Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

Antrieb und Reiz gesorgt; indem sie mit glücklicher
Gewandheit bey Jedem die schwache Seite aufgespürt
und geschickt alle Vorkommnisse der Zeit benutzt, um
mit scharfer Schneide sie gegen die wunden Stellen
hinzurichten: haben sie das Geheimniß wirklich aus¬
gefunden, Alle aufzubringen, daß ein gemeines Ge¬
fühl des Unmuths von einem Ende des Vaterlandes
zum Andern geht, und die Regierungen sich nun mit
allem, was gut und edel und kräftig ist, in dieser
Zeit in einen hoffnungslosen Streit verwickelt finden,
und in Irrsale verloren, denen sie auf dem bisheri¬
gen Wege nimmer entrinnen mögen. Wie in drückend
schwüler Sommerhitze die Schrecken eines dunkel auf¬
ziehenden Unwetters nichts über das innere Sehnen
der Natur nach einer erfrischenden Kühle, die in sei¬
nem Gefolge geht, vermögen; so hat die Meinung
auch schon mit dem Furchtbarsten sich beynahe aus¬
gesöhnt, wenn es nur die Schmach der Gegenwart
hinwegzunehmen verspricht, und den Himmel von dem
Qualm zu reinen Hoffnung giebt, der jetzt alle Glücks¬
sterne ihr verhüllt. Darum schrecken sie nicht jene Sturm¬
vögel, Vorboten des nahenden Ungewitters, die Jüng¬
linge, die sich, um das Schlechte und Nichtswürdige in
seinen Organen aus dem Weg zu räumen, dem Tode
weihen; noch hat es sie überrascht, als man ihr von
Berlin aus die Entdeckung einer großen weitumgrei¬
fenden Conspiration zur Begründung einer teutschen
Republik angesagt, weil die Erfahrung des letzten
Menschenalters ihr die Kenntniß des allgemeinen Welt¬
gesetzes sattsam eingeprägt, dem zufolge jedes Aeu¬
ßerste seinen Gegensatz nothwendig und unausbleiblich

Antrieb und Reiz geſorgt; indem ſie mit glücklicher
Gewandheit bey Jedem die ſchwache Seite aufgeſpürt
und geſchickt alle Vorkommniſſe der Zeit benutzt, um
mit ſcharfer Schneide ſie gegen die wunden Stellen
hinzurichten: haben ſie das Geheimniß wirklich aus¬
gefunden, Alle aufzubringen, daß ein gemeines Ge¬
fühl des Unmuths von einem Ende des Vaterlandes
zum Andern geht, und die Regierungen ſich nun mit
allem, was gut und edel und kräftig iſt, in dieſer
Zeit in einen hoffnungsloſen Streit verwickelt finden,
und in Irrſale verloren, denen ſie auf dem bisheri¬
gen Wege nimmer entrinnen mögen. Wie in drückend
ſchwüler Sommerhitze die Schrecken eines dunkel auf¬
ziehenden Unwetters nichts über das innere Sehnen
der Natur nach einer erfriſchenden Kühle, die in ſei¬
nem Gefolge geht, vermögen; ſo hat die Meinung
auch ſchon mit dem Furchtbarſten ſich beynahe aus¬
geſöhnt, wenn es nur die Schmach der Gegenwart
hinwegzunehmen verſpricht, und den Himmel von dem
Qualm zu reinen Hoffnung giebt, der jetzt alle Glücks¬
ſterne ihr verhüllt. Darum ſchrecken ſie nicht jene Sturm¬
vögel, Vorboten des nahenden Ungewitters, die Jüng¬
linge, die ſich, um das Schlechte und Nichtswürdige in
ſeinen Organen aus dem Weg zu räumen, dem Tode
weihen; noch hat es ſie überraſcht, als man ihr von
Berlin aus die Entdeckung einer großen weitumgrei¬
fenden Conſpiration zur Begründung einer teutſchen
Republik angeſagt, weil die Erfahrung des letzten
Menſchenalters ihr die Kenntniß des allgemeinen Welt¬
geſetzes ſattſam eingeprägt, dem zufolge jedes Aeu¬
ßerſte ſeinen Gegenſatz nothwendig und unausbleiblich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0010" n="2"/>
Antrieb und Reiz ge&#x017F;orgt; indem &#x017F;ie mit glücklicher<lb/>
Gewandheit bey Jedem die &#x017F;chwache Seite aufge&#x017F;pürt<lb/>
und ge&#x017F;chickt alle Vorkommni&#x017F;&#x017F;e der Zeit benutzt, um<lb/>
mit &#x017F;charfer Schneide &#x017F;ie gegen die wunden Stellen<lb/>
