Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

grauesten Urzeit unterschied man drey verschiedene
Stände, und jenes uralte Bild, das den Lehrstand
und die gesammte Priesterschaft dem Haupte beylegte,
den Wehrstand den Armen, den Nährstand dem Leibe,
oder eigentlicher den innern Lebenstheilen, beweißt, daß
man schon damals jene Anschauung des Staates als
eines lebendigen Organisms gehegt, und in ihr die
Wechselbeziehung der verschiedenen Theile des Ganzen
festgesetzt.

Diese Abtheilung, ursprünglich in der Verschiedenheit
der Racen durch die Natur selbst begründet, gieng
zuerst in jenen Urstaaten in die Verfassungen über,
die durch die Ueberlegenheit des Schwerdtes über das
blos pflanzenhafte Leben, und durch die gleiche Ueber¬
legenheit des Geistes über das Schwerdt gestiftet
wurden. Die edleren Racen, die also siegreich jene
Staaten gegründet hatten, suchten die Reinheit ihres
Blutes dadurch zu sichern, daß sie sich in scharf um¬
schriebenen Casten abgesondert hielten, innerhalb deren
Rechte und Besitzthümer auf ewige Zeiten gewährt von
Geschlecht zu Geschlechte durch Erbschaft überliefert
wurden, die aber äußerlich nach dem Gesetze und der
Regel sich nicht vermischen sollten, oder wenn dies
in der Ausnahme je geschah, den verschiedenen Halb¬
schlächtigen die durch diese Mischungen entstanden,
jedem wieder in bestimmten Uebergangsgliedern sein
Organ und seine Verrichtung streng abmarkten.

Das Christenthum, indem es die Gleichheit aller
Menschen vor Gott verkündigte, und gerade aus den
untersten Klassen seine ersten Organe wählte, brach
zuerst zugleich mit dem Sclaventhum auch das Casten¬

graueſten Urzeit unterſchied man drey verſchiedene
Stände, und jenes uralte Bild, das den Lehrſtand
und die geſammte Prieſterſchaft dem Haupte beylegte,
den Wehrſtand den Armen, den Nährſtand dem Leibe,
oder eigentlicher den innern Lebenstheilen, beweißt, daß
man ſchon damals jene Anſchauung des Staates als
eines lebendigen Organisms gehegt, und in ihr die
Wechſelbeziehung der verſchiedenen Theile des Ganzen
feſtgeſetzt.

Dieſe Abtheilung, urſprünglich in der Verſchiedenheit
der Raçen durch die Natur ſelbſt begründet, gieng
zuerſt in jenen Urſtaaten in die Verfaſſungen über,
die durch die Ueberlegenheit des Schwerdtes über das
blos pflanzenhafte Leben, und durch die gleiche Ueber¬
legenheit des Geiſtes über das Schwerdt geſtiftet
wurden. Die edleren Raçen, die alſo ſiegreich jene
Staaten gegründet hatten, ſuchten die Reinheit ihres
Blutes dadurch zu ſichern, daß ſie ſich in ſcharf um¬
ſchriebenen Caſten abgeſondert hielten, innerhalb deren
Rechte und Beſitzthümer auf ewige Zeiten gewährt von
Geſchlecht zu Geſchlechte durch Erbſchaft überliefert
wurden, die aber äußerlich nach dem Geſetze und der
Regel ſich nicht vermiſchen ſollten, oder wenn dies
in der Ausnahme je geſchah, den verſchiedenen Halb¬
ſchlächtigen die durch dieſe Miſchungen entſtanden,
jedem wieder in beſtimmten Uebergangsgliedern ſein
Organ und ſeine Verrichtung ſtreng abmarkten.

