will, wenn die Flamme, der sie von ferne mit Vergnügen zugesehen, endlich das eigene Dach ergreift.
Man hat dem Thäter frevelhaften Hochmuth vorge¬ worfen, daß er also Gott und der Obrigkeit aus eig¬ ner beschränkter, schwacher Persönlichkeit ins Amt gegriffen: das ist die rechte und wahre Ansicht für sich und Andere, denen etwa nach solcher That gelüsten möchte; aber dem Thäter gegenüber nach vollbrachtem Werke ausgesprochen, möchte der Ausspruch in Bezug auf ihn selbst nicht allzu christlich seyn. Was würde der Sprechende erwiedern, wenn dieser sich etwa in solcher Weise vertheidigte: Du sprichst von Hoch¬ muth, sieh dich vor, daß du nicht selbst von christ¬ lichem Hochmuth besessen seyest, bethend ich danke dir Gott, daß ich nicht bin gleich Diesem! Glaubst du, daß ich so leichtsinnig mich zu jener That ent¬ schlossen, deren furchtbare Verantwortung ich gar wohl gekannt? glaubst du, daß Gott ein Leben, sonst rein und fromm geführt, so grausam durch kalten geisti¬ gen Hochmuth verderben werde, und einen sonst lich¬ ten Geist so hart verblenden, daß er die Täuschung einer groben Eitelkeit nicht mehr gewahre?
Kennst du noch nicht das finstere Reich des Ab¬ grundes, das die Natur beschließt, glücklich du, wenn es immer beschlossen dir geblieben! alle seine dun¬ keln Mächte hat der Geist besiegt, und sie in jene Tiefe eingeschlossen; aber durch des Menschen Herz gehen tiefe Brunnen nieder in ihre Finsterniß; um den Eingang drängen sich, Freyheit suchend alle Lei¬ denschaften, aber ihn hält Religion und Sitte fest geschlossen und versiegelt, und so lange die Pforten
im
will, wenn die Flamme, der ſie von ferne mit Vergnügen zugeſehen, endlich das eigene Dach ergreift.
Man hat dem Thäter frevelhaften Hochmuth vorge¬ worfen, daß er alſo Gott und der Obrigkeit aus eig¬ ner beſchränkter, ſchwacher Perſönlichkeit ins Amt gegriffen: das iſt die rechte und wahre Anſicht für ſich und Andere, denen etwa nach ſolcher That gelüſten möchte; aber dem Thäter gegenüber nach vollbrachtem Werke ausgeſprochen, möchte der Ausſpruch in Bezug auf ihn ſelbſt nicht allzu chriſtlich ſeyn. Was würde der Sprechende erwiedern, wenn dieſer ſich etwa in ſolcher Weiſe vertheidigte: Du ſprichſt von Hoch¬ muth, ſieh dich vor, daß du nicht ſelbſt von chriſt¬ lichem Hochmuth beſeſſen ſeyeſt, bethend ich danke dir Gott, daß ich nicht bin gleich Dieſem! Glaubſt du, daß ich ſo leichtſinnig mich zu jener That ent¬ ſchloſſen, deren furchtbare Verantwortung ich gar wohl gekannt? glaubſt du, daß Gott ein Leben, ſonſt rein und fromm geführt, ſo grauſam durch kalten geiſti¬ gen Hochmuth verderben werde, und einen ſonſt lich¬ ten Geiſt ſo hart verblenden, daß er die Täuſchung einer groben Eitelkeit nicht mehr gewahre?
Kennſt du noch nicht das finſtere Reich des Ab¬ grundes, das die Natur beſchließt, glücklich du, wenn es immer beſchloſſen dir geblieben! alle ſeine dun¬ keln Mächte hat der Geiſt beſiegt, und ſie in jene Tiefe eingeſchloſſen; aber durch des Menſchen Herz gehen tiefe Brunnen nieder in ihre Finſterniß; um den Eingang drängen ſich, Freyheit ſuchend alle Lei¬ denſchaften, aber ihn hält Religion und Sitte feſt geſchloſſen und verſiegelt, und ſo lange die Pforten
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will, wenn die Flamme, der ſie von ferne mit Vergnügen
zugeſehen, endlich das eigene Dach ergreift.
Man hat dem Thäter frevelhaften Hochmuth vorge¬
worfen, daß er alſo Gott und der Obrigkeit aus eig¬
ner beſchränkter, ſchwacher Perſönlichkeit ins Amt
gegriffen: das iſt die rechte und wahre Anſicht für ſich
und Andere, denen etwa nach ſolcher That gelüſten
möchte; aber dem Thäter gegenüber nach vollbrachtem
Werke ausgeſprochen, möchte der Ausſpruch in Bezug
auf ihn ſelbſt nicht allzu chriſtlich ſeyn. Was würde
der Sprechende erwiedern, wenn dieſer ſich etwa in
ſolcher Weiſe vertheidigte: Du ſprichſt von Hoch¬
muth, ſieh dich vor, daß du nicht ſelbſt von chriſt¬
lichem Hochmuth beſeſſen ſeyeſt, bethend ich danke
dir Gott, daß ich nicht bin gleich Dieſem! Glaubſt
du, daß ich ſo leichtſinnig mich zu jener That ent¬
ſchloſſen, deren furchtbare Verantwortung ich gar wohl
gekannt? glaubſt du, daß Gott ein Leben, ſonſt rein
und fromm geführt, ſo grauſam durch kalten geiſti¬
gen Hochmuth verderben werde, und einen ſonſt lich¬
ten Geiſt ſo hart verblenden, daß er die Täuſchung
einer groben Eitelkeit nicht mehr gewahre?
Kennſt du noch nicht das finſtere Reich des Ab¬
grundes, das die Natur beſchließt, glücklich du, wenn
es immer beſchloſſen dir geblieben! alle ſeine dun¬
keln Mächte hat der Geiſt beſiegt, und ſie in jene
Tiefe eingeſchloſſen; aber durch des Menſchen Herz
gehen tiefe Brunnen nieder in ihre Finſterniß; um
den Eingang drängen ſich, Freyheit ſuchend alle Lei¬
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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/120>, abgerufen am 16.02.2025.
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