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Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800.

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überhaupt nach dem teutschen Sprachgebrauche gewohnt ist, jede
Art eines auf der Sache oder Person haftenden dinglichen Rechts
sein Eigenthum zu nennen.

So verschieden nun auch der Zustand der teutschen Leibei-
genen nach Verschiedenheit der Länder und Orte in Teutschland
ist, so besteht doch der wesentliche Charakter der heutigen
Leibeigenschaft
immer nur in einer strengern Verbindlich-
keit zu Diensten und Zinsen, welche auf der Person des Ver-
pflichteten, ohne Rücksicht auf den Besitz eines Guts, dergestalt
haftet, daß derselbe ohne den Willen des Leibherrn sich nicht
davon loßmachen kann, und die auch, mit den aus diesem Ver-
hältniß entstehenden Rechten, auf die Nachkommen desselben
fortgepflanzt und vererbt wird 44).

Die aus der Leibeigenschaft entstehenden Rechte und Ver-
bindlichkeiten bestehen nun

I) auf Seiten der Leibeigenen darin:

1) sie dürfen sich ohne Vorwissen und Einwilligung ihres
Leibherrn nicht verheyrathen, und müssen für diese Erlaubniß
ein Stück Geld bezahlen, welches Bedemund, Frauen-
zins, Klauenthaler, Hemdlacken, Hemdschilling,
Mannthaler
, maritagium, marchetta 45), genennt wird.
Solche Ehen haben übrigens die Wirkungen rechtmäsiger Ehen,
und geben dem leibeigenen Ehemann die Rechte der väterlichen
Gewalt über seine Kinder. Jedoch darf er die Kinder wider
des Gutsherrn Willen nicht zu einer Lebensart bestimmen und
erziehen, wodurch dem Herrn an seinen Rechten geschadet wird.
Es sind auch die Eltern diejenigen Kinder, deren sie nicht selbst
zu ihren eigenen Diensten bedürfen, der Herrschaft auf derselben
Verlangen vorzüglich in Dienst zu geben gehalten.


2) Sie
44) Runde Grundsätze des allgemeinen teutschen Privatrechts.
§. 536. und hofacker Princip. iur. civ. Tom. I. §. 297.
45) Die Etymologie dieser Wörter untersuchen Io. Guil. hoff-
mann
Observation. iuris germ. Lib. I. cap. VII. pag. 81. sqq.
grupen in uxore Theodisca cap. I.
und puffendorf Obser-
vat. iur. univ. T. II. Obs.
66. und Tom. III. Obs. 28.

uͤberhaupt nach dem teutſchen Sprachgebrauche gewohnt iſt, jede
Art eines auf der Sache oder Perſon haftenden dinglichen Rechts
ſein Eigenthum zu nennen.

So verſchieden nun auch der Zuſtand der teutſchen Leibei-
genen nach Verſchiedenheit der Laͤnder und Orte in Teutſchland
iſt, ſo beſteht doch der weſentliche Charakter der heutigen
Leibeigenſchaft
immer nur in einer ſtrengern Verbindlich-
keit zu Dienſten und Zinſen, welche auf der Perſon des Ver-
pflichteten, ohne Ruͤckſicht auf den Beſitz eines Guts, dergeſtalt
haftet, daß derſelbe ohne den Willen des Leibherrn ſich nicht
davon loßmachen kann, und die auch, mit den aus dieſem Ver-
haͤltniß entſtehenden Rechten, auf die Nachkommen deſſelben
fortgepflanzt und vererbt wird 44).

