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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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sinn sie gefaßt, und ein tiefes Grauen vor seiner dun¬
keln Macht. Da sie dem Christengotte abgesagt, ist
der alte Jehova wieder heraufgestiegen, der da ist:
"ein eifriger Gott, ein Rächer, zornig und von gro¬
ßer Kraft, dessen Wege im Sturm und Wetter sind,
vor dem ein fressend Feuer hergeht, während Dunkel
unter seinen Füßen ist, und der mit seinem Donner
donnert und große Dinge thut, und doch nicht erkannt
wird." Es ist eine furchtbare entscheidende Stunde,
wenn das erste Blut in bürgerlichen Unruhen geflos¬
sen ist, und die ersten Opfer fallen; es ist die Ge¬
burtsstunde einer ganzen verhängnißvollen Zukunft,
die je nachdem die guten oder bösen Sterne überwie¬
gen, sich gestaltet. Noch ists ein glückbedeutend Zei¬
chen und ein Pfand, daß der Himmel immer noch
Teutschland gnädig ist, daß nicht wie so oft ein kal¬
ter, nackter Frevel das Losungswort gegeben, son¬
dern eine Gewaltthat, von sonst reinen Händen im
Irrthum des Herzens ausgeübt, und die durch ihren
zwiefachen Charakter noch zwey Wege der Wahl den
Weg des Tages und den Weg der Finsterniß offen läßt.

Das haben die Wenigsten unter denen bedacht, die
über diese Sache öffentlich geredet, und wieder bewie¬
sen haben, wie tief die Weltklugheit der Schriftge¬
lehrten unter dem gesunden Sinne des Volkes steht.
Daß die That nicht christlich gewesen, darüber sind
sicher Alle mit Steffens einverstanden, aber Gott weckt
bisweilen eine heidnische Tugend, um jene christliche
Heucheley zu strafen, die während sie mit Leichtsinn
ungerechte Kriege beschließt, worin hunderttausende von
Menschen fallen, nur dann des Christenthums gedenken

ſinn ſie gefaßt, und ein tiefes Grauen vor ſeiner dun¬
keln Macht. Da ſie dem Chriſtengotte abgeſagt, iſt
der alte Jehova wieder heraufgeſtiegen, der da iſt:
»ein eifriger Gott, ein Rächer, zornig und von gro¬
ßer Kraft, deſſen Wege im Sturm und Wetter ſind,
vor dem ein freſſend Feuer hergeht, während Dunkel
unter ſeinen Füßen iſt, und der mit ſeinem Donner
donnert und große Dinge thut, und doch nicht erkannt
wird.« Es iſt eine furchtbare entſcheidende Stunde,
wenn das erſte Blut in bürgerlichen Unruhen gefloſ¬
ſen iſt, und die erſten Opfer fallen; es iſt die Ge¬
burtsſtunde einer ganzen verhängnißvollen Zukunft,
die je nachdem die guten oder böſen Sterne überwie¬
gen, ſich geſtaltet. Noch iſts ein glückbedeutend Zei¬
chen und ein Pfand, daß der Himmel immer noch
Teutſchland gnädig iſt, daß nicht wie ſo oft ein kal¬
ter, nackter Frevel das Loſungswort gegeben, ſon¬
dern eine Gewaltthat, von ſonſt reinen Händen im
Irrthum des Herzens ausgeübt, und die durch ihren
zwiefachen Charakter noch zwey Wege der Wahl den
Weg des Tages und den Weg der Finſterniß offen läßt.

Das haben die Wenigſten unter denen bedacht, die
über dieſe Sache öffentlich geredet, und wieder bewie¬
ſen haben, wie tief die Weltklugheit der Schriftge¬
lehrten unter dem geſunden Sinne des Volkes ſteht.
Daß die That nicht chriſtlich geweſen, darüber ſind
ſicher Alle mit Steffens einverſtanden, aber Gott weckt
bisweilen eine heidniſche Tugend, um jene chriſtliche
Heucheley zu ſtrafen, die während ſie mit Leichtſinn
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[111/0119] ſinn ſie gefaßt, und ein tiefes Grauen vor ſeiner dun¬ keln Macht. Da ſie dem Chriſtengotte abgeſagt, iſt der alte Jehova wieder heraufgeſtiegen, der da iſt: »ein eifriger Gott, ein Rächer, zornig und von gro¬ ßer Kraft, deſſen Wege im Sturm und Wetter ſind, vor dem ein freſſend Feuer hergeht, während Dunkel unter ſeinen Füßen iſt, und der mit ſeinem Donner donnert und große Dinge thut, und doch nicht erkannt wird.« Es iſt eine furchtbare entſcheidende Stunde, wenn das erſte Blut in bürgerlichen Unruhen gefloſ¬ ſen iſt, und die erſten Opfer fallen; es iſt die Ge¬ burtsſtunde einer ganzen verhängnißvollen Zukunft, die je nachdem die guten oder böſen Sterne überwie¬ gen, ſich geſtaltet. Noch iſts ein glückbedeutend Zei¬ chen und ein Pfand, daß der Himmel immer noch Teutſchland gnädig iſt, daß nicht wie ſo oft ein kal¬ ter, nackter Frevel das Loſungswort gegeben, ſon¬ dern eine Gewaltthat, von ſonſt reinen Händen im Irrthum des Herzens ausgeübt, und die durch ihren zwiefachen Charakter noch zwey Wege der Wahl den Weg des Tages und den Weg der Finſterniß offen läßt. Das haben die Wenigſten unter denen bedacht, die über dieſe Sache öffentlich geredet, und wieder bewie¬ ſen haben, wie tief die Weltklugheit der Schriftge¬ lehrten unter dem geſunden Sinne des Volkes ſteht. Daß die That nicht chriſtlich geweſen, darüber ſind ſicher Alle mit Steffens einverſtanden, aber Gott weckt bisweilen eine heidniſche Tugend, um jene chriſtliche Heucheley zu ſtrafen, die während ſie mit Leichtſinn ungerechte Kriege beſchließt, worin hunderttauſende von Menſchen fallen, nur dann des Chriſtenthums gedenken

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/119>, abgerufen am 21.11.2024.