sind, von denen je Eines, das Andere in einem Ele¬ mente berührt, zu zweyen Streitenden immer ein drit¬ tes Beruhigendes gefunden werden, und am häufigsten, da Adel und Gemeine am öftersten in den Widerstreit der Interessen kommen, wird der Lehrstand alsdann Schiedsrichteramt versehen.
Das Alles sind Formen, die obgleich sie nach den Gesetzen der bildenden Naturkraft gestaltet sind, doch so oder anders gewendet und vielfach anders modifizirt werden können; wie eben die Natur allen ihren lebendigen Bildungen zwar die menschliche Ge¬ stalt als Grundtypus untergelegt, aber vielfältig wech¬ selnd in den Elementen und den Verhältnissen, aus denen das Ganze sich zusammensetzt, die eine Urform in vielen Thierbildern auseinandergezogen und ver¬ schoben hat. Aber in ihnen ist nur erst der Automat des Staats gegeben, der nichts als ein lebloser Leich¬ nam ist, wenn ihm die innere Beselung fehlt, die ihn allein erhalten, treiben und begeistigen kann.
Es giebt aber drey Grundprinzipe dieser Beseelung, die je nach der Höhe der Fakultät, worin sie wur¬ zeln, in Würde verschieden sich erweisen. Das erste ist die Religion, die ihre Weihe vom Ueberirdischen ableitend, das Irdische damit durchdringend zu heili¬ gen sucht, und den Staat zu einem Sacramente macht. Im Vorherrschen dieses Prinzipes haben die alten Priesterstaaten sich gebildet, mit denen überall die Geschichte beginnt, indem das erste Regiment auf Er¬ den als Theocratie sich gestaltet. Indem aber das Prie¬ sterthum im Verlauf der Zeit sich im Hochmuth über¬ hoben, hat bald die Macht ihr Recht behauptet und die Kraft und der Muth, und nun sind die Könige aufgekommen, die an der Spitze ihrer Gefolge vom Aufgang bis zum Niedergang die Völker sich unter¬ worfen haben, und nach und nach jene Weltmonarchien zusammengeballt, deren Thaten das Buch der Zeiten aufgeschrieben. Hier hat die Ehre vorgeherrscht und die kriegerische Tugend, und wie dort der Krumm¬ stab, so ist das Schwert hier der Zepter, der geho¬ ben und geneigt, lenkt und führt. Dann aber, als
ſind, von denen je Eines, das Andere in einem Ele¬ mente berührt, zu zweyen Streitenden immer ein drit¬ tes Beruhigendes gefunden werden, und am häufigſten, da Adel und Gemeine am öfterſten in den Widerſtreit der Intereſſen kommen, wird der Lehrſtand alsdann Schiedsrichteramt verſehen.
Das Alles ſind Formen, die obgleich ſie nach den Geſetzen der bildenden Naturkraft geſtaltet ſind, doch ſo oder anders gewendet und vielfach anders modifizirt werden können; wie eben die Natur allen ihren lebendigen Bildungen zwar die menſchliche Ge¬ ſtalt als Grundtypus untergelegt, aber vielfältig wech¬ ſelnd in den Elementen und den Verhältniſſen, aus denen das Ganze ſich zuſammenſetzt, die eine Urform in vielen Thierbildern auseinandergezogen und ver¬ ſchoben hat. Aber in ihnen iſt nur erſt der Automat des Staats gegeben, der nichts als ein lebloſer Leich¬ nam iſt, wenn ihm die innere Beſelung fehlt, die ihn allein erhalten, treiben und begeiſtigen kann.
Es giebt aber drey Grundprinzipe dieſer Beſeelung, die je nach der Höhe der Fakultät, worin ſie wur¬ zeln, in Würde verſchieden ſich erweiſen. Das erſte iſt die Religion, die ihre Weihe vom Ueberirdiſchen ableitend, das Irdiſche damit durchdringend zu heili¬ gen ſucht, und den Staat zu einem Sacramente macht. Im Vorherrſchen dieſes Prinzipes haben die alten Prieſterſtaaten ſich gebildet, mit denen überall die Geſchichte beginnt, indem das erſte Regiment auf Er¬ den als Theocratie ſich geſtaltet. Indem aber das Prie¬ ſterthum im Verlauf der Zeit ſich im Hochmuth über¬ hoben, hat bald die Macht ihr Recht behauptet und die Kraft und der Muth, und nun ſind die Könige aufgekommen, die an der Spitze ihrer Gefolge vom Aufgang bis zum Niedergang die Völker ſich unter¬ worfen haben, und nach und nach jene Weltmonarchien zuſammengeballt, deren Thaten das Buch der Zeiten aufgeſchrieben. Hier hat die Ehre vorgeherrſcht und die kriegeriſche Tugend, und wie dort der Krumm¬ ſtab, ſo iſt das Schwert hier der Zepter, der geho¬ ben und geneigt, lenkt und führt. Dann aber, als
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ſind, von denen je Eines, das Andere in einem Ele¬
mente berührt, zu zweyen Streitenden immer ein drit¬
tes Beruhigendes gefunden werden, und am häufigſten,
da Adel und Gemeine am öfterſten in den Widerſtreit
der Intereſſen kommen, wird der Lehrſtand alsdann
Schiedsrichteramt verſehen.
Das Alles ſind Formen, die obgleich ſie nach
den Geſetzen der bildenden Naturkraft geſtaltet ſind,
doch ſo oder anders gewendet und vielfach anders
modifizirt werden können; wie eben die Natur allen
ihren lebendigen Bildungen zwar die menſchliche Ge¬
ſtalt als Grundtypus untergelegt, aber vielfältig wech¬
ſelnd in den Elementen und den Verhältniſſen, aus
denen das Ganze ſich zuſammenſetzt, die eine Urform
in vielen Thierbildern auseinandergezogen und ver¬
ſchoben hat. Aber in ihnen iſt nur erſt der Automat
des Staats gegeben, der nichts als ein lebloſer Leich¬
nam iſt, wenn ihm die innere Beſelung fehlt, die ihn
allein erhalten, treiben und begeiſtigen kann.
Es giebt aber drey Grundprinzipe dieſer Beſeelung,
die je nach der Höhe der Fakultät, worin ſie wur¬
zeln, in Würde verſchieden ſich erweiſen. Das erſte
iſt die Religion, die ihre Weihe vom Ueberirdiſchen
ableitend, das Irdiſche damit durchdringend zu heili¬
gen ſucht, und den Staat zu einem Sacramente macht.
Im Vorherrſchen dieſes Prinzipes haben die alten
Prieſterſtaaten ſich gebildet, mit denen überall die
Geſchichte beginnt, indem das erſte Regiment auf Er¬
den als Theocratie ſich geſtaltet. Indem aber das Prie¬
ſterthum im Verlauf der Zeit ſich im Hochmuth über¬
hoben, hat bald die Macht ihr Recht behauptet und
die Kraft und der Muth, und nun ſind die Könige
aufgekommen, die an der Spitze ihrer Gefolge vom
Aufgang bis zum Niedergang die Völker ſich unter¬
worfen haben, und nach und nach jene Weltmonarchien
zuſammengeballt, deren Thaten das Buch der Zeiten
aufgeſchrieben. Hier hat die Ehre vorgeherrſcht und
die kriegeriſche Tugend, und wie dort der Krumm¬
ſtab, ſo iſt das Schwert hier der Zepter, der geho¬
ben und geneigt, lenkt und führt. Dann aber, als
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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/202>, abgerufen am 16.07.2024.
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