Die aus der Leibeigenſchaft entſtehenden Rechte und Ver-
bindlichkeiten beſtehen nun

I) auf Seiten der Leibeigenen darin:

1) ſie duͤrfen ſich ohne Vorwiſſen und Einwilligung ihres
Leibherrn nicht verheyrathen, und muͤſſen fuͤr dieſe Erlaubniß
ein Stuͤck Geld bezahlen, welches Bedemund, Frauen-
zins, Klauenthaler, Hemdlacken, Hemdſchilling,
Mannthaler
, maritagium, marchetta 45), genennt wird.
Solche Ehen haben uͤbrigens die Wirkungen rechtmaͤſiger Ehen,
und geben dem leibeigenen Ehemann die Rechte der vaͤterlichen
Gewalt uͤber ſeine Kinder. Jedoch darf er die Kinder wider
des Gutsherrn Willen nicht zu einer Lebensart beſtimmen und
erziehen, wodurch dem Herrn an ſeinen Rechten geſchadet wird.
Es ſind auch die Eltern diejenigen Kinder, deren ſie nicht ſelbſt
zu ihren eigenen Dienſten beduͤrfen, der Herrſchaft auf derſelben
Verlangen vorzuͤglich in Dienſt zu geben gehalten.


2) Sie
44) Runde Grundſaͤtze des allgemeinen teutſchen Privatrechts.
§. 536. und hofacker Princip. iur. civ. Tom. I. §. 297.
45) Die Etymologie dieſer Woͤrter unterſuchen Io. Guil. hoff-
mann
Obſervation. iuris germ. Lib. I. cap. VII. pag. 81. ſqq.
grupen in uxore Theodisca cap. I.
und puffendorf Obſer-
vat. iur. univ. T. II. Obſ.
66. und Tom. III. Obſ. 28.
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[34/0040] uͤberhaupt nach dem teutſchen Sprachgebrauche gewohnt iſt, jede Art eines auf der Sache oder Perſon haftenden dinglichen Rechts ſein Eigenthum zu nennen. So verſchieden nun auch der Zuſtand der teutſchen Leibei- genen nach Verſchiedenheit der Laͤnder und Orte in Teutſchland iſt, ſo beſteht doch der weſentliche Charakter der heutigen Leibeigenſchaft immer nur in einer ſtrengern Verbindlich- keit zu Dienſten und Zinſen, welche auf der Perſon des Ver- pflichteten, ohne Ruͤckſicht auf den Beſitz eines Guts, dergeſtalt haftet, daß derſelbe ohne den Willen des Leibherrn ſich nicht davon loßmachen kann, und die auch, mit den aus dieſem Ver- haͤltniß entſtehenden Rechten, auf die Nachkommen deſſelben fortgepflanzt und vererbt wird 44). Die aus der Leibeigenſchaft entſtehenden Rechte und Ver- bindlichkeiten beſtehen nun I) auf Seiten der Leibeigenen darin: 1) ſie duͤrfen ſich ohne Vorwiſſen und Einwilligung ihres Leibherrn nicht verheyrathen, und muͤſſen fuͤr dieſe Erlaubniß ein Stuͤck Geld bezahlen, welches Bedemund, Frauen- zins, Klauenthaler, Hemdlacken, Hemdſchilling, Mannthaler, maritagium, marchetta 45), genennt wird. Solche Ehen haben uͤbrigens die Wirkungen rechtmaͤſiger Ehen, und geben dem leibeigenen Ehemann die Rechte der vaͤterlichen Gewalt uͤber ſeine Kinder. Jedoch darf er die Kinder wider des Gutsherrn Willen nicht zu einer Lebensart beſtimmen und erziehen, wodurch dem Herrn an ſeinen Rechten geſchadet wird. Es ſind auch die Eltern diejenigen Kinder, deren ſie nicht ſelbſt zu ihren eigenen Dienſten beduͤrfen, der Herrſchaft auf derſelben Verlangen vorzuͤglich in Dienſt zu geben gehalten. 2) Sie 44) Runde Grundſaͤtze des allgemeinen teutſchen Privatrechts. §. 536. und hofacker Princip. iur. civ. Tom. I. §. 297. 45) Die Etymologie dieſer Woͤrter unterſuchen Io. Guil. hoff- mann Obſervation. iuris germ. Lib. I. cap. VII. pag. 81. ſqq. grupen in uxore Theodisca cap. I. und puffendorf Obſer- vat. iur. univ. T. II. Obſ. 66. und Tom. III. Obſ. 28.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800/40>, abgerufen am 03.12.2024.