Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Sie wendete sich um. Das hättest du uns Beiden ersparen können! flüsterte sie, und mit einem Jubelschrei riß er sie in die Arme. Das gab ein Kopfschütteln und Verwundern in Jurancon und weit ins Land hinaus! Mit dem reichen Henriot hatte die Claudine Versprach gehalten, und nun wurde sie mit dem Francois Vadou aufgeboten, und die Verwandtschaft that sie nicht in Bann und Acht! Im Gegentheil! Der Müller Vidal sagte Jedem, der es hören wollte: sie wäre das bravste Mädchen weit und breit, ohne Falsch und Eigennutz, und manche angesehene Frau könnte sich an ihr ein Beispiel nehmen! Leider ließen sich weder die Bardets noch die Vidals auf weitere Erklärungen ein, und wenn man den Caduchon fragte, hatte er immer eine lustige Antwort bereit, die nichts verrieth. Aber nach und nach, man wußte nicht, woher es kam, verbreitete sich das Gerücht von einem Kindertausch, den die verrückte Mariannette vorgenommen. Es war auch nur zu leicht erklärlich, daß sie ihrem Kinde zu Ehre und Reichthum zu verhelfen gesucht . . . reiche Leute können nicht vorsichtig genug sein, mit wem sie sich einlassen! Wie die Geschichte herausgekommen, wußte man nicht; vielleicht durch den Caduchon, der eine lange Unterredung mit der kranken Müllerin und Sie wendete sich um. Das hättest du uns Beiden ersparen können! flüsterte sie, und mit einem Jubelschrei riß er sie in die Arme. Das gab ein Kopfschütteln und Verwundern in Jurançon und weit ins Land hinaus! Mit dem reichen Henriot hatte die Claudine Versprach gehalten, und nun wurde sie mit dem François Vadou aufgeboten, und die Verwandtschaft that sie nicht in Bann und Acht! Im Gegentheil! Der Müller Vidal sagte Jedem, der es hören wollte: sie wäre das bravste Mädchen weit und breit, ohne Falsch und Eigennutz, und manche angesehene Frau könnte sich an ihr ein Beispiel nehmen! Leider ließen sich weder die Bardets noch die Vidals auf weitere Erklärungen ein, und wenn man den Caduchon fragte, hatte er immer eine lustige Antwort bereit, die nichts verrieth. Aber nach und nach, man wußte nicht, woher es kam, verbreitete sich das Gerücht von einem Kindertausch, den die verrückte Mariannette vorgenommen. Es war auch nur zu leicht erklärlich, daß sie ihrem Kinde zu Ehre und Reichthum zu verhelfen gesucht . . . reiche Leute können nicht vorsichtig genug sein, mit wem sie sich einlassen! Wie die Geschichte herausgekommen, wußte man nicht; vielleicht durch den Caduchon, der eine lange Unterredung mit der kranken Müllerin und <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <pb facs="#f0072"/> <p>Sie wendete sich um.</p><lb/> <p>Das hättest du uns Beiden ersparen können! flüsterte sie, und mit einem Jubelschrei riß er sie in die Arme.</p><lb/><lb/> <p>Das gab ein Kopfschütteln und Verwundern in Jurançon und weit ins Land hinaus! Mit dem reichen Henriot hatte die Claudine Versprach gehalten, und nun wurde sie mit dem François Vadou aufgeboten, und die Verwandtschaft that sie nicht in Bann und Acht! Im Gegentheil! Der Müller Vidal sagte Jedem, der es hören wollte: sie wäre das bravste Mädchen weit und breit, ohne Falsch und Eigennutz, und manche angesehene Frau könnte sich an ihr ein Beispiel nehmen!</p><lb/> <p>Leider ließen sich weder die Bardets noch die Vidals auf weitere Erklärungen ein, und wenn man den Caduchon fragte, hatte er immer eine lustige Antwort bereit, die nichts verrieth.</p><lb/> <p>Aber nach und nach, man wußte nicht, woher es kam, verbreitete sich das Gerücht von einem Kindertausch, den die verrückte Mariannette vorgenommen. Es war auch nur zu leicht erklärlich, daß sie ihrem Kinde zu Ehre und Reichthum zu verhelfen gesucht . . . reiche Leute können nicht vorsichtig genug sein, mit wem sie sich einlassen! Wie die Geschichte herausgekommen, wußte man nicht; vielleicht durch den Caduchon, der eine lange Unterredung mit der kranken Müllerin und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
Sie wendete sich um.
Das hättest du uns Beiden ersparen können! flüsterte sie, und mit einem Jubelschrei riß er sie in die Arme.
Das gab ein Kopfschütteln und Verwundern in Jurançon und weit ins Land hinaus! Mit dem reichen Henriot hatte die Claudine Versprach gehalten, und nun wurde sie mit dem François Vadou aufgeboten, und die Verwandtschaft that sie nicht in Bann und Acht! Im Gegentheil! Der Müller Vidal sagte Jedem, der es hören wollte: sie wäre das bravste Mädchen weit und breit, ohne Falsch und Eigennutz, und manche angesehene Frau könnte sich an ihr ein Beispiel nehmen!
Leider ließen sich weder die Bardets noch die Vidals auf weitere Erklärungen ein, und wenn man den Caduchon fragte, hatte er immer eine lustige Antwort bereit, die nichts verrieth.
Aber nach und nach, man wußte nicht, woher es kam, verbreitete sich das Gerücht von einem Kindertausch, den die verrückte Mariannette vorgenommen. Es war auch nur zu leicht erklärlich, daß sie ihrem Kinde zu Ehre und Reichthum zu verhelfen gesucht . . . reiche Leute können nicht vorsichtig genug sein, mit wem sie sich einlassen! Wie die Geschichte herausgekommen, wußte man nicht; vielleicht durch den Caduchon, der eine lange Unterredung mit der kranken Müllerin und
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Zitationshilfe: | Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/72>, abgerufen am 16.02.2025. |