hinzurichten: haben &#x017F;ie das Geheimniß wirklich aus¬<lb/>
gefunden, Alle aufzubringen, daß ein gemeines Ge¬<lb/>
fühl des Unmuths von einem Ende des Vaterlandes<lb/>
zum Andern geht, und die Regierungen &#x017F;ich nun mit<lb/>
allem, was gut und edel und kräftig i&#x017F;t, in die&#x017F;er<lb/>
Zeit in einen hoffnungslo&#x017F;en Streit verwickelt finden,<lb/>
und in Irr&#x017F;ale verloren, denen &#x017F;ie auf dem bisheri¬<lb/>
gen Wege nimmer entrinnen mögen. Wie in drückend<lb/>
&#x017F;chwüler Sommerhitze die Schrecken eines dunkel auf¬<lb/>
ziehenden Unwetters nichts über das innere Sehnen<lb/>
der Natur nach einer erfri&#x017F;chenden Kühle, die in &#x017F;ei¬<lb/>
nem Gefolge geht, vermögen; &#x017F;o hat die Meinung<lb/>
auch &#x017F;chon mit dem Furchtbar&#x017F;ten &#x017F;ich beynahe aus¬<lb/>
ge&#x017F;öhnt, wenn es nur die Schmach der Gegenwart<lb/>
hinwegzunehmen ver&#x017F;pricht, und den Himmel von dem<lb/>
Qualm zu reinen Hoffnung giebt, der jetzt alle Glücks¬<lb/>
&#x017F;terne ihr verhüllt. Darum &#x017F;chrecken &#x017F;ie nicht jene Sturm¬<lb/>
vögel, Vorboten des nahenden Ungewitters, die Jüng¬<lb/>
linge, die &#x017F;ich, um das Schlechte und Nichtswürdige in<lb/>
&#x017F;einen Organen aus dem Weg zu räumen, dem Tode<lb/>
weihen; noch hat es &#x017F;ie überra&#x017F;cht, als man ihr von<lb/>
Berlin aus die Entdeckung einer großen weitumgrei¬<lb/>
fenden Con&#x017F;piration zur Begründung einer teut&#x017F;chen<lb/>
Republik ange&#x017F;agt, weil die Erfahrung des letzten<lb/>
Men&#x017F;chenalters ihr die Kenntniß des allgemeinen Welt¬<lb/>
ge&#x017F;etzes &#x017F;att&#x017F;am eingeprägt, dem zufolge jedes Aeu¬<lb/>
ßer&#x017F;te &#x017F;einen Gegen&#x017F;atz nothwendig und unausbleiblich<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0010] Antrieb und Reiz geſorgt; indem ſie mit glücklicher Gewandheit bey Jedem die ſchwache Seite aufgeſpürt und geſchickt alle Vorkommniſſe der Zeit benutzt, um mit ſcharfer Schneide ſie gegen die wunden Stellen hinzurichten: haben ſie das Geheimniß wirklich aus¬ gefunden, Alle aufzubringen, daß ein gemeines Ge¬ fühl des Unmuths von einem Ende des Vaterlandes zum Andern geht, und die Regierungen ſich nun mit allem, was gut und edel und kräftig iſt, in dieſer Zeit in einen hoffnungsloſen Streit verwickelt finden, und in Irrſale verloren, denen ſie auf dem bisheri¬ gen Wege nimmer entrinnen mögen. Wie in drückend ſchwüler Sommerhitze die Schrecken eines dunkel auf¬ ziehenden Unwetters nichts über das innere Sehnen der Natur nach einer erfriſchenden Kühle, die in ſei¬ nem Gefolge geht, vermögen; ſo hat die Meinung auch ſchon mit dem Furchtbarſten ſich beynahe aus¬ geſöhnt, wenn es nur die Schmach der Gegenwart hinwegzunehmen verſpricht, und den Himmel von dem Qualm zu reinen Hoffnung giebt, der jetzt alle Glücks¬ ſterne ihr verhüllt. Darum ſchrecken ſie nicht jene Sturm¬ vögel, Vorboten des nahenden Ungewitters, die Jüng¬ linge, die ſich, um das Schlechte und Nichtswürdige in ſeinen Organen aus dem Weg zu räumen, dem Tode weihen; noch hat es ſie überraſcht, als man ihr von Berlin aus die Entdeckung einer großen weitumgrei¬ fenden Conſpiration zur Begründung einer teutſchen Republik angeſagt, weil die Erfahrung des letzten Menſchenalters ihr die Kenntniß des allgemeinen Welt¬ geſetzes ſattſam eingeprägt, dem zufolge jedes Aeu¬ ßerſte ſeinen Gegenſatz nothwendig und unausbleiblich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/10
Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/10>, abgerufen am 21.11.2024.