. Dieß kann<lb/> auch geſchehen, wenn der Depoſitar den ihm in Verwahrung<lb/> gegebenen verſiegelten Beutel mit Gelde erbricht, und das<lb/> Geld unter das ſeinige thut.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [545/0559]
De diviſione rerum et qualitate.
(ſi non contrectaveris) Dieſen Satz bringt die Na-
tur des Diebſtahls mit ſich, weil ohne thaͤtige Vergreif-
fung (ſine contrectatione) kein Diebſtahl denkbar iſt 67).
Endlich
III) ein dritter Grund, aus welchem die Geſetze dem
Beſitz auch manche Eigenſchaften des Rechts beygelegt haben,
beſtehet darin, damit kein Widerſpruch, keine Unge-
reimtheit unter den einzelnen Saͤtzen, die zu dieſer
Materie gehoͤren, entſtehe. Denn es iſt Pflicht der
Geſetzgebung, nicht nur auf Zuſammenhang einzelner
Rechtsmaterien mit der ganzen Rechtsdiſciplin zu ſehen,
ſondern es darf auch innere Analogie unter den einzelnen
Saͤtzen einerley Materie nicht fehlen. Hieraus laͤßt ſich
nun ſehr vieles erlaͤutern, was der Beſitz von dem Rechte
entlehnt hat. Dahin gehoͤrt,
1) daß ein freyer Menſch, ſo lange er einem an-
maßlichen Herrn als Sklave dient, fuͤr ſich eines eigent-
lichen buͤrgerlichen Beſitzes nicht faͤhig ſey, weil er keinen
ani-
66)
67) So war es alſo noͤthig, wegen der Natur des Diebſtahls
eine Regel, die ſonſt in der Natur des Beſitzes ſelbſt gegruͤn-
det iſt, einzuſchraͤnken, naͤmlich: ſolo animo nos poſſe
incipere poſſidere, ſi naturalis poſſeſſio an-
tecedat: L. 3. §. 3. D. de Acquir. Poſſeſſ. L. 9. §. ult.
D. de Reb. Credit. L. 9. §. 5. D. de Acquir. rer. domin.
Conf. Cuperus ſelect. Obſervat. cit. P. I. Cap. VI. Claſſ. II.
Aphorism. 28. not. 74. et chesius Interpretat. Iur. Lib. I.
cap. XXXVI.
66) Sache vergreifen, ſie diebiſcher Weiſe von ih-
rem Orte und Stelle wegnehmen. Dieß kann
auch geſchehen, wenn der Depoſitar den ihm in Verwahrung
gegebenen verſiegelten Beutel mit Gelde erbricht, und das
Geld unter das ſeinige thut.
M m 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |