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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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nachdem die verschiednen Dimensionen der Verfassung
durchlaufen waren, befestigte sich die Betrachtung end¬
lich ganz natürlich bey der Durchdringung aller in der
Republik.

Unterdessen sorgten die Ereignisse, daß es dem
Eifer nicht an Reiz, der Leidenschaft nicht an einem
Stachel fehle. Frau von Krüdner, wenn auch in
etwa phantastisch und gespannt in ihrer Frömmigkeit,
doch wohlmeinend, liebreich, menschlich in ihrem Thun,
war von den Pfaffen verlästert, von der Polizey ge¬
hetzt, endlich durch die Gensdarmerie von Brigade zu
Brigade nach Rußland zurückgeführt, dafür daß sie
gebetet mit den Leuten, ihnen den jüngsten Tag ver¬
kündet, und dagegen die Hungernden gespeißt und
gerettet hatte. Da sandte der Kaiser Alexander den
Kotzebue, und wenn jeder Anflug von Begeisterung
schon die feige Zeit in Angst und Zittern setzt, so war
dieser, der schon bey seinem ersten Auftreten in der
Jugend mit einem Capitale von Verruchtheit angefan¬
gen, womit andere Bemittelte wohl zu enden pflegen,
und der seither zum Kaiser alles Pöbels, aber zum
Abscheu aller Wohlgesinnten sich erhoben, dieser war
der Mann wie ihn sich die Zeit gewünscht, und wäh¬
rend Censuren und Gerichte jedes Wort bewachten,
das zum Frommen Teutschlands gegen das heillose Un¬
wesen der Zeit geredet wurde, durfte er sich in der
Mitte des Landes niedersetzen und ungestraft höhnen,
alles was dem Volke werth und ehrwürdig geworden.
Ihn hatte der Kaiser aller Wahrscheinlichkeit nach in
unschuldiger Absicht ausgesendet, daß er ihm ein Beob¬
achter und Deuter dessen sey, was sich in diesem Lande

nachdem die verſchiednen Dimenſionen der Verfaſſung
durchlaufen waren, befeſtigte ſich die Betrachtung end¬
lich ganz natürlich bey der Durchdringung aller in der
Republik.

Unterdeſſen ſorgten die Ereigniſſe, daß es dem
Eifer nicht an Reiz, der Leidenſchaft nicht an einem
Stachel fehle. Frau von Krüdner, wenn auch in
etwa phantaſtiſch und geſpannt in ihrer Frömmigkeit,
doch wohlmeinend, liebreich, menſchlich in ihrem Thun,
war von den Pfaffen verläſtert, von der Polizey ge¬
hetzt, endlich durch die Gensdarmerie von Brigade zu
Brigade nach Rußland zurückgeführt, dafür daß ſie
gebetet mit den Leuten, ihnen den jüngſten Tag ver¬
kündet, und dagegen die Hungernden geſpeißt und
gerettet hatte. Da ſandte der Kaiſer Alexander den
Kotzebue, und wenn jeder Anflug von Begeiſterung
ſchon die feige Zeit in Angſt und Zittern ſetzt, ſo war
dieſer, der ſchon bey ſeinem erſten Auftreten in der
Jugend mit einem Capitale von Verruchtheit angefan¬
gen, womit andere Bemittelte wohl zu enden pflegen,
und der ſeither zum Kaiſer alles Pöbels, aber zum
Abſcheu aller Wohlgeſinnten ſich erhoben, dieſer war
der Mann wie ihn ſich die Zeit gewünſcht, und wäh¬
rend Cenſuren und Gerichte jedes Wort bewachten,
das zum Frommen Teutſchlands gegen das heilloſe Un¬
weſen der Zeit geredet wurde, durfte er ſich in der
Mitte des Landes niederſetzen und ungeſtraft höhnen,
alles was dem Volke werth und ehrwürdig geworden.
Ihn hatte der Kaiſer aller Wahrſcheinlichkeit nach in
unſchuldiger Abſicht ausgeſendet, daß er ihm ein Beob¬
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[107/0115] nachdem die verſchiednen Dimenſionen der Verfaſſung durchlaufen waren, befeſtigte ſich die Betrachtung end¬ lich ganz natürlich bey der Durchdringung aller in der Republik. Unterdeſſen ſorgten die Ereigniſſe, daß es dem Eifer nicht an Reiz, der Leidenſchaft nicht an einem Stachel fehle. Frau von Krüdner, wenn auch in etwa phantaſtiſch und geſpannt in ihrer Frömmigkeit, doch wohlmeinend, liebreich, menſchlich in ihrem Thun, war von den Pfaffen verläſtert, von der Polizey ge¬ hetzt, endlich durch die Gensdarmerie von Brigade zu Brigade nach Rußland zurückgeführt, dafür daß ſie gebetet mit den Leuten, ihnen den jüngſten Tag ver¬ kündet, und dagegen die Hungernden geſpeißt und gerettet hatte. Da ſandte der Kaiſer Alexander den Kotzebue, und wenn jeder Anflug von Begeiſterung ſchon die feige Zeit in Angſt und Zittern ſetzt, ſo war dieſer, der ſchon bey ſeinem erſten Auftreten in der Jugend mit einem Capitale von Verruchtheit angefan¬ gen, womit andere Bemittelte wohl zu enden pflegen, und der ſeither zum Kaiſer alles Pöbels, aber zum Abſcheu aller Wohlgeſinnten ſich erhoben, dieſer war der Mann wie ihn ſich die Zeit gewünſcht, und wäh¬ rend Cenſuren und Gerichte jedes Wort bewachten, das zum Frommen Teutſchlands gegen das heilloſe Un¬ weſen der Zeit geredet wurde, durfte er ſich in der Mitte des Landes niederſetzen und ungeſtraft höhnen, alles was dem Volke werth und ehrwürdig geworden. Ihn hatte der Kaiſer aller Wahrſcheinlichkeit nach in unſchuldiger Abſicht ausgeſendet, daß er ihm ein Beob¬ achter und Deuter deſſen ſey, was ſich in dieſem Lande

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/115>, abgerufen am 21.11.2024.