Das Chriſtenthum, indem es die Gleichheit aller
Menſchen vor Gott verkündigte, und gerade aus den
unterſten Klaſſen ſeine erſten Organe wählte, brach
zuerſt zugleich mit dem Sclaventhum auch das Caſten¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0178" n="170"/>
graue&#x017F;ten Urzeit unter&#x017F;chied man drey ver&#x017F;chiedene<lb/>
Stände, und jenes uralte Bild, das den Lehr&#x017F;tand<lb/>
und die ge&#x017F;ammte Prie&#x017F;ter&#x017F;chaft dem Haupte beylegte,<lb/>
den Wehr&#x017F;tand den Armen, den Nähr&#x017F;tand dem Leibe,<lb/>
oder eigentlicher den innern Lebenstheilen, beweißt, daß<lb/>
man &#x017F;chon damals jene An&#x017F;chauung des Staates als<lb/>
eines lebendigen Organisms gehegt, und in ihr die<lb/>
Wech&#x017F;elbeziehung der ver&#x017F;chiedenen Theile des Ganzen<lb/>
fe&#x017F;tge&#x017F;etzt.</p><lb/>
      <p>Die&#x017F;e Abtheilung, ur&#x017F;prünglich in der Ver&#x017F;chiedenheit<lb/>
der Ra<hi rendition="#aq">ç</hi>en durch die Natur &#x017F;elb&#x017F;t begründet, gieng<lb/>
zuer&#x017F;t in jenen Ur&#x017F;taaten in die Verfa&#x017F;&#x017F;ungen über,<lb/>
die durch die Ueberlegenheit des Schwerdtes über das<lb/>
blos pflanzenhafte Leben, und durch die gleiche Ueber¬<lb/>
legenheit des Gei&#x017F;tes über das Schwerdt ge&#x017F;tiftet<lb/>
wurden. Die edleren Ra<hi rendition="#aq">ç</hi>en, die al&#x017F;o &#x017F;iegreich jene<lb/>
Staaten gegründet hatten, &#x017F;uchten die Reinheit ihres<lb/>
Blutes dadurch zu &#x017F;ichern, daß &#x017F;ie &#x017F;ich in &#x017F;charf um¬<lb/>
&#x017F;chriebenen Ca&#x017F;ten abge&#x017F;ondert hielten, innerhalb deren<lb/>
Rechte und Be&#x017F;itzthümer auf ewige Zeiten gewährt von<lb/>
Ge&#x017F;chlecht zu Ge&#x017F;chlechte durch Erb&#x017F;chaft überliefert<lb/><choice><sic>wurdeu</sic><corr>wurden</corr></choice>, die aber äußerlich nach dem Ge&#x017F;etze und der<lb/>
Regel &#x017F;ich nicht vermi&#x017F;chen &#x017F;ollten, oder wenn dies<lb/>
in der Ausnahme je ge&#x017F;chah, den ver&#x017F;chiedenen Halb¬<lb/>
&#x017F;chlächtigen die durch die&#x017F;e Mi&#x017F;chungen ent&#x017F;tanden,<lb/>
jedem wieder in be&#x017F;timmten Uebergangsgliedern &#x017F;ein<lb/>
Organ und &#x017F;eine Verrichtung &#x017F;treng abmarkten.</p><lb/>
      <p>Das Chri&#x017F;tenthum, indem es die Gleichheit aller<lb/>
Men&#x017F;chen vor Gott verkündigte, und gerade aus den<lb/>
unter&#x017F;ten Kla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine er&#x017F;ten Organe wählte, brach<lb/>
zuer&#x017F;t zugleich mit dem Sclaventhum auch das Ca&#x017F;ten¬<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0178] graueſten Urzeit unterſchied man drey verſchiedene Stände, und jenes uralte Bild, das den Lehrſtand und die geſammte Prieſterſchaft dem Haupte beylegte, den Wehrſtand den Armen, den Nährſtand dem Leibe, oder eigentlicher den innern Lebenstheilen, beweißt, daß man ſchon damals jene Anſchauung des Staates als eines lebendigen Organisms gehegt, und in ihr die Wechſelbeziehung der verſchiedenen Theile des Ganzen feſtgeſetzt. Dieſe Abtheilung, urſprünglich in der Verſchiedenheit der Raçen durch die Natur ſelbſt begründet, gieng zuerſt in jenen Urſtaaten in die Verfaſſungen über, die durch die Ueberlegenheit des Schwerdtes über das blos pflanzenhafte Leben, und durch die gleiche Ueber¬ legenheit des Geiſtes über das Schwerdt geſtiftet wurden. Die edleren Raçen, die alſo ſiegreich jene Staaten gegründet hatten, ſuchten die Reinheit ihres Blutes dadurch zu ſichern, daß ſie ſich in ſcharf um¬ ſchriebenen Caſten abgeſondert hielten, innerhalb deren Rechte und Beſitzthümer auf ewige Zeiten gewährt von Geſchlecht zu Geſchlechte durch Erbſchaft überliefert wurden, die aber äußerlich nach dem Geſetze und der Regel ſich nicht vermiſchen ſollten, oder wenn dies in der Ausnahme je geſchah, den verſchiedenen Halb¬ ſchlächtigen die durch dieſe Miſchungen entſtanden, jedem wieder in beſtimmten Uebergangsgliedern ſein Organ und ſeine Verrichtung ſtreng abmarkten. Das Chriſtenthum, indem es die Gleichheit aller Menſchen vor Gott verkündigte, und gerade aus den unterſten Klaſſen ſeine erſten Organe wählte, brach zuerſt zugleich mit dem Sclaventhum auch das Caſten¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/178
Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/178>, abgerufen am 04.12.2024.