Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Bürger (Cives) oder Fremde (Peregrini), je nachdem sie
entweder das Bürgerrecht in einem Staate haben, oder
nicht. Wir wollen zuerst von dem Römischen Bürger-
rechte
handeln, und den Unterschied zwischen Cives und Pere-
grinos
nach dem Römischen Rechtssystem auseinander setzen 35).
Die Rechte und Vorzüge, welche den Römischen Bürgern vor
den Nichtbürgern zustanden, und deren Inbegrif ius Quiritium,
oder Civitas Romana genennt wurde 36), waren ehemals von
großer Wichtigkeit. Sie waren theils solche, die sich auf die
öffentliche Verfassung und Regierungsform des Römischen Staats
bezogen (iura civium Rom. publica), theils solche, welche auf
die öffentliche Einrichtung des Staats keine Beziehung hatten
(iura civium Rom. privata). Zu jener erstern Classe von Rech-
ten gehörte das ius census, militiae, tributorum, suffragiorum,
honorum et sacrorum;
zur letztern aber zählte man das ius liber-

tatis,
35) Ist die Note 74. der ersten Ausgabe.
36) Mehrere Rechtsgelehrte glauben, daß zwischen ius Quiri-
tium
und civitas Romana ein Unterschied gewesen. sigonius
de antiquo iure civ. Rom. Lib I. c.
6. setzt diesen Unterschied
darin, daß das ius Quiritium einen Inbegriff der Privatrechte,
die civitas Romana aber einen Inbegriff der öffentlichen Rechte
des Römischen Bürgers bezeichnet habe. Ihm stimmen span-
hemius
Orbe Rom. Ex II. cap. 5. p. 156. schulting in
Iurispr. Antejust. pag.
574. und heineccius Antiquit. Rom.
Syntag. Lib. I. Append. Cap. I.
§. 23. bey. Andere sagen,
das ius Quiritium sey das ius civitatis optimum maximum ge-
wesen, welches alle und jede Rechte der Röm. Bürger in sich
begriffen habe, das ius civitatis aber habe nur ein unvollkom-
menes, nämlich das Privat-Bürgerrecht, bezeichnet; so Corn.
Val.
vonck Observat. miscellan. cap. 24. Adject. eius Speci-
mini critico in var. Auctores
(Trajecti ad Rhen.
1744. 8.) und
Guil. Otto reitz in Excurs. ad Theophili paraphras. graec. In-
stitut. Tom. II. Exc. III. pag.
1094. Allein die Röm. Rechts-
gelehrten unterscheiden nicht zwischen ius Quiritium und civitas
Romana.
Man sehe ulpiani Fragm. Tit. 3. §. 2. 5. et 6.
Auch nicht die Röm. Klassiker, wie Io. Henr. mylius in Diss.
ad Theophilum de iure Quiritium
(beym reitz Excurs. III. p.
1090. sqq.
) und Franc. Car. conradi Comment. de iure Qui-
ritium a civitate Rom. non diverso. Helmst.
1744. gezeigt haben.
D 5

Buͤrger (Cives) oder Fremde (Peregrini), je nachdem ſie
entweder das Buͤrgerrecht in einem Staate haben, oder
nicht. Wir wollen zuerſt von dem Roͤmiſchen Buͤrger-
rechte
handeln, und den Unterſchied zwiſchen Cives und Pere-
grinos
nach dem Roͤmiſchen Rechtsſyſtem auseinander ſetzen 35).
Die Rechte und Vorzuͤge, welche den Roͤmiſchen Buͤrgern vor
den Nichtbuͤrgern zuſtanden, und deren Inbegrif ius Quiritium,
oder Civitas Romana genennt wurde 36), waren ehemals von
großer Wichtigkeit. Sie waren theils ſolche, die ſich auf die
oͤffentliche Verfaſſung und Regierungsform des Roͤmiſchen Staats
bezogen (iura civium Rom. publica), theils ſolche, welche auf
die oͤffentliche Einrichtung des Staats keine Beziehung hatten
(iura civium Rom. privata). Zu jener erſtern Claſſe von Rech-
ten gehoͤrte das ius cenſus, militiae, tributorum, ſuffragiorum,
honorum et ſacrorum;
zur letztern aber zaͤhlte man das ius liber-

tatis,
35) Iſt die Note 74. der erſten Ausgabe.
36) Mehrere Rechtsgelehrte glauben, daß zwiſchen ius Quiri-
tium
und civitas Romana ein Unterſchied geweſen. sigonius
de antiquo iure civ. Rom. Lib I. c.
6. ſetzt dieſen Unterſchied
darin, daß das ius Quiritium einen Inbegriff der Privatrechte,
die civitas Romana aber einen Inbegriff der oͤffentlichen Rechte
des Roͤmiſchen Buͤrgers bezeichnet habe. Ihm ſtimmen span-
hemius
Orbe Rom. Ex II. cap. 5. p. 156. schulting in
Iurispr. Antejuſt. pag.
574. und heineccius Antiquit. Rom.
Syntag. Lib. I. Append. Cap. I.
