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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 8. Tit. §. 181.

g) Warum ein Blödsinniger gar nicht, ein Pu-
pill aber nicht ohne Einwilligung des Vormunds den Be-
sitz aufgeben könne 63). Denn hierzu wird Freiheit des
Willens erfordert. Allein ein verstandloser Mensch hat
gar keinen Willen 64). Ein Mündel aber kann wenig-
stens in solchen Sachen, woraus ihm Schaden erwachsen
kann, und wozu Ueberlegung gehört, nichts ohne Einwil-
ligung des Vormunds für sich rechtlich wollen 65).

h) Warum der blose Gedanke, ein zur Verwahrung
erhaltenes Gut abzuläugnen, und solches zu entwenden,
dem Deponenten den Besitz nicht entziehe, so lange sich
der Depositar noch nicht wirklich daran vergriffen hat 66).

(si non
63) L. 27. et 29. D. eodem tit juncta L. 11. D. de Acquir. rer.
Domin.
Vortreflich erklärt diese Stellen Cuper in den an-
geführten Observation. P. II. cap. 37. et 38.
64) L. 40. L. 124. §. 1. D. de Reg. Iur. L. 2. §. 3. D. de
Iure Codicillor.
65) L. 5. L. 189. D. de Reg. Iuris, L. 9. D. de acquir. vel
omitt. heredit.
66) L. 3. §. 18. D. de acquir. vel amitt. possess. Herr Prof.
Westphal in dem öfters angef. System des R. R. über
die Arten der Sachen
etc. §. 191. will unter der Con-
trectation des Depositums
eine Veräusserung dessel-
ben verstehen. Allein das Wort contrectare, oder wie
die Alten auch sagten, attrectare, heißt soviel als mani-
bus tractare, et tangere,
wie es Ios. averanius Interpretat.
Iuris Lib. I. cap. XXVIII. n.
14. erklärt, welcher überhaupt
die L. 3. §. 18. cit. vortreflich erläutert. Paulus selbst er-
klärt sich hierüber schon deutlich genug, wenn er sagt: Sed
si eam loco non moveris.
Eben so erklärt auch Justi-
nian
diesen Ausdruck in §. 6. I. de obligat. quae ex delicto.
Man sehe nach B. brissonius de Verbor. Signif. v. Con-
trectare.
Also heißt contrectare soviel als sich an einer
Sache
1. Buch. 8. Tit. §. 181.

g) Warum ein Bloͤdſinniger gar nicht, ein Pu-
pill aber nicht ohne Einwilligung des Vormunds den Be-
ſitz aufgeben koͤnne 63). Denn hierzu wird Freiheit des
Willens erfordert. Allein ein verſtandloſer Menſch hat
gar keinen Willen 64). Ein Muͤndel aber kann wenig-
ſtens in ſolchen Sachen, woraus ihm Schaden erwachſen
kann, und wozu Ueberlegung gehoͤrt, nichts ohne Einwil-
ligung des Vormunds fuͤr ſich rechtlich wollen 65).

h) Warum der bloſe Gedanke, ein zur Verwahrung
erhaltenes Gut abzulaͤugnen, und ſolches zu entwenden,
dem Deponenten den Beſitz nicht entziehe, ſo lange ſich
der Depoſitar noch nicht wirklich daran vergriffen hat 66).

(ſi non
63) L. 27. et 29. D. eodem tit juncta L. 11. D. de Acquir. rer.
Domin.
Vortreflich erklaͤrt dieſe Stellen Cuper in den an-
gefuͤhrten Obſervation. P. II. cap. 37. et 38.
64) L. 40. L. 124. §. 1. D. de Reg. Iur. L. 2. §. 3. D. de
Iure Codicillor.
65) L. 5. L. 189. D. de Reg. Iuris, L. 9. D. de acquir. vel
omitt. heredit.
66) L. 3. §. 18. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. Herr Prof.
Weſtphal in dem oͤfters angef. Syſtem des R. R. uͤber
die Arten der Sachen
ꝛc. §. 191. will unter der Con-
trectation des Depoſitums
eine Veraͤuſſerung deſſel-
ben verſtehen. Allein das Wort contrectare, oder wie
die Alten auch ſagten, attrectare, heißt ſoviel als mani-
bus tractare, et tangere,
wie es Ioſ. averanius Interpretat.
Iuris Lib. I. cap. XXVIII. n.
14. erklaͤrt, welcher uͤberhaupt
die L. 3. §. 18. cit. vortreflich erlaͤutert. Paulus ſelbſt er-
klaͤrt ſich hieruͤber ſchon deutlich genug, wenn er ſagt: Sed
ſi eam loco non moveris.
Eben ſo erklaͤrt auch Juſti-
nian
dieſen Ausdruck in §. 6. I. de obligat. quae ex delicto.
Man ſehe nach B. brissonius de Verbor. Signif. v. Con-
trectare.
Alſo heißt contrectare ſoviel als ſich an einer
Sache
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[544/0558] 1. Buch. 8. Tit. §. 181. g) Warum ein Bloͤdſinniger gar nicht, ein Pu- pill aber nicht ohne Einwilligung des Vormunds den Be- ſitz aufgeben koͤnne 63). Denn hierzu wird Freiheit des Willens erfordert. Allein ein verſtandloſer Menſch hat gar keinen Willen 64). Ein Muͤndel aber kann wenig- ſtens in ſolchen Sachen, woraus ihm Schaden erwachſen kann, und wozu Ueberlegung gehoͤrt, nichts ohne Einwil- ligung des Vormunds fuͤr ſich rechtlich wollen 65). h) Warum der bloſe Gedanke, ein zur Verwahrung erhaltenes Gut abzulaͤugnen, und ſolches zu entwenden, dem Deponenten den Beſitz nicht entziehe, ſo lange ſich der Depoſitar noch nicht wirklich daran vergriffen hat 66). (ſi non 63) L. 27. et 29. D. eodem tit juncta L. 11. D. de Acquir. rer. Domin. Vortreflich erklaͤrt dieſe Stellen Cuper in den an- gefuͤhrten Obſervation. P. II. cap. 37. et 38. 64) L. 40. L. 124. §. 1. D. de Reg. Iur. L. 2. §. 3. D. de Iure Codicillor. 65) L. 5. L. 189. D. de Reg. Iuris, L. 9. D. de acquir. vel omitt. heredit. 66) L. 3. §. 18. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. Herr Prof. Weſtphal in dem oͤfters angef. Syſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen ꝛc. §. 191. will unter der Con- trectation des Depoſitums eine Veraͤuſſerung deſſel- ben verſtehen. Allein das Wort contrectare, oder wie die Alten auch ſagten, attrectare, heißt ſoviel als mani- bus tractare, et tangere, wie es Ioſ. averanius Interpretat. Iuris Lib. I. cap. XXVIII. n. 14. erklaͤrt, welcher uͤberhaupt die L. 3. §. 18. cit. vortreflich erlaͤutert. Paulus ſelbſt er- klaͤrt ſich hieruͤber ſchon deutlich genug, wenn er ſagt: Sed ſi eam loco non moveris. Eben ſo erklaͤrt auch Juſti- nian dieſen Ausdruck in §. 6. I. de obligat. quae ex delicto. Man ſehe nach B. brissonius de Verbor. Signif. v. Con- trectare. Alſo heißt contrectare ſoviel als ſich an einer Sache

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/558>, abgerufen am 10.05.2024.