Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.Ueberwucht des historischen Princips, eben weil es Aber die Begeisterung wirkt nur stoßweise in der Ge¬ Zu diesen theoretischen Spielereyen kamen praktische Ueberwucht des hiſtoriſchen Princips, eben weil es Aber die Begeiſterung wirkt nur ſtoßweiſe in der Ge¬ Zu dieſen theoretiſchen Spielereyen kamen praktiſche <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0099" n="91"/> Ueberwucht des hiſtoriſchen Princips, eben weil es<lb/> das den Franzoſen Feindlichſte geſchienen.</p><lb/> <p>Aber die Begeiſterung wirkt nur ſtoßweiſe in der Ge¬<lb/> ſchichte und auf Augenblicke; die langen Zwiſchenräume<lb/> wird ſie durch Leidenſchaften und Intereſſen fortgeführt,<lb/> die, was dort nur als leichter Gegenſatz erſchien, immer<lb/> weiter auseinandertreiben, bis auf den äußerſten Punk¬<lb/> ten das Entzweyte unverſöhnlich einander gegenüber¬<lb/> ſteht. Das hiſtoriſche Princip iſt eine Allgemeinheit,<lb/> die in ihrem weiten Begriffe das Verſchiedenſte be¬<lb/> faßt. Hatte die beſſere Geſinnung nur das Beßte aus<lb/> den ehmaligen Zeiten angeſprochen, ſo mochten die<lb/> Intereſſen das Vortheilhafteſte nur brauchen; und<lb/> neigten Jene mehr zu den früheren beſſern Zeiten, ſo<lb/> trieben Dieſe natürlich mehr auf die Neuern, wo<lb/> noch grünende Wurzeln des Eigennutzes lagen. So<lb/> kamen bald alle Mißbräuche herzu, und alle Vorur¬<lb/> theile, und alles Erſtarrte und Erſtorbene nannte ſich<lb/> hiſtoriſch; und ſelbſt die Zeit vor 1806 in Preußen<lb/> fand ihre Liebhaber, die ſich den Freunden der alten<lb/> guten Zeit zuzählten. Zu ihnen geſellten ſich zwey<lb/> Claſſen, die ſich leicht in Teutſchland zu jeder guten<lb/> Sache finden, und jeder leicht Meiſter werden, die<lb/> Phantaſten und Pedanten; jene träumten in ihrer Weiſe<lb/> vom Mittelalter, wie früher die Ritterbücher; dieſe<lb/> hiengen ſich an das Starre, Todte, den öden Buchſta¬<lb/> ben als das eigentlich Urkundliche, und <hi rendition="#g">Hallers</hi> Buch,<lb/> das zu viel Verdienſtlichem und Guten, ſchon an ſich<lb/> viel Irrthümliches enthält, nach eigner Anſicht umge¬<lb/> deutet, bildete Schule unter Beiden.</p><lb/> <p>Zu dieſen theoretiſchen Spielereyen kamen praktiſche<lb/></p> </body> </text> </TEI> [91/0099]
Ueberwucht des hiſtoriſchen Princips, eben weil es
das den Franzoſen Feindlichſte geſchienen.
Aber die Begeiſterung wirkt nur ſtoßweiſe in der Ge¬
ſchichte und auf Augenblicke; die langen Zwiſchenräume
wird ſie durch Leidenſchaften und Intereſſen fortgeführt,
die, was dort nur als leichter Gegenſatz erſchien, immer
weiter auseinandertreiben, bis auf den äußerſten Punk¬
ten das Entzweyte unverſöhnlich einander gegenüber¬
ſteht. Das hiſtoriſche Princip iſt eine Allgemeinheit,
die in ihrem weiten Begriffe das Verſchiedenſte be¬
faßt. Hatte die beſſere Geſinnung nur das Beßte aus
den ehmaligen Zeiten angeſprochen, ſo mochten die
Intereſſen das Vortheilhafteſte nur brauchen; und
neigten Jene mehr zu den früheren beſſern Zeiten, ſo
trieben Dieſe natürlich mehr auf die Neuern, wo
noch grünende Wurzeln des Eigennutzes lagen. So
kamen bald alle Mißbräuche herzu, und alle Vorur¬
theile, und alles Erſtarrte und Erſtorbene nannte ſich
hiſtoriſch; und ſelbſt die Zeit vor 1806 in Preußen
fand ihre Liebhaber, die ſich den Freunden der alten
guten Zeit zuzählten. Zu ihnen geſellten ſich zwey
Claſſen, die ſich leicht in Teutſchland zu jeder guten
Sache finden, und jeder leicht Meiſter werden, die
Phantaſten und Pedanten; jene träumten in ihrer Weiſe
vom Mittelalter, wie früher die Ritterbücher; dieſe
hiengen ſich an das Starre, Todte, den öden Buchſta¬
ben als das eigentlich Urkundliche, und Hallers Buch,
das zu viel Verdienſtlichem und Guten, ſchon an ſich
viel Irrthümliches enthält, nach eigner Anſicht umge¬
deutet, bildete Schule unter Beiden.
Zu dieſen theoretiſchen Spielereyen kamen praktiſche
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