§. 23. bey. Andere ſagen,
das ius Quiritium ſey das ius civitatis optimum maximum ge-
weſen, welches alle und jede Rechte der Roͤm. Buͤrger in ſich
begriffen habe, das ius civitatis aber habe nur ein unvollkom-
menes, naͤmlich das Privat-Buͤrgerrecht, bezeichnet; ſo Corn.
Val.
vonck Obſervat. miſcellan. cap. 24. Adject. eius Speci-
mini critico in var. Auctores
(Trajecti ad Rhen.
1744. 8.) und
Guil. Otto reitz in Excurſ. ad Theophili paraphraſ. graec. In-
ſtitut. Tom. II. Exc. III. pag.
1094. Allein die Roͤm. Rechts-
gelehrten unterſcheiden nicht zwiſchen ius Quiritium und civitas
Romana.
Man ſehe ulpiani Fragm. Tit. 3. §. 2. 5. et 6.
Auch nicht die Roͤm. Klaſſiker, wie Io. Henr. mylius in Diſſ.
ad Theophilum de iure Quiritium
(beym reitz Excurſ. III. p.
1090. ſqq.
) und Franc. Car. conradi Comment. de iure Qui-
ritium a civitate Rom. non diverſo. Helmſt.
1744. gezeigt haben.
D 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="57"/><hi rendition="#g">Bu&#x0364;rger</hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cives</hi></hi>) oder <hi rendition="#g">Fremde</hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Peregrini</hi></hi>), je nachdem &#x017F;ie<lb/>
entweder das <hi rendition="#g">Bu&#x0364;rgerrecht</hi> in einem Staate haben, oder<lb/><hi rendition="#g">nicht</hi>. Wir wollen zuer&#x017F;t von dem <hi rendition="#g">Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Bu&#x0364;rger-<lb/>
rechte</hi> handeln, und den Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cives</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Pere-<lb/>
grinos</hi></hi> nach dem Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechts&#x017F;y&#x017F;tem auseinander &#x017F;etzen <note place="foot" n="35)">I&#x017F;t die Note 74. der er&#x017F;ten Ausgabe.</note>.<lb/>
Die Rechte und Vorzu&#x0364;ge, welche den Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Bu&#x0364;rgern vor<lb/>
den Nichtbu&#x0364;rgern zu&#x017F;tanden, und deren Inbegrif <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ius Quiritium,</hi></hi><lb/>
oder <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Civitas Romana</hi></hi> genennt wurde <note place="foot" n="36)">Mehrere Rechtsgelehrte glauben, daß zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ius Quiri-<lb/>
tium</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">civitas Romana</hi></hi> ein Unter&#x017F;chied gewe&#x017F;en. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">sigonius</hi><lb/>
de antiquo iure civ. Rom. Lib I. c.</hi> 6. &#x017F;etzt die&#x017F;en Unter&#x017F;chied<lb/>
darin, daß das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ius Quiritium</hi></hi> einen Inbegriff der Privatrechte,<lb/>
die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">civitas Romana</hi></hi> aber einen Inbegriff der o&#x0364;ffentlichen Rechte<lb/>
des Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Bu&#x0364;rgers bezeichnet habe. Ihm &#x017F;timmen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">span-<lb/>
hemius</hi> Orbe Rom. Ex II. cap. 5. p. 156. <hi rendition="#k">schulting</hi> in<lb/>
Iurispr. Anteju&#x017F;t. pag.</hi> 574. und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">heineccius</hi> Antiquit. Rom.<lb/>
Syntag. Lib. I. Append. Cap. I.</hi> <hi rendition="#i">§.</hi> 23. bey. Andere &#x017F;agen,<lb/>
das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ius Quiritium</hi></hi> &#x017F;ey das <hi rendition="#aq">ius civitatis optimum maximum</hi> ge-<lb/>
we&#x017F;en, welches alle und jede Rechte der Ro&#x0364;m. Bu&#x0364;rger in &#x017F;ich<lb/>
begriffen habe, das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ius civitatis</hi></hi> aber habe nur ein unvollkom-<lb/>
menes, na&#x0364;mlich das Privat-Bu&#x0364;rgerrecht, bezeichnet; &#x017F;o <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Corn.<lb/>
Val.</hi><hi rendition="#k">vonck</hi> Ob&#x017F;ervat. mi&#x017F;cellan. cap. 24. Adject. <hi rendition="#k">eius</hi> <hi rendition="#i">Speci-<lb/>
mini critico in var. Auctores</hi> (Trajecti ad Rhen.</hi> 1744. 8.) und<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Guil. Otto</hi><hi rendition="#k">reitz</hi> in Excur&#x017F;. ad <hi rendition="#i">Theophili</hi> paraphra&#x017F;. graec. In-<lb/>
&#x017F;titut. Tom. II. Exc. III. pag.</hi> 1094. Allein die Ro&#x0364;m. Rechts-<lb/>
gelehrten unter&#x017F;cheiden nicht zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ius Quiritium</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">civitas<lb/>
Romana.</hi></hi> Man &#x017F;ehe <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">ulpiani</hi><hi rendition="#i">Fragm.</hi> Tit. 3. §. 2. 5. et</hi> 6.<lb/>
Auch nicht die Ro&#x0364;m. Kla&#x017F;&#x017F;iker, wie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Io. Henr.</hi><hi rendition="#k">mylius</hi> in Di&#x017F;&#x017F;.<lb/>
ad <hi rendition="#i">Theophilum</hi> de iure Quiritium</hi> (beym <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">reitz</hi> Excur&#x017F;. III. p.<lb/>
1090. &#x017F;qq.</hi>) und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Franc. Car.</hi><hi rendition="#k">conradi</hi> Comment. de iure Qui-<lb/>
ritium a civitate Rom. non diver&#x017F;o. <hi rendition="#i">Helm&#x017F;t.</hi></hi> 1744. gezeigt haben.</note>, waren ehemals von<lb/>
großer Wichtigkeit. Sie waren theils &#x017F;olche, die &#x017F;ich auf die<lb/>
o&#x0364;ffentliche Verfa&#x017F;&#x017F;ung und Regierungsform des Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Staats<lb/>
bezogen (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">iura civium Rom. publica</hi></hi>), theils &#x017F;olche, welche auf<lb/>
die o&#x0364;ffentliche Einrichtung des Staats keine Beziehung hatten<lb/>
(<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">iura civium Rom. privata</hi></hi>). Zu jener er&#x017F;tern Cla&#x017F;&#x017F;e von Rech-<lb/>
ten geho&#x0364;rte das <hi rendition="#aq">ius cen&#x017F;us, militiae, tributorum, &#x017F;uffragiorum,<lb/>
honorum et &#x017F;acrorum;</hi> zur letztern aber za&#x0364;hlte man das <hi rendition="#aq">ius liber-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">tatis,</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0063] Buͤrger (Cives) oder Fremde (Peregrini), je nachdem ſie entweder das Buͤrgerrecht in einem Staate haben, oder nicht. Wir wollen zuerſt von dem Roͤmiſchen Buͤrger- rechte handeln, und den Unterſchied zwiſchen Cives und Pere- grinos nach dem Roͤmiſchen Rechtsſyſtem auseinander ſetzen 35). Die Rechte und Vorzuͤge, welche den Roͤmiſchen Buͤrgern vor den Nichtbuͤrgern zuſtanden, und deren Inbegrif ius Quiritium, oder Civitas Romana genennt wurde 36), waren ehemals von großer Wichtigkeit. Sie waren theils ſolche, die ſich auf die oͤffentliche Verfaſſung und Regierungsform des Roͤmiſchen Staats bezogen (iura civium Rom. publica), theils ſolche, welche auf die oͤffentliche Einrichtung des Staats keine Beziehung hatten (iura civium Rom. privata). Zu jener erſtern Claſſe von Rech- ten gehoͤrte das ius cenſus, militiae, tributorum, ſuffragiorum, honorum et ſacrorum; zur letztern aber zaͤhlte man das ius liber- tatis, 35) Iſt die Note 74. der erſten Ausgabe. 36) Mehrere Rechtsgelehrte glauben, daß zwiſchen ius Quiri- tium und civitas Romana ein Unterſchied geweſen. sigonius de antiquo iure civ. Rom. Lib I. c. 6. ſetzt dieſen Unterſchied darin, daß das ius Quiritium einen Inbegriff der Privatrechte, die civitas Romana aber einen Inbegriff der oͤffentlichen Rechte des Roͤmiſchen Buͤrgers bezeichnet habe. Ihm ſtimmen span- hemius Orbe Rom. Ex II. cap. 5. p. 156. schulting in Iurispr. Antejuſt. pag. 574. und heineccius Antiquit. Rom. Syntag. Lib. I. Append. Cap. I. §. 23. bey. Andere ſagen, das ius Quiritium ſey das ius civitatis optimum maximum ge- weſen, welches alle und jede Rechte der Roͤm. Buͤrger in ſich begriffen habe, das ius civitatis aber habe nur ein unvollkom- menes, naͤmlich das Privat-Buͤrgerrecht, bezeichnet; ſo Corn. Val. vonck Obſervat. miſcellan. cap. 24. Adject. eius Speci- mini critico in var. Auctores (Trajecti ad Rhen. 1744. 8.) und Guil. Otto reitz in Excurſ. ad Theophili paraphraſ. graec. In- ſtitut. Tom. II. Exc. III. pag. 1094. Allein die Roͤm. Rechts- gelehrten unterſcheiden nicht zwiſchen ius Quiritium und civitas Romana. Man ſehe ulpiani Fragm. Tit. 3. §. 2. 5. et 6. Auch nicht die Roͤm. Klaſſiker, wie Io. Henr. mylius in Diſſ. ad Theophilum de iure Quiritium (beym reitz Excurſ. III. p. 1090. ſqq.) und Franc. Car. conradi Comment. de iure Qui- ritium a civitate Rom. non diverſo. Helmſt. 1744. gezeigt haben. D 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800/63
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800/63>, abgerufen am 27.11.2024.